Das Gewerbeareal an der Fellbacher Höhenstraße ist als Projektfläche für die IBA’27 ausersehen – umgesetzt werden sollen auch Ideen für eine urbane Landwirtschaft. Foto: Archiv/Archiv

Dank einer Konzeptstudie zur urbanen Landwirtschaft werden die Visionen für den Fellbacher IBA-Beitrag erstmals greifbar. Bei den Grundstückseigentümern gibt es offenbar konkretes Interesse an einer Nachverdichtung.

Noch ist es längst nicht so weit, dass auf dem Dach einer Industriehalle an der Fellbacher Höhenstraße schmackhafte Tomaten geerntet werden können oder sich auf dem Parkhaus für die Belegschaft goldgelbes Getreide sanft im Wind wiegt. Doch in den Köpfen der Stadtplaner nimmt die Idee von der urbanen Landwirtschaft inzwischen konkretere Formen an. Was wäre, wenn sich schmucklose Gewerbebauten künftig für die Züchtung von Obst und Gemüse nutzen lassen würden? Und welche Chancen bietet die schöne neue Welt des Ackerbaus gerade für eine dicht besiedelte und notorisch unter der Platznot ächzende Region?

Die Gedankenspiele um schicke Hightech-Gewächshäuser mit in die Höhe gestapelten Substrat-Pflanzbeeten und Rooftop-Farming auf bisher noch nicht mal für die Installation von Solarzellen genutzten Fabrik-Flachdächern hängen mit der Bauausstellung IBA ’27 zusammen. Für den weit über den Ballungsraum Stuttgart hinaus beachteten Konzeptwettbewerb hat sich Fellbach das Motto „Agriculture meets Manufacturing“ gewählt. In dem 110 Hektar großen Gewerbeareal links und rechts der Höhenstraße soll in den nächsten Jahren nach architektonischen Zukunftslösungen für die immer knapperen Flächen gesucht werden.

Auch ein Büro aus Zürich ist an der Konzeptstudie beteiligt

Als ein zentrales Ziel liegt das Augenmerk auf einer Nachverdichtung der Bestandsflächen – und der Frage, ob innovative Ideen auch mehr Grün in die von Asphalt und Stahlbeton dominierten Produktionsflächen bringen können. „Wie kann dieses Gebiet zu einem Vorzeige-Areal werden, das Landwirtschaft und Gewerbe sinnvoll verbindet und bei der Neukonzeption ebenso ökologische wie ökonomische Aspekte berücksichtigt?“, umreißt die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull die selbst gewählte Aufgabenstellung. Gerade in den bestehenden Gewerbegebieten, immerhin ein Fünftel der gesamten Siedlungsfläche, verfüge die Stadt über bisher nicht genutzte Flächenpotenziale – auch wenn die Suche nach zukunftstauglichen Lösungen für eine Mischnutzung ein Umdenken erfordere.

Ein Problem für die bereits laufenden Gespräche mit Investoren, aber auch für die politische Diskussion war bisher neben Zweifeln an der Praxistauglichkeit der visionären Entwürfe allerdings die Tatsache, dass die durchs Rathaus geisternden Vorschläge wenig greifbar waren. Zumindest Nicht-Architekten fehlte bei Schlagworten zur urbanen Landwirtschaft oft die fachliche Vorstellungskraft. Auch deshalb hat die Stadt jetzt eine von Büros aus Karlsruhe, Stuttgart und Zürich entwickelte Konzeptstudie vorgelegt. Enthalten sind in der mehr als 40 Seiten starken Präsentation diverse Beispiele, die in Fellbach konkret umgesetzt werden könnten.

Im Januar wird die Vision den Grundstücksbesitzern vorgestellt

Schließlich haben laut der Baubürgermeisterin Beatrice Soltys bereits mehrere Eigentümer im Gewerbeareal an der Höhenstraße ihr Interesse an einer besseren Ausnutzung ihrer Grundstücke signalisiert. Im Rahmen der für Januar ins Auge gefassten IBA-Gebietskonferenz soll die Studie allen Immobilieneigentümern im Gebiet vorgestellt werden – mit der Hoffnung, dass sich weitere Ideen für Nachverdichtung ergeben.

Mix aus Pflanzenbau und Fischzucht

Idee
Der gestapelte Anbau von Gemüse auf mehreren Pflanzetagen wird in der urbanen Landwirtschaft als „Vertical Farming“ bezeichnet. Ein spezielles System ist die Aquaponik, ein Mix aus Pflanzenbau und Fischzucht. Mit Bakterien besetzte Filter reinigen dabei das Brauchwasser der Tiere und wandeln Ausscheidungen in Dünger für die Pflanzen um. Das gereinigte Wasser fließt dann zurück zu den Fischen.

Wirtschaftlichkeit
Solche Anbauverfahren sind aufgrund des hohen technologischen und energetischen Einsatzes sowie der im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft höheren Personalkosten zwar (noch) nicht wirtschaftlich. Supermärkte haben zumindest den Imagefaktor erkannt. Die Rewe-Gruppe stapelt beispielsweise bei einem Neubau in Wiesbaden eine Rooftop-Farm und eine Fischzucht auf dem neuen Verkaufsraum. Gezüchtete Kräuter und Barsche werden dadurch direkt vor Ort vermarktet.