Andere wären nach einem Tag auf der Baustelle platt. Stathi Alexandridis (links) geht danach hingegen am liebsten ins Fitnessstudio oder ins Kampfsporttraining. Sein Stiefvater Eckhardt Christner powert sich ebenfalls nach Feierabend aus. Foto: Sascha Maier

Wenn jede Stunde eine Geschichte erzählt, hat der Tag 24 Geschichten. Eben diese erzählen wir in einer Serie. Von 12 bis 13 Uhr besuchen wir zwei hartgesottene Männer auf einer Baustelle in Möhringen, ihnen kann die Mittagshitze nichts anhaben.

Möhringen - Bei Stathi Alexandridis und Eckhard Christner sitzt jeder Handgriff. Eigentlich hätten die Bauarbeiter jetzt Mittagspause, aber ein paar Meter gehen noch, sagen sie um kurz nach 12 Uhr, als sie eine Brücke an der Stadtbahn-Haltestelle „Möhringen Freibad“ an der Heilbrunnenstraße sanieren.

Man möchte ja fast froh sein, dass es am heutigen Tag nicht ganz so heiß ist. Denn Schatten spendet hier überhaupt nichts, und Alexandridis und Christner hantieren mit einem siebenstrahligen Bully-Brenner, der Feuer spuckt, und über 200 Grad heißem Gussasphalt.

Doch Stiefsohn und Stiefvater sind hartgesotten – besonders der Erstere. „Nach der Arbeit gehe ich noch ins Fitnessstudio“, sagt der 34-Jährige. Doch damit nicht genug: Wenn der gelernte Betonsanierer aus Waiblingen am Feierabend nicht gerade Gewichte stemmt, hat er es gerne noch härter. Dann trainiert er nämlich Kampfsport – und zwar kein Aikido oder Judo, sondern Muay Thai und Mixed Martial Arts – Disziplinen, die zu den härtesten Kampfsportarten überhaupt zählen. Alexandridis versteht das als Alltagsausgleich. „Ich brauche das“, sagt er, während seine Augen funkeln.

Sein 53-jähriger Stiefvater besucht zwar keine Kampfsport-Gyms, aber auch er macht nach der Arbeit seine Fitnessübungen. „Viele die ich kenne und die im Büro arbeiten, sind häufiger krank als ich“, sagt er über seine Lebensweise.

Den Verkehr hören sie gar nicht mehr

An der Baustelle, die direkt auf einem Verkehrsknotenpunkt liegt, rasen die Autos links und rechts vorbei. „Welche Autos?“, fragt Alexandridis und schmunzelt. Wenn es nicht gerade ein Auto mit Blaulicht und Sirene ist, nehme er den Verkehrslärm gar nicht mehr wahr.

Hitze, Lärm und massiver Zeitdruck, da städtische Aufträge in der Baubranche gesetzlich geregelt an den günstigsten Dienstleister vergeben werden müssen und darum eher zu wenige als zu viele Arbeiter an der Baustelle sind – trotzdem lieben Alexandridis und Christner ihren Job.

„Mich würde keiner in ein Büro oder in eine Fabrik reinbringen“, sagt Christner, der eine Mechanikerausbildung abgebrochen hat, weil ihm dort die Decke auf den Kopf gefallen ist. „Ich brauche Abwechslung. Und den freien Himmel überm Kopf“, erklärt der Polier weiter.

Doch beim Arbeiten unter freiem Himmel will so einiges beachtet sein. Da es am Verkehrsknoten an der Heilbrunnenstraße nicht gerade von Kiosken wimmelt, muss für Proviant gesorgt sein. Und im August ist das Wichtigste: Wasser. „Während der Arbeit trinke ich drei bis vier Liter und davor und danach noch mal ein bis zwei“, sagt Alexandridis. Ein gestählter Körper wie seiner will mit einer Menge Energie versorgt sein.

Während anderenorts das Smartphone auch während der Arbeitszeit gern massiv genutzt wird, bleibt Christner und Alexandridis dafür keine Zeit. „Aber wir brauchen es, um uns mit unserem Bauleiter abzustimmen. Wenn es Probleme gibt, schicken wir davon Bilder. Das spart einiges an Zeit“, sagt Alexandridis. Die Digitalisierung ist also auch auf der Baustelle angekommen.

Schwerstarbeit für den Zahn der Zeit

Dass danke der modernen Technik Aufwand gespart werden kann, begrüßt auch Bauleiter Rainer Böhle sehr. Zumal es aufgrund des Regenwetters ein schmales Jahr für die Straßensanierungsbranche und auch den mittelständischen Betrieb ist. „Das hält die Arbeit immer auf“, sagt er. Und das Projekt muss im Rahmen von 100 000 Euro bleiben und bis Ende August fertig sein. „Wir sind gut im Zeitplan“, so Böhle weiter.

Danach wird der Zahn der Zeit wieder eine ganze Weile an der Brücke zu beißen haben. Die Gewährleistungszeit, die die Baufirma der Stadt garantiert, beträgt zwar nur fünf Jahre. „Aber die Straße kann auch über 20 Jahre halten“, sagt Böhle. Gut, dass er ein Energiebündel wie Alexandridis und einen erfahrenen Hasen wie Christner hat. Jetzt, um kurz vor 13 Uhr, machen sie Mittagspause. Und Alexandridis, der aussieht, als ob er mit bloßen Händen Stahlträger verbiegen könnte, offenbart plötzlich eine ganz weiche Seite.

Er packt eine Tüte voller Obst aus. Darin: eine Banane, Trauben und Zwetschgen. „Das hat mir meine Freundin eingepackt“, sagt Alexandridis, „seit fünf Wochen versuche ich, mich vegetarisch zu ernähren“. Der Grund dafür: Der Grieche ist sehr tierlieb. Der harte Kerl auf dem Bau und im Ring und der sanfte Tierfreund danach – eine Kombination, die seine Freundin sicherlich zu schätzen weiß.

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