Nach einer Dekade unter John Patrick starten Ludwigsburgs Basketballer in eine neue Ära mit dem Schweden Mikko Riipinen. Der ist erst 38, hat aber klare Vorstellungen.
Nach der Dekade mit Trainer John Patrick und dem Intermezzo mit Josh King setzen die MHP Riesen Ludwigsburg nun auf den Schweden Mikko Riipinen, der einen Zwei-Jahres-Vertrag besitzt und auch noch Nationaltrainer seines Landes ist. Sein Pflichtspieldebüt steigt an diesem Mittwoch (18.30 Uhr) im Pokal bei den Skyliners Frankfurt – wo dann auch die Ligasaison startet. Seine Devise: „Ich will beide Spiele gewinnen.“
Herr Riipinen, Sie arbeiten jetzt im Land des aktuellen Europa- und Weltmeisters. Was bedeutet das für Sie, hier ein Teil des Basketball-Wettbewerbs zu sein?
Mehrere Dinge. Zum einen ist es sehr inspirierend, in dieser Situation in einem der führenden Basketball-Länder der Welt tätig zu sein. Das gibt mir viel Energie, mich zu entwickeln und neue Dinge anzugehen. Zum zweiten sorgt es dafür, dass viele Mannschaften auf Deutschland blicken, sodass es ein gutes Schaufenster ist; und außerdem wollen auch viele Profis hier aktiv sein, was bei der Suche nach neuen Spielern hilft. Sie sehen, die Titel ziehen viele gute Effekte nach sich.
Sie haben mit den Schweden in der EM-Gruppenphase gegen Deutschland gespielt und 83:105 verloren. Hatten Sie da schon das Gefühl, dass die Mannschaft Europameister wird?
Zu hundert Prozent! Sie war das beste Team, gegen das wir gespielt haben. Sie waren komplett und fokussiert, es gab eine klare Rollenverteilung und sie hatten einen sehr guten Teamgeist. Uns fehlten zwei Spieler, darunter der einzige NBA-Akteur, aber sie haben uns von Beginn an nicht unterschätzt, sondern spielten mit viel Einsatz und Ehrgeiz. Man hat gespürt: Sie haben ein noch viel größeres Ziel vor Augen.
Sie trainieren die MHP Riesen und parallel die schwedische Nationalmannschaft. Warum tun Sie sich diese Doppelbelastung an?
Es ist für jeden Club hilfreich, wenn er jemand bei einer Nationalmannschaft hat. Dadurch ist er international sehr gut vernetzt, was zum Beispiel Spieler-Agenten betrifft. Zudem tauscht man mit anderen Trainern Ideen aus oder spricht über gewisse Spieler. Außerdem klingt das dramatischer, als es ist. Denn wenn die Nationalmannschaft in Europa spielt, pausieren ja die Ligen, zudem haben wir bei Schweden noch andere Trainer, die gewisse Funktionen übernehmen. Und es ist eben immer eine große Ehre, die Nationalmannschaft zu repräsentieren. Das Einzige, auf das ich verzichte, ist meine Freizeit. Ich denke also, es hat mehr Vor- als Nachteile.
Basketball ist sein Leben
Sie kommen aus Skandinavien, wo Basketball nicht so populär ist. Warum sind Sie nicht etwa beim Eishockey gelandet?
Allgemein liebe ich Sport, er hilft den Menschen, sich zu entwickeln. Am Basketball faszinieren mich die verschiedenen Rollen. Die Defensive, das Passen und natürlich Werfen. Diese Dreidimensionalität gibt so sonst – meiner Meinung nach – in keiner anderen Sportart. Dazu kommen die Dynamik und Schnelligkeit des Spiels. Natürlich ist in Schweden Basketball nicht so populär, aber das ändert nichts an meiner Liebe zu diesem Sport, der mir alles gegeben hat – außer meiner Tochter.
Ludwigsburg hatte zuletzt immer den Slogan „gefürchtet und stolz darauf“. Deckt sich das mit Ihren Vorstellungen?
(Lacht und zeigt auf sein T-Shirt, auf dem der Slogan verewigt ist) Es ist wichtig, eine Identität zu haben. Wir sprechen hier viel über Härte. Aber natürlich ändert und entwickelt sich das Spiel, also braucht es noch mehr als das.
Zum Beispiel?
Man braucht inzwischen mehr Fähigkeiten als noch vor zwanzig Jahren. Als Spieler wie auch als Mannschaft. Man muss zum Beispiel mehr Wurf-Aktionen kreieren, der Kader muss insgesamt tiefer besetzt sein, man braucht zehn, elf Spieler pro Partie. Mein Wunsch ist es, neue Dinge einzuführen und dem Verein damit zu helfen.
Ihr Vorgänger John Patrick war mehr als zehn Jahre lang hier sehr erfolgreich. Wie schwierig ist es, in seine Fußstapfen zu treten?
Es ist immer etwas Besonderes, Nachfolger von jemandem zu sein, der so lange so viel für einen Verein getan hat und an dem sich alles ausgerichtet hat. Aber ich will mir treu bleiben, und ich weiß, dass ich geholt wurde, um neue Dinge zu machen, die diese Identität erhöhen. Aber natürlich auch einige gute Dinge beizubehalten. Das ist nicht ganz einfach, aber ich weiß, was ich kann.
Wenn man auf die fünf Vorbereitungsspiele blickt, scheint es so, als ob es noch mehr Probleme in der Defensive als in der Offensive gibt. Stimmt das ?
Es gibt an beiden Enden des Feldes noch Probleme. Wir hatten in der Vorbereitung Frankfurt als Gegner (gegen Prag) tauschen müssen, weil wir gegen die zweimal zu Saisonbeginn (im Pokal und der Liga, Anm. d. Red.) antreten. So hat uns ein starker Gegner gefehlt. Noch gravierender war, dass einige Spieler wegen Verletzung nicht zur Verfügung standen, sodass wir meist mit nur vier Ausländern antreten konnten.
Apropos Ausländer: Von welchem dieser Spieler erwarten Sie am meisten?
Zunächst einmal möchte ich eine Mannschaft formen, in der jeder Spieler eine klare Rolle hat. So ist also jeder Spieler wichtig, auch wenn mit etwas unterschiedlicher Gewichtung. Keeshawn Kellman zum Beispiel kommt von einem kleineren College, deshalb haben wir ihm einen Zweijahresvertrag gegeben, damit er sich eingewöhnen und entwickeln kann. Aber eines gilt für alle: Ich hole Spieler, die beweisen wollen, dass sie in der Vergangenheit noch nicht die Rolle in ihrem Verein hatten, die sie verdienen. Die also hungrig sind.
Ein Afrikaner für Ludwigsburg
In Babacar Sane haben Sie zuletzt einen afrikanischen Spieler aus dem Senegal geholt, was sehr ungewöhnlich ist. Was war der Grund?
Ich habe mit unserem Vorsitzenden Alexander Reil viel darüber gesprochen, wie wir aus wenig mehr machen können, weil wir nicht einfach unsere Wunschspieler kaufen können. Wo können wir solche Spieler finden? Ich hatte da gute Verbindungen zu Agenten, und Babacar ist genau in der Situation, sich beweisen zu wollen. Nachdem er schon lange als Talent gilt und in der G-League in den USA gespielt hat. Mit 22 ist er noch sehr jung, und wir wollen ihm hier auch auf seinem weiteren Lebensweg helfen, nachdem er aus einem ganz anderen Teil der Welt kommt.
Von den deutschen Spielern hat Lenny Anigbata in der Vorbereitung den besten Eindruck hinterlassen. Kann er so etwas wie die Überraschung der Saison werden?
Warum nicht. Aber natürlich braucht es dazu Kontinuität, das muss er lernen. Dazu braucht er Erfahrung, und die bekommt er nicht, wenn er die meiste Zeit auf der Bank sitzt. Er hat die Chance, einen großen Sprung zu machen, nachdem er letzte Saison ein ProB-Spieler in der dritten Liga war. Sein Potenzial hat er jedenfalls schon gezeigt.
Zurück zu den Trainern. Ein anderer skandinavischer Coach, der Finne Tuomas Iisalo, hat seine Karriere in der Nähe von hier in Crailsheim begonnen und sich über Bonn, Paris jetzt in die NBA hochgearbeitet. Ist das auch Ihr Ziel?
Ich höre diese Frage nicht zum ersten Mal. Ich würde sagen, er inspiriert mich schon sehr, gerade in der Hinsicht, seinem System treu zu bleiben, auch wenn es mal nicht so läuft. Das hat er auch durchgemacht. Als er seine Puzzleteile zusammenhatte, lief es bestens. Ich habe auch Kontakt zu ihm, dennoch will ich meinen eigenen Weg gehen. Und wer weiß, vielleicht sagen irgendwann mal welche: Ich habe sie inspiriert.
Sie starten bei den Skyliners in Frankfurt im Pokal-Wettbewerb und ironischerweise gut eine Woche danach dort auch in der Liga. Wenn Sie die Wahl hätten, welches Spiel wollten Sie gewinnen?
Beide! Da gibt es keine Wahl. Man kann mich für verrückt halten. Aber ich will jedes Spiel gewinnen, selbst in der Vorbereitung. Ich gehe immer all-in. Das ist auch eine Frage des Respekts. Und da gehe ich voran, um zu zeigen, wie wichtig ein Spiel ist – auch für Fans. Natürlich wollen wir dabei im Hinterkopf behalten, wie gut wir am Ende der Saison sein können.
Und wie lautet Ihr Saisonziel?
Unser erstes Ziel lautet: Wir wollen besser sein als letzte Saison – also besser als Platz elf in der Liga.
Sie leben hier alleine – ohne Frau und die fünfjährige Tochter Ella. Wie schwierig ist das?
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, das ist einfach. Aber das war von vorneherein klar, auch jetzt zu Beginn der Saison, als ich mich ganz auf die Vorbereitung konzentrieren wollte. Das war in Schweden nicht so viel anders. Außerdem ist die Entfernung ja nicht so weit, was für mich ein Argument pro Deutschland war. Beide unterstützen mich, und ich hoffe einfach, es inspiriert meine Tochter, damit sie eines Tages auch ihre Träume verwirklichen kann, so wie ich es jetzt tue. Außerdem werden sie öfters zu Besuch sein, es gibt ja gute Flugverbindungen nach Frankfurt oder Stuttgart.
Jeden Tag zwei neue Worte Deutsch
Normalerweise trainieren Sie ja auf dem Parkett. Was macht Ihr Deutsch-Training?
Ich versuche mein Bestes und habe mir vorgenommen, jeden Tag zwei neue Worte zu lernen. Auch wenn ich das zuletzt etwas vernachlässigt habe. Aber in einem fremden Land gehört die Sprache dazu im Umgang mit den Menschen, den Sponsoren und Zuschauern. Das ist meine Verpflichtung.
Alter (junger) Schwede
MHP Riesen
Mikko Riipinen hat einen Zweijahresvertrag bei den MHP Riesen, die von einer Ausstiegsklausel bei seinem alten Verein BG Göttingen Gebrauch gemacht haben. Zuvor war der 38-Jährige in seiner Heimat zehn Jahre bei den Norrköping Dolphins tätig.
Schweden
Riipinen ist in einer Doppel-Funktion seit vier Jahren auch Trainer der schwedischen Nationalmannschaft. Mit der scheiterte er bei der EM im Achtelfinale knapp mit 79:85 am späteren Silbermedaillen-Gewinner Türkei.