Wer immer von einem vereinten Europa träumt, der sollte sich die Basketballer als Vorbild nehmen. Foto: dpa

Die europäischen Titelkämpfe im Basketball werden in vier verschiedenen Ländern ausgetragen – das hat sich bewährt. 2017 geht es nach Helsinki, Cluj, Istanbul und Tel Aviv.

Stuttgart - Wer immer von einem vereinten Europa träumt, der sollte sich die Basketballer als Vorbild nehmen. Deren Titelkämpfe werden inzwischen alle zwei Jahre über den Kontinent verteilt ausgetragen. Der Fußball hat es ja schon vorgemacht, aber allenfalls in einer Light-Version, Holland/Belgien oder Österreich/Schweiz hießen die Ausrichter der EM-Turniere bereits. Doch die Korbjäger setzen da noch einen drauf. Die Europameisterschaft 2017 findet gleich in vier Ländern statt – und das kreuz und quer auf der Landkarte verteilt, von Nord nach Süd: Helsinki/ Finnland, Cluj/Rumänien, Istanbul/Türkei und Tel Aviv/Israel, wobei die beiden letzten Spielstätten geografisch sogar schon zu Asien zählen (nachdem eine Vorrunden-Gruppe im asiatischen Teil Istanbuls ausgetragen wird).

„Das hat sich absolut bewährt“, sagt Ingo Weiss, der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes fast wie aus der Pistole geschossen. Dabei wurde der Modus eher aus der Not heraus geboren. Für 2015 bekam die Ukraine den Zuschlag, nachdem sie sich bereit erklärt hatte, eine Ausrichtergebühr von acht Millionen Euro zu übernehmen, was Deutschland und Frankreich (mit zwei weiteren Partnern) nicht akzeptieren wollten, da zunächst nur fünf Millionen ausgelobt waren. Als die Ukraine wegen der militärischen Unruhen verzichten musste, kam die Fiba wieder auf die Ursprungsidee zurück, und Frankreich und Deutschland holten noch Kroatien sowie Lettland mit ins Boot, fertig war das Quartett. Dessen Trümpfe stachen.

Ein solcher Modus spart Kosten und erhöht die Attraktivität, da jedes Team eines Ausrichters automatisch qualifiziert ist. „Sie haben fast immer eine ausverkaufte Halle“, sagt Weiss aus Erfahrung, weil neben dem Spiel des Gastgebers noch eine zweite Partie am Spieltag in ein Karten-Paket eingebunden wird. Hinzu kommt eine nicht zu unterschätzende mediale Aufmerksamkeit. „So ein Modus bringt einen viel höheren Kommunikationsfaktor mit sich, als wenn nur ein Land das Turnier ausrichtet“, sagt Weiss, der auch noch Zahlen sprechen lässt.

Deutschland überlegt, sich für die EM 2021 zu bewerben

Beim Turnier 2015 in Berlin hatte die Stadt eine Ausfallbürgschaft von 1,2 Millionen Euro gestellt, wovon nur 950 000 in Anspruch genommen werden mussten. Doch selbst die sind relativ: Denn zwei Analysen von Wirtschaftsprüferbüros haben ergeben, dass die Basketball-EM in der Stadt für Einnahmen von 44 Millionen Euro gesorgt hat. Glauben Sie nicht? Weiss führt eine kleine Anekdote an, als er den „Hilferuf“ aus einem Hotel Nahe der Halle bekam. Tausend isländische Schlachtenbummler hatten dort nämlich sämtliche Biervorräte (immerhin 4000 Liter) geleert, fortan fehlte der Nachschub.

Nach diesen Erfahrungen, nicht explizit denen an der Hotel-Bar, scheint Deutschland auf den Geschmack gekommen zu sein. „Wir erwägen ernsthaft, uns für die EM 2021 mit einer Vorrunde und einer Endrunde zu bewerben“, hat Weiss angekündigt. Was den Vorteil hätte, dass der DBB dann mit zwei Städten ins Rennen gehen könnte, was nicht nur eine schwarze Null wie 2015, sondern vielleicht sogar einen kleinen Gewinn verspräche. „Bis dahin haben wir eine Mannschaft, die auch um Medaillen spielen kann“, sagt der Präsident. Wie im Jahr 1993? Damals gab es letztmals eine EM-Endrunde in Deutschland – und unter dem legendären Trainer Svetislav Pesic holte man den Titel.

Neben Deutschland kämen Polen, Schweden, Italien oder Spanien als mögliche Partner in Frage. Das wäre unter dem Strich wohl lukrativer als eine WM, für die Deutschland eine Bewerbung 2023 ins Auge gefasst hatte, jetzt aber verzichtet.

Das alles ist für Chris Fleming Zukunftsmusik. Der US-Amerikaner gibt nach der EM seinen Job als Bundestrainer ab, weil er die Doppelrolle als Assistenztrainer beim NBA-Club Brooklyn Jets nicht mehr erfüllen kann. In Henrik Rödl steht der Nachfolger bereits fest. „Wir wollen auf jeden Fall ins Achtelfinale“, sagt Weiss mit Blick auf die Vorrunde in Israel, wo am Donnerstag das Auftaktspiel gegen die Ukraine auf dem Programm steht. Ohne das Fernsehen, das die kalte Schulter zeigt, obwohl es die Senderechte laut Weiss für 200 000 Euro gegeben hätte. „Wir sind eben keine Sportnation, sondern ein Fußball-Land“, sagt er. Um dies zu ändern, hat er für andere Sportarten einen guten Rat: Die EM auf mehrere Länder zu verteilen – wie im Basketball.