Riesen-Profi Michael Stockton (li.) verliert gegen Branislav Ratkovica den Ball Foto: Pressefoto Baumann

Die Erkenntnis tut weh: Nur sieben Monate nach dem überraschenden Play-off-Einzug geht es für die Bundesliga-Basketballer aus Ludwigsburg in dieser Saison nur noch abwärts. Nach elf Spielen haben die Riesen lediglich vier Siege auf dem Konto – und viele Probleme.

Ludwigsburg - Es war ausgerechnet Igor Perovic, der den MHP Riesen Mut machte. „Ich sehe Ludwigsburg nicht als Konkurrenten im Tabellenkeller an: Dafür hat die Mannschaft eine zu hohe Qualität und einen zu guten Trainer“, sagte der Coach der Tigers Tübingen nach dem 72:70 (41:39) in der Barockstadt. Dabei waren es ja gerade die Raubkatzen um einen am Ende groß aufspielenden Augustine Rubit (14 Punkte), welche die Riesen in die Krise gestürzt haben. Denn die Schlappe gegen Tübingen war nicht nur die dritte Pleite für Ludwigsburg in Folge, sondern auch der Beweis dafür, dass die Play-off-Träume vorerst geplatzt sind. „Für uns“, korrigierte John Patrick die Zielsetzung für diese Spielzeit, „geht es nur um den Ligaverbleib.“ Aus guten Gründen, wie ein Blick auf die Probleme der Riesen zeigt.

Die Formschwäche

Als Coby Karl kurz vor dem Derby in Zivil auf der Bank der Riesen Platz nahm, wunderten sich die 4287 Fans in der MHP-Arena. Ist der Führungsspieler verletzt?, fragten sich die Zuschauer. Pustekuchen! Trainer Patrick verordnete dem US-Amerikaner eine Auszeit. Denn der beste Riesen-Profi aus der vergangenen Runde, der im Mai mit einem Dreier in der Schlusssekunde Ludwigsburg ein viertes Play-off-Spiel gegen den späteren Meister FC Bayern München beschert hatte, ist zurzeit völlig außer Form. „Er ist irgendwie blockiert – auch im Training“, sagt John Patrick. Bereits aus dem Sommerurlaub sei Karl nicht in der Verfassung zurückgekehrt, wie sich das alle bei den Riesen gewünscht hätten: „Es ist eine Kopfsache“, vermutet John Patrick, zuckt dabei aber auch mit den Schultern. Fakt ist: Der Sohn von NBA-Trainerlegende George Karl enttäuschte zuletzt mit nur vier Punkten in 32 Spielminuten in Bamberg. Nun soll ein Sportpsychologe helfen. „Wir lassen nichts unversucht“, sagt John Patrick.

Gegen Tübingen präsentierte der Riesen-Coach einen Ersatz für Karl: David John Kennedy. Erst einen Tag zuvor war der 25-jährige US-Boy, der zuletzt bei Krasny Wolgograd (Russland) gespielt hat, zum Team gestoßen – und wirkte trotz acht Punkten wie ein Fremdkörper im Team. „Wir müssen ihm Zeit geben, unser Spiel kennenzulernen“, meinte sein Mitspieler Adam Waleskowski, „D. J. ist ein richtig Guter.“ Allerdings: Neben Coby Karl stimmt auch die Leistung bei einem weiteren Erfolgsgaranten aus der vergangenen Spielzeit nicht. Center Patrick Flomo steht derzeit neben sich. Und dazu gesellen sich noch einige Neuzugänge. Wie etwa John Little, der gegen Tübingen nur acht Prozent seiner Würfe verwandelte, oder Center Chris McNaughton, der erst gar nicht mehr groß zum Einsatz kommt.

Die Verletztenmisere

Kurz vor dem ersten Spieltag ereilte die Riesen eine Hiobsbotschaft. Michael Stockton hatte sich im Training eine schwere Sprunggelenksverletzung zugezogen. Nach wochenlanger Pause kehrt der Spielmacher nun allmählich zurück. Im Derby gegen die Tigers versenkte Stockton aber nur einen seiner sieben Schüsse. Noch schlimmer hat es Folarin Campbell erwischt. Nach einer Schulterverletzung im Training droht der 28 Jahre alte Guard die ganze Saison auszufallen. „Das waren heftige Rückschläge für uns“, gibt John Patrick zu.

Das Selbstvertrauen

Dass die Riesen nach zuletzt zwei knappen Niederlagen gegen Hagen und in Bamberg nicht vor Selbstvertrauen strotzen, mag kaum verwundern. Aber dass sie gegen die Tigers beste Wurfmöglichkeiten ausließen, brachte John Patrick auf die Palme. „Wir haben offene Dreier nicht genommen“, schimpfte der Ludwigsburger Trainer, „so können wir kein Spiel gewinnen.“ Und in der Tat: Bis auf den neuen Center Jon Brockman, der mit 18 Punkten und 13 Rebounds erneut überzeugte, und Kerron Johnson (17) fehlen Spieler, die sich zutrauen, den Ball durch die Reusen zu bringen – egal wie. „Wir müssen an unserer Entschlossenheit arbeiten“, befand Adam Waleskowski, der immerhin elf Punkte erzielte.

Die Treffsicherheit

Wahrscheinlich liegt das fehlende Selbstvertrauen aber auch an der mangelnden Treffsicherheit. In Sachen Freiwürfe (66 Prozent) sind die Riesen Bundesliga-Schlusslicht. Gegen Tübingen kam noch eine verheerende Bilanz aus der Distanz dazu. Nur vier von 18 Dreierwürfen fanden den Weg in den Korb.

Für John Patrick gibt es vor dem Spiel bei Tabellenführer Alba Berlin an diesem Dienstag (19 Uhr) also viel zu tun. „In Berlin haben wir aber nichts zu verlieren, das ist unsere Chance“, sagte der Riesen-Trainer. Und das ist im Augenblick schon das Beste an der Situation seines Teams.