OB Wolfgang Schuster und Schlichter Heiner Geissler Foto: dpa

Stuttgarts OB legt Geißlers Kompromissvorschlag zu Stuttgart 21 endgültig zu den Akten.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt legt den Kompromissvorschlag von Heiner Geißler und dem Schweizer Gutachter Werner Stohler zum Bahnprojekt Stuttgart 21 endgültig zu den Akten - und greift den Stuttgart-21-Schlichter scharf an.

Geißler hatte in Absprache mit Stohler am 29. Juli für eine Variante geworben, die in früheren Planungsphasen zur Entwicklung des Bahnverkehrs in Stuttgart betrachtet worden war: Statt acht soll es nur vier Durchgangsgleise überwiegend für den Fernverkehr unter dem bestehenden Kopfbahnhof geben. Dieser bliebe mit allerdings nur noch sechs statt 16 Gleisen erhalten. Das Gleisfeld würde zusammengerückt, also in der Breite schrumpfen. Der Abstellbahnhof in der Stadt bliebe aber, neue Bauflächen wären damit nur in sehr geringem Umfang möglich.

Schuster zweifelt an fachlicher Qualität

Das von den Grünen geführte Verkehrsministerium hatte Stadt, Bahn und Region um eine Prüfung der Variante, die von Geißler mit "Frieden in Stuttgart" überschrieben wurde, gebeten. Die Stadt hatte im August ihre Bedenken auf 13 Seiten zusammengefasst. Schuster hatte damals Stohler einen Vortrag im Gemeinderat angeboten. Der dürfte sich nun erledigt haben, denn nach Frieden sieht es nicht mehr aus.

Schuster griff am Donnerstag in seiner abschließenden Ablehnung den zuvor hochgelobten Geißler und Stohler an. Der OB erinnert an die geprüften Planungsvarianten zum längst genehmigten Tiefbahnhof. Letzterer habe in allen Parlamenten über 75 Prozent Zustimmung erhalten. Schuster: "Das kann nicht einfach durch eine Basta-Entscheidung von Heiner Geißler und Werner Stohler außer Kraft gesetzt werden." Beide hatten in der letzten Schlichtungssitzung Befürworter wie Gegner von Stuttgart 21 mit dem Kombi-Modell überrascht.

Schuster zweifelt auch die fachliche Qualität der "nach 25-stündiger Prüfung" entwickelten Lösung an. Die Behauptungen und Feststellungen im Kombi-Konzept seien "in keinem Punkt nachgewiesen". Man erwarte, dass das Land nun Stuttgart 21 baue.

Grüne bedauern Schusters Entscheidung

Die Landesregierung reagierte prompt. Sie nennt Schusters Stellungnahme "inakzeptabel". Staatsministerin Silke Krebs und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) finden es "sehr befremdlich", dass die Kompetenz von Stohlers Beratungsfirma nun bezweifelt und der Vorschlag "nicht profund geprüft" werde. Krebs und Hermann werfen Schuster eine Basta-Politik vor: Offensichtlich sei die Auffassung weiterhin stark verbreitet, "mit einem Federstrich Dinge einfach aus der öffentlichen Diskussion verbannen zu können".

Der Kombi-Vorschlag sei finanziell und unter Verkehrsgesichtspunkten günstiger als Stuttgart 21. Dessen finanzielle Obergrenze liegt bei 4,5 Milliarden Euro. Die Bahn nennt bisher rund 4,1 Milliarden Baukosten, der Rest dient als Risikopuffer. Die Kombi-Lösung mit der Sanierung des alten Bahnhofs wird von ihr als teurer angesehen.

Auch die Grünen-Fraktion im Landtag bedauert Schusters Entscheidung. Geißlers Vorschlag könne die Spaltung in der Öffentlichkeit überwinden und sei ein "Beitrag zur Konfliktlösung". Den Konflikt angeheizt hatte am Montag dieser Woche Verkehrsminister Hermann mit seiner Weigerung, der Bahn die 2011 fällige Rate von 50 Millionen Euro für Stuttgart 21 auszuzahlen. Am Mittwoch ruderte er wie berichtet zurück. Der Minister sei weiter auf Abwegen, kommentierte die FDP-Fraktion im Landtag am Donnerstag, und leiste sich Alleingänge. Hermanns Vorgehen war allerdings durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann gedeckt.