Die besten heutigen Li-NCM-Zellen erreichen eine Energiedichte von fast 700 Wattstunden pro Liter Volumen. Damit könnte man eine 100-Watt-Birne sieben Stunden lang betreiben. Foto: dpa

Die Batterietechnik schreitet schneller voran als erwartet. Ein wichtiger Treiber der Entwicklung sind neben der Elektromobilität Stromspeicher in Privathaushalten und Unternehmen.

Stuttgart - Der schwarze Kasten erinnert ein bisschen an die Hifi-Türme der 70er- und 80er-Jahre. Die quaderförmigen Einschübe, die sich hinter der Tür verbergen, sind nur wenig größer als Verstärker, Kasettendecks oder Tuner aus dieser Zeit. Die B-Box LV macht aber genausowenig Musik wie ihr Schwestermodell B-Box HV, das eher aufeinander gestapelten weißen Werkzeugkisten ähnelt. Die schwarzen und weißen Kästen sind stationäre Stromspeicher des chinesischen Batterieherstellers BYD. Das Kürzel steht für Build Your Dreams (Bau’ Deine Träume). Ganz konkret träumen die Chinesen davon, sich mit ihren Boxen eine dicke Scheibe vom wachsenden deutschen Markt für heimische Akkus abschneiden zu können. Kürzlich hatte BYD deshalb zur „B-Box-Launch Night“ in die Straßenbahnwelt Stuttgart geladen.

Mit Stromspeichern im Haus können Besitzer von Fotovoltaikanlagen Solarstrom zur späteren Nutzung bunkern und so den Eigenverbrauch deutlich steigern – was zugleich die Netze entlastet. Allerdings kosten die Speicher mehrere Tausend Euro. Durch sinkende Einspeisevergütungen und steigende Haushaltsstrompreise werden sie aber immer attraktiver.

Die Herstellung herkömmlicher Stromspreicher bringt Probleme

Während etliche Anbieter von stationären Speichern – wie fast alle Hersteller von Elektroautos – auf sogenannte Lithium-NCM-Zellen setzen, nutzt BYD eine andere Variante der Lithium-Ionen-Technik: Lithium-Eisenphosphat-Zellen, bei denen die positive Elektrode aus Lithium und Eisenphosphat besteht. Bei den dominierenden Lithium-NCM-Zellen werden dagegen Mischoxide von Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan eingesetzt.

Speziell die Verwendung von Kobalt sei jedoch nicht unproblematisch, sagt Werner Tillmetz, Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm. „Kobalt ist weltweit knapp. Die Preise haben sich in den letzten zwölf Monaten mehr als verdoppelt.“ Wichtigster Treiber sei die kräftig steigende Produktion von Elektroautos, die 2016 weltweit bei 800 000 Fahrzeugen gelegen habe und rasant weiter wächst. Neben dem Mengenproblem stellten sich bei Kobalt auch ethische Fragen, so Tillmetz. Denn zu den wichtigsten Förderländern gehört der Kongo – ein Land, in dem ökologische und soziale Belange keine große Rolle spielen.

Li-Eisensposphat-Akkus sind von Natur aus robuster

Nicht nur in punkto Rohstoffe, sondern auch technologisch hat die Eisenphosphat-Variante Vorteile – etwa in punkto Sicherheit. „Li-NCM-Akkus reagieren empfindlich auf Überladen oder Überhitzen“, sagt Tillmetz. Schlimmstenfalls könne eine chemische Reaktion in Gang kommen, bei der das Material Sauerstoff abgibt. Dadurch lassen sich Zellen, einmal in Brand geraten, schlecht löschen. Wenn die Akkus richtig betrieben würden – wofür die Software in Fahrzeugen oder Geräten sorgt – seien sie aber sicher. Li-Eisensposphat-Akkus sind von Natur aus robuster und stecken tiefe wie hohe Temperaturen oder Überladen besser weg. Auch ihre mechanische Belastbarkeit ist höher.

Vorteile für die Eisenphosphat-Variante sieht Tillmetz auch beim schnellen Laden und beim Abruf hoher Leistungen in kurzer Zeit. Dem steht eine niedrigere Energiedichte gegenüber, wie auch die nach Stuttgart gereisten BYD-Führungskräfte einräumten. Tillmetz beziffert den Nachteil auf rund 20 Prozent: Pro Kilo Batteriegewicht kann also ein Fünftel weniger Energie gespeichert werden als bei Li-NCM-Akkus. Letztere seien daher für den Einsatz in Elektroautos besser geeignet, um praxistaugliche Reichweiten zu erreichen, ohne dass die Batterie zu schwer wird oder zu viel Platz beansprucht.

Die Chinesen produzieren Li-Eisensposphat-Akkus fast nur für ihren Markt

BYD sieht indes in der etwas geringeren Energiedichte kein Problem und setzt auch bei seinen Elektroautos und -bussen auf Eisenphosphat. Im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens mit Daimler produzieren die Chinesen bislang aber fast ausschließlich für ihren heimischen Markt. Die besten heutigen Li-NCM-Zellen erreichen eine Energiedichte von fast 700 Wattstunden pro Liter Volumen. Damit könnte man eine 100-Watt-Birne sieben Stunden lang betreiben. Tillmetz hält in den nächsten Jahren weitere Verbesserungen für möglich. „Wenn wir 900 Wattstunden erreichen, sind bei E-Autos Reichweiten von 400 bis 500 Kilometer möglich“, sagt der ZSW-Experte.

Das wäre immer noch weit entfernt von den Energiedichten fossiler Treibstoffe. Ein Liter Diesel enthält fast 10 000 Wattstunden – also mehr als das Zehnfache des Wertes, den Tillmetz mit Li-NCM-Akkus für erreichbar hält. Berücksichtigt man jedoch den Wirkungsgrad, schrumpft der Vorsprung des Verbrennungsmotors merklich. Ein Diesel setze nämlich nur 25 Prozent der im Kraftstoff enthaltenen Energie in Vortrieb um. Beim E-Auto liege der Wirkungsgrad bei 80 bis 90 Prozent. Hinzu komme die Möglichkeit, beim Bremsen Energie zurückzugewinnen und in der Batterie zu speichern.

Trotz Vorteile der Lis-Eisenphosphatzellen sind Lithium-Ionen-Akkus weiterhin erste Wahl

Beim stationären Einsatz spielt die Energiedichte keine große Rolle – im Keller lässt sich auch eine größere und schwerere Batterie unterbringen. Entscheidend ist hier vor allem eine hohe Zahl von Ladungen und Entladungen ohne nennenswerten Leistungsverlust. „Bei einem Elektroauto reichen 1000 Ladezyklen“, sagt Tillmetz. Bei einer Reichweite von 400 Kilometern pro Vollladung könnte man theoretisch eine Fahrleistung von 400 000 Kilometern erreichen – mehr als die meisten Benziner schaffen. Für einen sinnvollen Einsatz als Solarspeicher oder Großspeicher zur Netzstabilisierung sollten die Akkus dagegen mindestens 10 000 Ladezyklen überstehen. Sonnenbatterie und BYD sehen auch hier die Li-Eisenphosphat-Zellen in Vorteil.

Trotz unterschiedlicher Anforderungen auf der Straße und im Haus hält es Tillmetz für sinnvoll, zunächst die gleichen Li-NCM-Zellen in Autos und stationären Batterien einzusetzen. Die so erreichbaren höheren Stückzahlen ließen die Kosten für Heimspeicher schneller sinken. Aktuell liegen die Preise bei knapp 1000 Euro pro Kilowattstunde. Experten halten eine weitere Halbierung für möglich.

Praxistaugliche Alternativen zu Lithium-Ionen-Akkus sieht Tillmetz zumindest in den nächsten zehn Jahren nicht. Das Argument deutscher Autobauer, man wolle erst den nächsten Technologiesprung abwarten, bevor man eine eigene Batteriezellfertigung aufbaut, kann der Experte deshalb nicht nachvollziehen. „Wenn wir jetzt nicht einsteigen, dann gar nicht mehr“, sagt Tillmetz. In letzterem Fall würden weiterhin nur asiatische Hersteller Lithium-Ionenzellen liefern – und das, obwohl die Technologie in den 70er-Jahren in Deutschland erfunden worden sei.