Schon bevor das Land seine Offensive startete, wuchs in Bietigheim-Bissingen dieses Holz-Hybrid-Mehrfamilienhaus in die Höhe. Jetzt ist es fertig. Foto: factum/Granville

Mitte Dezember ziehen die ersten Mieter ein: Mit ihrem Mehrfamilienhaus in Holz-Hybrid-Bauweise will die Landesbaugenossenschaft Duftmarken setzen – ganz im Sinne der Holzbauoffensive des Landes.

Bietigheim-Bissingen - Im ersten Augenblick denkt man als Vorstand beim Thema Holzbau nicht gleich hurra“, räumt Josef Vogel ein. Manches Ressentiment gegen den Baustoff halte sich eben hartnäckig. „Aber je mehr wir uns damit beschäftigt haben, desto interessanter wurde es.“ Jetzt steht der Geschäftsführende Vorstand der Landesbaugenossenschaft (LBG) auf der Dachterrasse des schicken, neuen 14-Parteien-Mietshauses in der Bahnhofstraße Bietigheim-Bissingen und gesteht sich doch ein wenig Schulterklopfen in eigener Sache zu. Dafür, dass die LBG für 3,2 Millionen Euro „dieses Leuchtturmprojekt“ wagte. Und das, bevor sie auf der Welle mitsurfen konnte, die das Land mit seiner jüngst ausgerufenen Holzbauoffensive auslöste. Die 1,5- bis Vier-Zimmer-Wohnungen sind alle vergeben. Die ersten Mieter ziehen Mitte Dezember ein.

Von jedem Werkstoff das Beste

Holz-Hybrid-Bauweise, das bedeutet kurz gesprochen: „Man nimmt von jedem Werkstoff das Beste und kombiniert es unter bauphysikalischen, wärme- und schallschutztechnischen Aspekten miteinander“, sagt Gerhard Lutz – der Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Biberach ist für die Qualitätssicherung des Neubaus zuständig. So sind die Decken aus Schallschutzgründen aus Beton hergestellt, ebenso das Fundament, die Tiefgarage, das Treppenhaus und der Aufzugsschacht. Alle tragenden Außenwände bestehen aber aus vorgefertigten, innen und außen gedämmten und verkleideten Holzsystemelementen.

Und dieser Produktionsweise, ist sich Lutz sicher, gehört die Zukunft. Nicht nur, weil Holzhäuser der Atmosphäre klimaschädliches Kohlendioxid entziehen und es langfristig speichern. „Man muss sich ja nur einmal im Baugewerbe umschauen: dem gehen die Köpfe, Hände und Füße aus.“ Für manche Gewerke fänden sich kaum noch Handwerker, die wenigsten wollten bei vergleichsweise geringem Lohn und teils miserabler Witterung schwere körperliche Arbeit leisten.

In knapp einem Jahr stand das Haus

In Produktionshallen vorgefertigte Holzwände hingegen sind vergleichsweise unaufwendig zu transportieren und im Handumdrehen aufgebaut: Eine Etage aufzustellen, brauchte in Bietigheim einen Tag, die Nachjustierung einen weiteren, dann war jeweils schon die Betondecke dran. Das ganze Haus war in weniger als einem Jahr fertig – Bodenuntersuchungen im einstigen Bombenabwurfgebiet und die Gründung mit Gusspfählen auf dem weichen Untergrund inklusive.

Dass mit dieser Bauweise fix Wohnraum geschaffen werden kann, hebt auch die Landesregierung hervor: Gerade in Ballungszentren könne der größer dimensionierte Holz-Hybrid-Mietwohnbau dabei helfen, die Not zu lindern, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Präsentation der Holzbauoffensive.

Die Mittelschicht im Blick

Die LBG ist allerdings bisher die erste Bauherrin, die in der Region Stuttgart ein Holz-Hybrid-Mehrfamilienhaus in dieser Größenordnung hochgezogen hat, sagt Joachim Hörrmann von proHolz BW – einem auf Holzbaufachberatung spezialisierten Unternehmen. Die Bauweise komme zwar öfter zum Einsatz, aber nicht in dieser Geschosshöhe. Eine Ausnahme bildet die Stadt Heilbronn: Dort gibt es ein 34 Meter hohes, zehnstöckiges Holz-Hybrid-Hochhaus mit 60 Wohnungen.

LBG-Chef Vogel, der sich für die Mittelschicht stark macht, „die keinen Anspruch auf Sozialwohnungen hat, sich aber auch die hohen, renditeorientierten Marktmieten nicht leisten kann“, bringt die Wohnungen im Neubau für 9,80 Euro Netto-Miete pro Quadratmeter auf den Markt. Das werde die LBG nicht arm machen, betont er: „Wir werden trotzdem daran verdienen.“