Spielmacher und Star der Mannschaft: Dennis Schröder gibt im deutschen Team den Takt vor. Foto: dpa

Dennis Schröder ist der polarisierende Stardirigent des deutschen Teams, das an diesem Donnerstag (14.45 Uhr) zum Auftakt der Basketball-Europameisterschaft in Tel Aviv auf die Ukraine trifft. Er will eine neue Ära prägen, droht aber zugleich mit Abschied.

Stuttgart - Diesen Sommer hat es Dennis Schröder mal wieder nach Gambia geschafft. Nach acht langen Jahren, in denen der deutsche Basketballstar von den Atlanta Hawks aus der US-Profiliga NBA alles seiner Karriere untergeordnet hatte. Seine Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen mütterlicherseits sind in der westafrikanischen Republik zu Hause, sie besuchte er dort, so wie er das als Kind einst jeden Dezember tat. Und in der südafrikanischen Millionenstadt Johannesburg spielte er Anfang August dann auch noch bei der zweiten Auflage des „NBA Africa Game“, eines Benefizspiels zu Gunsten des ärmsten Kontinents. „Ich will ein Vorbild für alle sein“, sagt der Braunschweiger.

23 ist Dennis Schröder jetzt, Mitte September wird er 24. Seine eigenen Vorbilder waren einst Spieler wie Chris Paul oder Rajon Rondo, zu ihnen hat er aufgeschaut, jetzt tritt er ihnen auf Augenhöhe gegenüber. Der flinke Spielmacher mit der auffälligen blonden Strähne am linken Scheitel hat sich in der NBA in den vier Jahren seit seinem Wechsel aus Norddeutschland in die Südstaaten der USA in der weltbesten Liga etabliert, weshalb er sich jetzt fortan auch verstärkt als Sportbotschafter in Afrika oder anderswo zu engagieren gedenkt.

Multimillionär mit Hang zur Großspurigkeit und Faible für Luxusobjekte in Gold

Er ist auf seinem Weg schon weit gekommen – und doch auch noch immer noch auf der Suche nach sich selbst, nach seiner Rolle. Vorbild will er sein, Führungsfigur. Doch er ist und bleibt eben auch eine Reizfigur. Der Multimillionär mit einem Hang zur Großspurigkeit und einem Faible für Luxusobjekte in Gold (angefangen von Schmuck und anderen Accessoires bis hin zu seinen Nobelsportwagen) hält mit seinem Reichtum nicht hinter dem Berg, im Gegenteil: Er ist stolz, es jenen Lehrern gezeigt zu haben, die ihm nach der Schule Arbeitslosigkeit prophezeit hatten, und zeigt gerne, was er hat – was er sich erarbeitet hat. So wie ein Rapstar.

Er spielt groß, denkt groß, lebt groß.

Der schmale Grat zwischen Starsolist und Egoist

In den USA ist so ein Auftreten auch bei Sportstars nicht unüblich, in Deutschland kommen die Extravaganzen dagegen nicht so gut an. Dennis Schröder, dessen neuer Vierjahresvertrag mit den Atlanta Hawks ihm 70 Millionen Dollar (knapp 60 Millionen Euro) einbringen wird, hat hier angesichts seines extrovertierten Umgangs mit Finanzen ein Protzimage. Hinzu kommt, dass er im Nationalteam als mit Abstand bester Spieler auf dem schmalen Grat zwischen Starsolist und Egoist wandelt. „Alle spielen zehn, zwanzig Prozent besser, wenn er auf dem Spielfeld ist“, sagt der scheidende Bundestrainer Chris Fleming voll des Lobes.

Doch ganz ausgereift ist Dennis Schröder noch nicht, er hat noch nicht die Ruhe weg. Beim Supercup in Hamburg pöbelte ein Zuschauer ihn kürzlich unablässig an. Er keifte zurück und wandte sich ihm nach einem versenkten Wurf mit einem Finger auf den Lippen zu. „Das ist halt Deutschland“, sagt der 23-Jährige dazu. Er polarisiert und wird vielleicht auch schneller oder schärfer kritisiert als demütigere Typen. Das missfällt ihm, weshalb er mehr Respekt einfordert, von der deutschen Öffentlichkeit und von den deutschen Medien. Und volle Rückendeckung vom Deutschen Basketball-Bund (DBB), dem er in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ andernfalls unlängst mit seinem Abschied aus dem Nationalteam drohte: „Wenn eine Zeitung negativ über einen Spieler berichtet, dann muss der Verband hinter ihm stehen. Wenn das nicht so ist, bin ich eben in Zukunft raus.“

Die Post-Dirk-Nowitzki-Ära soll die Dennis-Schröder-Ära werden

Darin schwingen die Nachwehen der scharfen Kritik mit, die sich nach dem Aus bei der Heim-EM 2015 in Berlin über ihn ergossen hat. Bei der anstehenden Europameisterschaft, bei der das deutsche Team zum Auftakt an diesem Donnerstag (14.45 Uhr) in Tel Aviv auf die Ukraine trifft, will er es allen Zweiflern zeigen. Er will eine neue Ära mit der Nationalmannschaft einläuten. Die Post-Dirk-Nowitzki-Ära – die Dennis-Schröder-Ära. „Es ist immer eine Ehre, den Adler auf der Brust zu tragen. Ich versuche einfach, das Team zum Sieg zu bringen“, sagt er vor dem ersten großen Turnier nach dem Rücktritt von Dirk Nowitzki.

Nun steht und fällt der Erfolg alleine mit ihm. Er ist die zentrale Figur, der spektakulär spielende Stardirigent des DBB-Ensembles, der sich in seinen vier NBA-Jahren stetig verbessert hat: Die vergangene Saison war seine erste als gesetzter Mann in der Startformation, und er zahlte das Vertrauen mit 17,9 Punkten und 6,3 Vorlagen im Durchschnitt zurück – nur Disziplinlosigkeiten trübten die bemerkenswerte Bilanz. Aber so ist er halt.