Kyrie Irving (rechts) verweigert die Coronaimpfung – nun wurde er vom Team ausgeschlossen. Foto: imago//rian Rothmuller

Die Basketballprofis der NBA geben sich gerne als Vorreiter einer gerechteren Gesellschaft und scheuen auch keine öffentlichen Diskussionen. Beim Thema Coronaimpfung aber ist alles anders. Warum?

Stuttgart/New York - James Harden sitzt vor den Pressevertretern und ist sichtlich genervt. Eigentlich soll es um die neue NBA-Saison gehen, seinen großen Traum vom ersten Titel – gefragt wird er nur nach einem Mitspieler, der gar nicht da ist. Ob er Kyrie Irving gesprochen habe? „Nein“, sagt der MVP (wertvollste Spieler der Liga) von 2018. Ob er etwas zu Teamkollege Irving und dessen Weigerung, sich impfen zu lassen, sagen will? „Nein“, raunzt Harden, steht auf und geht. Die Stimmung bei den ursprünglich als Favoriten in die NBA-Saison gehenden Brooklyn Nets ist nur wenige Tage vor dem Saisonstart am Tiefpunkt. Der Grund? Kyrie Irving, siebenfacher All-Star, NBA-Champion von 2016 und Olympiasieger von Rio, ist vorerst von allen Teamaktivitäten ausgeschlossen.

Kein Training, kein Spiel, kein Zugang zum Barclays Center

Kein Training, kein Spiel, kein Zugang zum Barclays Center, wo die Brooklyn Nets seit 2012 ihre Heimspiele austragen. Irving, einer der besten Spielmacher der Liga, weigert sich, sich impfen zu lassen. Der Bundesstaat New York schreibt aber vor, dass Hallensportler geimpft sein müssen. Ein Ausweg? Nicht in Sicht.

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Das Impfthema, es schwelt in der NBA seit Wochen. Die Impfquote liege bei 95 Prozent, betonen Liga und Spielergewerkschaft. Eine Impfpflicht für Spieler besteht nicht, lediglich die Verordnungen einzelner Bundesstaaten wie New York oder Kalifornien besagen, dass ausschließlich geimpfte Spieler in geschlossenen Räumen Sport treiben dürfen. Zudem einigten sich die mächtige Spielergewerkschaft der NBA und der Ligaverband darauf, Gehälter auszusetzen, sollten ungeimpfte Spieler wegen einer angeordneten Quarantäne oder den lokalen Bestimmungen ein Spiel verpassen.

Ganz oder gar nicht – so das Motto der Nets

Im Falle von Irving bedeutet das, dass der 29-Jährige theoretisch bei allen Auswärtsspielen der Nets hätte mitwirken können. Nur, das wollen offenbar weder das Nets-Management noch seine Mitspieler. Ganz, oder gar nicht – so die klare Kante des Clubs gegenüber einem seiner drei Superstars. „Die Menschen müssen verstehen: Wenn ich mich impfen lasse, schütze ich nicht nur mich, sondern alle Menschen um mich herum“, sagt Teambesitzer Joe Tsai und betont: „Das gehört zu meiner sozialen Verantwortung.“ Was der Milliardär nicht sagt: Er erwartet das von seinen Spielern, die wie Irving Millionengehälter beziehen. Der Spielmacher erhält nun „nur“ noch die Hälfte seines 30-Millionen-Euro-Gehalts, schließlich dürfte er außerhalb von New York fast überall mitspielen. Für die Zeit in New York greift hingegen die neue Vereinbarung zwischen Spielergewerkschaft und Liga.

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Dabei ist die Gewerkschaft in der Zwickmühle. Soziale Verantwortung, soziale Gerechtigkeit, Schutz der Schwachen in den Communities – seit Jahren kämpfen die Superstars der NBA darum, in sozialen Fragen Gehör zu finden, als Vorbilder zu dienen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Beim Thema Coronaimpfung oder einer etwaigen Impfpflicht für die Profis geben sich LeBron James, Stephen Curry und Co. aber schmallippig: Sich impfen zu lassen sei eine „persönliche Entscheidung“, sagt James. Von der sozialen Verantwortung in einer Pandemie, die allein in den USA geschätzte 700 000 Menschenleben gekostet hat, spricht keiner.

Irving betont: „Impfen ist Privatsache“

Und Irving? Der postete in der Nacht auf Donnerstag ein Video, in dem er betont, dass sein Impfstatus „Privatsache“ sei. „Es geht nicht um eine politische Sache, nicht um die NBA, nicht um irgendeine Organisation“, sagt Irving mit tief ins Gesicht gezogener Baseball-Cap: „Es geht um mein Leben und um das, was ich beschließe.“ Die Botschaft des Superstars: Nein, impfen lassen wird er sich in absehbarer Zeit wohl nicht. Und nein, ein Rücktritt sei auch keine Option. „Ich werde in Form bleiben“, so Irving, er werde „bereit sein, mit meinen Teamkollegen zu rocken und Teil dieser ganzen Sache zu sein.“

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Welche „Sache“ er meint, bleibt offen. Brooklyns General Manager Sean Marks bekräftigt zwar Irvings Recht auf seine Entscheidung, sagt aber auch: „Derzeit schränkt die seine Fähigkeit ein, ein volles Mitglied des Teams zu sein.“ Die Reaktionen der US-Öffentlichkeit sind gemischt. Während liberale Medien den Spielmacher kritisieren, bekommt er nun aus jener rechten Ecke Zuspruch, die normalerweise jedem Sportler zuruft „Halt’s Maul und spiel Basketball!“.

NBA-Legende fordert Ausschluss von Impfverweigerern

Basketball-Legende Kareem Abdul-Jabbar fordert, dass ungeimpfte Profis aus dem Team „entfernt“ werden sollten. Michael Jordan drückt sich da etwas diplomatischer aus und preist das Gesundheitsprotokoll der Liga. „Ich denke, jeder hat über Impfungen gesprochen. Ich glaube fest an die Wissenschaft und werde mich daran halten.“

Irving dagegen sagt: „Ich werde von Gott und meinen Leuten beschützt. Wir stehen zusammen.“ Ob das in einer weltweiten Pandemie als Schutz genügt und als Argument für eine Wiedereingliederung in die Mannschaft reicht, wird sich zeigen. Was Teamkollege Harden dazu denkt, wird dagegen wohl ein Geheimnis bleiben.