Die Häuser der SWSG werden modernisiert und aufgestockt. Die Bauarbeiten machen einigen Mietern heftig zu schaffen. Foto: Chris Lederer

Die Wohnungs-und Städtebaugesellschaft modernisiert ihre Gebäude an der Walter-Sigel-Straße in Stammheim. Die Bauarbeiten haben vor Monaten angefangen, für die Mieter ist das durchaus kein Zuckerschlecken.

Stammheim - Das Bohren nervt. Es bohrt, und bohrt, und bohrt, und bohrt, und bohrt. „Das geht schon seit Wochen so“, ruft Walter Farkas über den Couchtisch hinweg, er ist kaum zu verstehen. „Immerhin wird seit zwei, drei Wochen die Mittagspause eingehalten.“ Die ist seit fünf Minuten hörbar um. Gemeinsam mit Doris Wolf und Judit Almedom sitzt Walter Farkas im Wohnzimmer von Heidi und Heinz Hummler an der Walter-Sigel-Straße 14. Stellvertretend für zahlreiche andere Mieter sind sie gekommen, um einen Lagebericht abzugeben. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) modernisiert seit Monaten an der Walter-Sigel-Straße; insgesamt 66 Wohnungen. Die Häuser werden außerdem um ein Dachgeschoss aufgestockt. Auf diese Weise entstehen 17 zusätzliche Wohnungen.

Das Krisenmanagement könnte besser sein

Keine leichte Aufgabe für die Bauherrin. Darin sind sich auch die fünf versammelten Mieter einig. Klar ist für sie aber auch, dass eine Menge schief läuft und das Krisenmanagement der SWSG besser sein könnte. Auch bei Hummlers waren schon die Bauarbeiter. Ihre Mängelliste umfasst knapp zwei Dutzend Punkte; unter anderem eine falsche Armatur, unebene Bodenfliesen, ein tropfender Siphon, falsch angebrachte Handkurbeln am Fenster sowie ein beschädigter Laminatboden. Einiges sei bereits in Ordnung gebracht, anderes nicht.

Zustände, die für die Anwohner Probleme bringen

„Es hieß, wir könnten drei Wochen unser Bad nicht benutzen“, sagt seine Frau Heidi. Daraufhin seien sie mit dem Wohnwagen nach Thüringen zur Tochter gefahren. „Die Kosten für drei Fahrten hat uns die SWSG freundlicherweise bezahlt. Als wir zurückkamen, konnten wir immer noch nicht in unser Bad.“ Ihrer Nachbarin Judit Almedom sei nach einem Platzregen das Wasser aus der Leitung in die Wohnung gelaufen. „Wir mussten zum Trocknen der Zimmer drei Wochen lang einen Luftentfeuchter in die Wohnung stellen.“ Durch den Betrieb dieser Entfeuchter seien die Wohnungen sehr warm geworden und sie hätten die Geräte auch noch selbst warten müssen. „Wir mussten jeden Tag das Kondenswasser ausschütten und konnten deswegen nicht in den Urlaub fahren“, sagt sie unter Tränen. Ihr Schaden in der Küche sei immer noch nicht repariert. Ähnlich erging es Doris Wolf: „Wir hatten die Entfeuchter fast fünf Wochen in der Wohnung stehen. Mein Mann ist schwer lungenkrank und konnte während dieser Zeit wegen der trockenen Luft nur ein Zimmer nutzen.“

Weil die Bäder saniert wurden, mussten sich in der Regel jeweils zwei Familien vorübergehend einen Sanitärcontainer teilen. „Das waren bis zu neun Personen für einen Container – stellen Sie sich vor, was da morgens los ist“, sagt Walter Farkas. „Bei uns war das Wasser im Container immer kalt“, beklagt sich Judit Almedom. Und Walter Farkas sagt: „Das Schlimmste ist der Unrat und Dreck – der Baustaub beschädigt unser Eigentum.“

Kein Ansprechpartner vor Ort zu finden

Zwar habe die SWSG eine Mietersprechstunde eingerichtet, zu erreichen sei die zuständige Mitarbeiterin aber nur montags von 16 bis 18 Uhr. Als die Mitarbeiterin im Urlaub oder krank war, habe es keinen Ersatz gegeben. Quasi ständig vor Ort sei zwar ein Bauleiter. Die Frage sei nur, wo man ihn finde. „Eine Telefonnummer von ihm haben wir nicht“, sagt Heinz Hummler. „Wir haben keinen direkten Zugang zu einem verantwortlichen Ansprechpartner.“ Für Notfälle gebe es lediglich eine Sammelnummer. Die Hilfe, die einem dort – besonders bei Problemen in der Nacht oder an Wochenenden – geboten werde, sei mangelhaft. „Und auf unsere Briefe reagiert die SWSG erst gar nicht oder nur auf Nachdruck“, sagt Walter Farkas verärgert.

Eine Mieterversammlung ist erwünscht

Einen Mieterbeirat für die drei Wohnblöcke gebe es leider nicht mehr. Damals habe sich kein Mieter zur Verfügung gestellt, sagt Heidi Hummler. „Es wäre schön, wenn die SWSG eine Mieterversammlung einberufen würde, um die Probleme anzuhören“, sagt ihr Mann Heinz. „Ich vermute, die SWSG hat Bammel vor der Kritik“, sagt Heinz Hummler. Es gebe zum Beispiel noch keine klare Aussage zur Höhe der Mietminderungen, beklagt Walter Farkas: „Teilweise wurde und wird sie von der SWSG gewährt, über die Höhe darf man geteilter Meinung sein.“

Bei allem Ärger fragt man sich, warum die Mieter das Angebot der SWSG nicht angenommen haben, eine andere Wohnung zu suchen und wegzuziehen. Für Hummlers und Walter Farkas kommt ein Wegzug nicht in Frage. „Wir wohnen seit mehr als 40 Jahren hier und haben unsere Wohnungen über die Jahre für viel Geld renoviert“, sagt Heinz Hummler. „Ich habe 2013 allein in meinen Flur mehrere Tausend Euro gesteckt, ein Umzug würde wieder viel Geld kosten“, sagt Walter Farkas.

Die Idee der Entmietung wurde verworfen

Der SWSG-Sprecher Peter Schwab sieht die Beschwerdeführer in der Minderheit und nimmt zu den Vorwürfen Stellung: Das Projekt an der Walter-Sigel-Straße „ist eine anspruchsvolle Baumaßnahme, die von den Mietern viel Geduld und Verständnis erfordert“, sagt er. „Wir sind froh, dass fast alle Mieter dieses Verständnis aufbringen.“ Die Alternative zu der bewohnten Modernisierung wäre eine „Entmietung und Modernisierung im leeren Zustand“ gewesen. „Diesen Gedanken hat die SWSG nach Abwägung aller Aspekte verworfen.“ Dazu gehöre auch, dass Mieter in ihrem Quartier verwurzelt seien und ein Umzug ebenfalls belaste.

Lärm und Staub ließen sich bei einer Modernisierung wie in der Walter-Sigel-Straße nicht verhindern. Die SWSG informiere ihre Mieter aber regelmäßig über die anstehenden Bauarbeiten, indem sie ihnen die Terminpläne aushändige, sodass sich die Mieter auf die Arbeiten einstellen könnten. Gelegentlich ändere sich kurzfristig der Ablauf der Arbeiten. Von den 66 Parteien beschwerten sich kaum andere als die genannten Vier. „Die meisten Bewohner zeigten Verständnis“, so Schwab.

Mietminderungen zwischen 20 bis 80 Prozent

Die Höhe der Mietminderung orientiere sich an der tatsächlichen Dauer und dem Umfang der Einschränkungen. „Sie liegt während der ganzen Bauzeit bei mindestens 20 Prozent und reicht bei besonderen Einschränkungen bis zu 80 Prozent“, sagt Schwab. Dabei gehe die SWSG nicht nach den ausgehändigten Zeitplänen vor, sondern nehme die „tatsächlich ausgeführten Baumaßnahmen und die damit einhergehenden Einschränkungen als Grundlage“. Sichtbar und damit transparent wäre sie bei der nächsten, spätestens übernächsten Monatsabrechnung.

Während der Bad-Modernisierung habe die SWSG zwei mobile Bad-Elemente aufgestellt. Maximal zwei Parteien hätten sich ein Element geteilt. Dass die SWSG die Elemente aufgestellt habe, sei eine „wichtige Service-Maßnahme“, dazu verpflichtet sei sie nicht. „Das fehlende Bad ist durch die Mietminderung abgegolten, nicht durch das Aufstellen der Bad-Elemente.“

Das Aufstellen von Bad-Container war kein Muss

Pro Hauseingang hätten sich die Mietparteien selbst darauf verständigt, mit wem sie ein Bad-Element teilen wollten. „Dass es aber zu einer intensiven Nutzung durch neun Personen kam, ist der SWSG nicht bekannt. Auch davon, dass in einem Fall regelmäßig kein warmes Wasser vorhanden war. Es wäre doch „ein Leichtes gewesen, bei einem der montäglichen Sprechstunden auf der Baustelle oder bei den häufigen Anwesenheitszeiten unseres Objektbetreuers das kalte Wasser zu monieren“, sagt der Sprecher. „Schade, dass die SWSG keine Chance hatte, den Mangel zu beheben.“ Für die einzelnen Bäder habe die SWSG in der Regel drei Wochen gebraucht, während der Feiertagsphase im Mai habe sich diese Frist um ein paar Tage verlängert. „Selbst wenn eine Kachel zerkratzt war, noch nicht alle Kanten mit Silikon verfugt und vor allem die Sonderwünsche dieser Mieter noch nicht erfüllt waren: Das Bad war benutzbar.“

Ein Hinweis an die SWSG hätte genügt

Vom Vorwurf, dass durch das Leeren der Luftentfeuchter eine Urlaubsreise vereitelt worden sei, „hören wir zum ersten Mal“. „Ein Hinweis hätte genügt, um die Bedienung der Geräte durch Handwerker zu organisieren.“ Dagegen sei der SWSG bekannt gewesen, dass in einer anderen Wohnung mit Wasserschaden ein Mieter lungenkrank ist und trockene Luft nicht verträgt. Die zuständige Mitarbeiterin habe den Rat gegeben, nur nachts und nicht tagsüber die Geräte in Betrieb zu nehmen. „So hätte der Mieter sich in allen Zimmern seiner Wohnung aufhalten können, nicht nur in seinem Schlafzimmer.“

Einzelgespräche statt Mieterversammlung

Nicht nachvollziehbar sei für die SWSG der Vorwurf, die Mietersprechstunde sei des Öfteren unbesetzt gewesen. „Tatsächlich hatte die zuständige Mitarbeiterin bislang einmal wegen Urlaubs drei aufeinander folgende Termine anders organisiert.“ Sie habe alle Mietparteien darüber informiert, dass während ihres Urlaubs eine Kollegin telefonisch für die Wünsche und Fragen der Mieter zur Verfügung stand. Entgegen der Kritik sei die Erreichbarkeit der SWSG also jederzeit gegeben gewesen. „Selbstverständlich reagiert die SWSG auch auf schriftliche Eingaben und gibt umfassende Antworten auf alle neuen Aspekte, die Mieter vortragen.“ Regelmäßig würden in angesprochenen Schreiben von Mietern Punkte wiederholt, teilweise formelhaft – etwa, weil eine erste Antwort der SWSG nicht im Sinne des Absenders ausgefallen sei. „Die SWSG belässt es aus Kapazitätsgründen bei einer ersten Antwort auf den jeweiligen Sachverhalt, sofern keine neuen Aspekte zu einer veränderten Einschätzung führen.“ Auch müsse es dem Unternehmen erlaubt sein, auf acht Briefe, die der SWSG binnen zehn Tagen zugeschickt wurden, „zur Vereinfachung zunächst telefonisch zu antworten“. Für eine Mieterversammlung sehe die SWSG keinen Anlass, „und zwar keineswegs, weil sie die Kritik scheut, sagt Schwab. Die vorgebrachten Punkte seien „spezielle Angelegenheiten, die keineswegs alle Mieter betreffen und deshalb in Einzelgesprächen geklärt werden“. Eine ausführliche schriftliche Zwischeninformation stehe an, von mangelnder Transparenz könne keine Rede sein.

Was die Arbeiten angeht, so liege man bei zwei von drei Gebäuderiegeln im Zeitplan. Am Laubengang-Gebäude gebe es eine vierwöchige Verzögerung. Sofern aber das Wetter mitspielt, geht man bei der SWSG davon aus, die Zeit wieder aufholen zu können, sodass alle Gebäude plangemäß im kommenden Frühsommer fertig sind.