Die Grundstücke entlang der Kirchheimer Straße sind ein begehrtes Pflaster. Foto: Holowiecki

Aus klein wird groß: Der Trend zur üppigen Nachverdichtung an der Sillenbucher Ortsdurchfahrt ist ungebrochen. Mindestens zwei weitere Häuser werden in absehbarer Zeit abgerissen. Von der Stadtverwaltung ist das gewollt, doch manch Alteingesessener ist traurig.

Sillenbuch - Kaum irgendwo in Sillenbuch wird so viel gebaut wie an der Ortsdurchfahrt, der Kirchheimer Straße. Kleine Häuser weichen, größere entstehen. Das wird von der Stadtverwaltung forciert. Der Bebauungsplan, der zwischen der Kleinhohenheimer Straße und der Haltestelle „Schemppstraße“ gilt, und seine Konzeption beruhen auf dem Rahmenplan Sillenbuch, der zum Ziel hat, das bestehende Wohn- und Geschäftsgebiet neu zu ordnen und eine intensivere Nutzung zu ermöglichen. Der Gewerbe-Wohn-Mix soll erhalten und weiterentwickelt werden. „Hier werden aufgrund der beabsichtigten Zentrumsbildung eine dichtere Bebauung, größere Bautiefen und größere Höhenentwicklung ermöglicht. Ortsauswärts in östlicher Richtung werden die Bebauungsdichte und die Gebäudehöhe deutlich reduziert“, erklärt Jana Steinbeck, eine Sprecherin der Stadtverwaltung.

Die Bauunternehmen lassen sich nicht zweimal bitten, immerhin können sie hier das Maximum aus ihren Grundstücken herausholen. Die Firma Röwisch aus Schwäbisch Hall tanzt aktuell auf zwei Hochzeiten. Der Rohbau eines Zwei-Familien-Hauses auf dem Grundstück Nummer 109 steht bereits, zur Straße hin wird ein Vier-Familien-Haus folgen. Sämtliche Wohnungen sind verkauft. Auf dem Grundstück 76 ist die Baugrube ausgehoben. Hier entsteht ein Zwölf-Parteien-Wohnhaus, nur noch zwei Appartements sind zu haben. Ein drittes Eisen an der Kirchheimer Straße hat Röwisch ebenfalls im Feuer, das Haus ist gekauft. Auf dem Grundstück Nummer 66 tut sich auch etwas. Die dschungelartige Vegetation ist jüngst gerodet worden, das Wohnhaus steht frei – und wird vielleicht noch in diesem Jahr weichen, erklärt Eberhard Haag von der Vewa Hausverwaltung, die das Objekt betreut. Die Stuttgarter Firma AVG hat es gekauft, entstehen sollen auf dem Areal ein fünfstöckiges Mehrfamilienhaus mit Gewerbeflächen und sechs Wohnungen sowie zwei Doppelhaushälften. „Wir ringen schon fast ein Jahr um die Baugenehmigung“, sagt Eberhard Haag.

Die Kirchheimer Straße sei ein Hotspot

Seit Langem geht das bereits so, nicht umsonst sprach der Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck schon vor einem Jahr von der Kirchheimer Straße als „Hotspot“. Dabei sind die Grundstückspreise unverändert hoch. Die aktuelle Bodenrichtwertkarte (Zahlen von Ende 2016) weist Preise zwischen 1510 und 1600 Euro pro Quadratmeter aus; Preise, die stadtweit im oberen Viertel rangieren. Und dennoch sind es Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass der Quadratmeter in einer Neubauwohnung laut dem Röwisch-Mitarbeiter Markus Dürr ab 6000 Euro zu haben ist. Er hebt die Beliebtheit der Achse Sillenbuch-Degerloch hervor: Man sei im Grünen, aber auch schnell draußen oder im Zentrum, hinzu komme eine hervorragende Infrastruktur. Das ziehe besonders viele Interessenten an. „Dass fast alles verkauft ist vor Baubeginn, ist unnormal“, sagt Markus Dürr für seine Objekte.

Das Viertel verliere seinen Charakter

Nicht alle freuen sich über den Wandel. Irene Krauß (64) lebt im Haus ihrer Großeltern von 1926 und findet die rasante Veränderung „furchtbar“. Das Viertel verliere seinen Charakter, „und es fällt so viel Grün weg“. Das Haus, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hat, soll bleiben, „ich könnte das nicht mitanschauen“. Hans Dieter Oehlschläger (83), auch Alt-Sillenbucher, sagt: „Was ich früher gekannt habe, ist verschwunden.“ Die Maurerwerkstatt seines Vaters etwa sei überbaut. Die neuen Häuser im Ortszentrum findet er unpersönlich, doch er weiß: „Das ist der Lauf der Dinge. Die Bevölkerung nimmt ständig zu und braucht Wohnräume.“

Der Generationenwechsel läuft. Die meisten Häuser stammen aus den 1930ern Jahren, stehen in der Regel als Solitär auf großzügigen Grundstücken. Jene Menschen, die in den Elternhäusern geblieben sind, sind 80 Jahre oder älter. Verkäufe stehen an. Ein Haus etwa ist seit Monaten verrammelt, der Garten verwildert. Ob es abgerissen wird? Möglich. Markus Dürr spricht von langen Planungsphasen, zwischen Kauf und Baubeginn vergingen in der Regel um die zwei Jahre, „die Ämter sind sehr gut ausgelastet“.