Ursprünglich wollte die Verwaltung an der Weidacher Straße ein potenzielles Mischgebiet ausweisen, nun soll die Fläche doch für mögliches Gewerbe zur Verfügung stehen. Foto: Caroline Holowiecki

Flächenfraß kontra Weiterentwicklung – das sind die Konfliktfronten, wenn es darum geht, wo in Filderstadt in Zukunft noch gebaut werden kann. Der Gemeinderat hat nun erste Entscheidungen getroffen.

Filderstadt - Wo werden die künftigen Filderstädter einmal wohnen? Und wo kann sich noch Gewerbe ansiedeln? In seiner jüngsten Sitzung hat sich der Gemeinderat damit befasst.

Die Ausgangslage

In einem Flächennutzungsplan (FNP) wird die Art der Bodennutzung in ihren Grundzügen dargestellt, wie sie sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung und den voraussehbaren Bedürfnissen einer Kommune ergibt. In der Regel wird in 15-Jahres-Schritten geplant. In Filderstadt soll der FNP fortgeschrieben werden, um aufzuzeigen, wo potenziell neue Häuser und Firmen vor allem auch im Außenbereich gebaut werden könnten. Der Prozess hat 2014 begonnen, der Gemeinderat hat die Vorschläge der Verwaltung aber mehrfach gestutzt – in erster Linie, um wertvolle Filderböden zu schonen. Der letzte große Schnitt seitens des Gremiums war 2018 vorgenommen worden. Von den anfangs von der Verwaltung vorgeschlagenen 140 Hektar, die perspektivisch für eine Bebauung zur Verfügung stehen sollten, waren da noch 59 übrig geblieben.

Die Zahlen

In der jüngsten Sitzung hat die Verwaltung einen modifizierten FNP vorgelegt, da sich planerische Voraussetzungen oder Bedarfe seit 2018 geändert haben. Die potenzielle Baufläche beträgt nun nur noch 52,2 Hektar, davon 15,3 Hektar für Wohnbau, 2,6 Hektar gemischte Bauflächen, 23,1 Hektar Gewerbe-, 0,7 Hektar Sonderbau- und 10,5 Hektar Gemeinbedarfsflächen. Im Vergleich zur vorherigen Version wurde bei den gemischten Flächen stark abgespeckt, dafür wurde dem Gewerbe mehr zugeschlagen, etwa im Gebiet „Weidacher Straße Ost“ und „Östlich Hohe Straße“.

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Manches wiederum entfällt als Baufläche, etwa das Gebiet „Mercedesstraße“, weil der Regionalplan dort entgegensteht. Die 6,8 Hektar bleiben ein Acker. Der Prognosezeitraum wurde von 2030 auf 2035 verlängert. Grundlage ist die Annahme, dass künftig 48 000 Menschen im Ort leben werden. Der Gemeinderat hat dieser Flächenkulisse mit großer Mehrheit zugestimmt. Allerdings: Das Beschlossene deckt den prognostizierten Bedarf nicht. Beim Gewerbe geht die Verwaltung von einem Deckungsgrad von 51,6 Prozent aus, beim Wohnen nur von 29 Prozent – und da sind Baulücken und Innenentwicklungspotenziale schon abgezogen.

Die Enttäuschten

Der OB Christoph Traub hätte gern mehr Spielraum gehabt, etwa um schnell reagieren zu können, wenn ein Unternehmen anklopft. „Sie wissen aus der Haushaltseinbringung, dass wir von zwei Steuern leben – der Einkommens- und der Gewerbesteuer.“ Er befürchtete, dass sich Menschen und Firmen abwenden. Ähnlich sahen es FDP und SPD. „Voraussehend planen kann man nur, wenn man eine bestimmte Beweglichkeit hat“, mahnte Walter Bauer (SPD). Eine Aufnahme einer Fläche in den FNP komme nicht automatisch einer Bebauung gleich. „Man muss sich schon fragen, wo soll das Geld herkommen für die ganzen Wünsche? Wo sollen die Filderstädter mal wohnen?“, betonte Dennis Birnstock (FDP). Beide Fraktionen hatten einen Antrag formuliert, um zusätzliche Gewerbe- und Wohnbauflächen in den FNP aufzunehmen, hatten aber keine Mehrheit erlangt. Vielmehr setzte es in der Sitzung und offenbar auch abseits viel Kritik. Walter Bauer sprach von „bösartigen Angriffen“.

Die Gegner

Die Grünen und die Freien Wähler stemmten sich vehement gegen einen höheren Flächenverbrauch. Tenor: Gewerbe ja, aber nicht ausufernd und vor allem nicht stets auf Kosten der Landwirtschaft und der Natur. „Das verstehen wir unter aktiver Boden- und Klimapolitik“, stellte Catherine Kalarrytou (Grüne) klar. „Boden ist für uns ein Gut, das man nicht vermehren kann. Ein versiegelter Boden ist ein kaputter Boden“, sagte Stefan Hermann (Freie Wähler). Was im FNP einmal drin sei, sei drin, und „damit werden Erwartungen geweckt“, betonte er.

Die Aussichten

Bis der neue FNP in Kraft tritt, wird es noch dauern. Mit seinem jüngsten Votum hat der Gemeinderat die Flächenkulisse festgelegt. Nach weiteren Beschlüssen soll die Auslegung Ende März bis Anfang Mai 2022 sein, im Herbst soll der Feststellungsbeschluss folgen. Die Genehmigung durch das Regierungspräsidium wird im letzten Quartal 2022 oder im ersten Quartal 2023 erwartet, sodass der FNP im ersten Halbjahr 2023 in Kraft treten könnte.