Barcelona-Star Oscar da Silva wechselte einst von Ludwigsburg nach Berlin. Foto: IMAGO/Urbanandsport

Der Abschied von Oscar da Silva bei den MHP Riesen hatte einen faden Beigeschmack, zuletzt verließ der 24-Jährige auch Alba Berlin für den nächsten Karriereschritt. Wir haben Oscar da Silva in Barcelona besucht, in seinem Lieblingskaffee.

Der Plaza Concordia zählt nicht gerade zu den Touristenattraktionen in Barcelona. Er ist dafür ein Geheimtipp von Oscar da Silva. Den hat es beruflich nach Katalonien verschlagen. Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Als Basketballprofi. In dieser Hinsicht hat der 24-Jährige eine erstaunliche Karriere hingelegt innerhalb von exakt einem Jahr. Vom Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg zu einem der führenden Clubs in Europa, dem FC Barcelona, Intermezzo in Berlin inklusive.

Bei Alba hatte er eigentlich einen Dreijahresvertrag bis 2024. Allerdings mit Ausstiegsklausel, wie es in dieser Branche so üblich ist. Als das Angebot seiner serbischen Spieleragentur von Barça auf den Tisch flatterte, hatte Oscar da Silva erst mal ein paar schlaflose Nächte. Warum das? „Eigentlich habe ich mich in Berlin sehr wohlgefühlt“, sagt er im Gespräch an einem sonnigen Samstagmorgen beim Frühstück in Barcelona. „Aber so ein Angebot kann man kaum ausschlagen.“ Schließlich ist er ehrgeizig genug, um in seinem Sport voranzukommen. „Er hat in der letzten Spielzeit sein Können eindrucksvoll zur Schau gestellt und ist als Sportler und Mensch gewachsen. Er ist ein toller Typ mit einer großen Zukunft“, zeigte Albas spanischer Sportdirektor Himar Ojeda nicht nur wegen der landsmannschaftlichen Verbundenheit Verständnis für den Wechsel. Dort lockt die dominierende Liga Europas, und das Klima allein ist schon verführerisch.

Vier Jahre an der Stanford Uni

Das spürt der Deutsche regelmäßig, seit er jetzt etwa drei Monate hier lebt. Die Besucher geben sich die Klinke in die Hand. Das Gästezimmer in der nahen Drei-Raum-Wohnung (mit Balkon, der war wichtig) ist jedenfalls gefragt. Nicht nur bei den Eltern aus München, auch bei Freunden und Bekannten, sogar aus den USA, wo er an der renommierten Stanford Uni vier Jahre studiert hat, Biowissenschaft. Diese Ausbildung muss warten. Vorrang hat Basketball im Allgemeinen und Barcelona im Besonderen.

Der Club ist mit einem Budget von 40 Millionen Euro eine der Topadressen in Europa. Wobei das Geld hauptsächlich durch die Fußballer refinanziert wird. Die Fans verwandeln den Palau Blaugrana schon mal in einen Hexenkessel, auch wenn die Halle aus dem Jahr 1971 im Vergleich zur modernen Mercedes-Benz-Arena in Berlin nicht gerade ein „Upgrade“ ist, wie es der Basketballer diplomatisch formuliert. Allerdings soll im Zuge des Umbaus vom Camp Nou nebenan bis 2025 auch eine neue Indoor-Arena mit 15 000 Plätzen entstehen. Immerhin fliegt die Mannschaft hier im Charter, das ist schon ein Vorteil gegenüber Alba, wo das Team mit Linienflügen kreuz und quer durch die Euroleague tingelte.

Barcelona will die Euro-League gewinnen

Das ist die privat organisierte Königsklasse im Basketball. Mehr geht nicht in Europa. Und Barcelona will „selbstredend jeden möglichen Titel“, sagt da Silva. Dafür sorgen soll Trainer Sarunas Jasikevičius. „Der nimmt kein Blatt vor den Mund“, sagt der Deutsche über den impulsiven Litauer. Jasikevičius legt viel Wert auf die Abwehr, da kommen die paar Monate bei den MHP Riesen unter Defensivfanatiker John Patrick ganz gelegen. „In Ludwigsburg habe ich einiges mitgenommen“, sagt da Silva. Sogar sein Fahrrad. Mit dem er nun auch mal zum Training fährt, um dem Verkehr aus dem Weg zu gehen. „Offensiv haben wir viele Waffen, da bin ich nicht die erste Option“, schätzt der Center seine Situation realistisch ein. Obwohl? Beim Ligaspiel gegen Aufsteiger Girona führte er kürzlich die Scorer-Statistik an. „Aber erst einmal ist es wichtig, Spielanteile zu bekommen“, betont der Deutsche, dessen Vater aus Brasilien stammt. Denn die Konkurrenz ist groß.

Der Mann mit dem 1,8er-Abitur ist kein Träumer, sondern ein aufgeweckter Bursche, der fünf Sprachen spricht. „Auch wenn mein Spanisch etwas eingerostet war.“ Das gibt sich schnell wieder, die Wohnung jedenfalls hat er selbst angemietet. Und in der Stadt kann er weitestgehend unerkannt flanieren. „Ich muss noch etwas dafür tun, um auf der Straße erkannt zu werden.“ Ein spannendes Projekt über drei Jahre (laut Vertrag), das gerade erst begonnen hat.

Rückkehr nach Berlin, für ein Spiel

Auch wenn die NBA sein eigentliche Ziel war: Rein basketballerisch wird die Euroleague von manchen teils höher eingestuft. Am Donnerstag gastiert Barça in Berlin. Dort erwartet er einen freundlichen Empfang: „Es ist ja alles im Guten abgelaufen.“ Anders als davor in Ludwigsburg, wo der Abgang 2021 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor dem ersten Saisonspiel erfolgte. Was ihm Fans und Funktionäre übel nahmen. Vorbei und vergessen. Der Blick geht nach vorne.

Wohin? Die Bindungen im Basketball sind kompliziert. Wer wüsste das besser als Oscar da Silva? Ludwigsburg, Berlin, Barcelona. In einem Jahr gab es zwei Trennungen. Wie manchmal im Leben. Auch wenn zum Abschied des Gesprächs die Hochzeitsglocken am Plaza Concordia läuten.

Die MHP Riesen als Sprungbrett

Kelan Martin
Der heute 27-Jährige spielte 2018/19 in Ludwigsburg. Von dort landete er in der NBA bei den Minnesota Timberwolves und Indiana Pacers. Aktuell spielt er in der G-League.

Johannes Thiemann
Der 28-jährige Center wurde 2016 in Ludwigsburg zum Nationalspieler und wechselte nach zwei Jahren bei den Riesen zu Alba Berlin. Beim deutschen Meister und Euroleague-Teilnehmer ist er seitdem einer der Leistungsträger.

Jaleen Smith
Ebenfalls in Berlin spielt seit 2021 Jaleen Smith, der bei den MHP Riesen zuvor zum MVP der Liga gewählt wurde. Der 28-jährige Spielmacher aus den USA ist inzwischen auch für Kroatien spielberechtigt.

Nick Weiler-Babb
Der Shooting Guard kam spielte 2019/20 in Ludwigsburg und wechselte dann zum Euroleague-Club Bayern München. Seit August dieses Jahres ist der gebürtige US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln auch Nationalspieler.

Jonah Radebaugh
Der 25-jährige Spielmacher kam Ende 2020 aus Schweden zu den Riesen, für die er bis zum Sommer spielte. Er unterschrieb bei Teneriffa, zog dann aber eine Ausstiegsklausel und wechselte zum Euroleague-Teilnehmer Valencia. Außerdem ist er für Montenegro spielberechtigt.