Wenn es um einen Standort für eine Mülldeponie geht, könnte Bürgerbeteiligung blockierend wirken, findet der Landkreistag. Foto: Gottfried Stoppel

Die Menschen in Baden-Württemberg sollen auch bei Themen, die die Landkreise betreffen, mehr mitreden können. Das verlangt ein neues Bündnis für mehr direkte Demokratie. Bisher hinke der Südwesten an dieser Stelle hinterher.

Stuttgart - Ein Bündnis aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, koordiniert vom Verein „Mehr Demokratie“, startet Mitte Februar eine landesweite Unterschriftenaktion für einen Gesetzentwurf zu einem Volksantrag „Mehr Demokratie in den Landkreisen“. 40 000 Unterschriften muss das Bündnis innerhalb eines Jahres sammeln, dann kann es seinen Gesetzentwurf direkt in den Landtag einbringen. Bisher sind Baden-Württemberg und Hessen die einzigen Flächenländer, die keine Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Landkreisebene vorsehen.

Edgar Wunder, der Vorsitzende des Vereins „Mehr Demokratie“, verweist darauf, dass auf Gemeindeebene die Instrumente der direkten Demokratie „schon lange bewährte Praxis“ seien. Er fordert, „die Landkreise dürfen nicht länger eine Ausnahme bleiben“.

Beteiligung an Entscheidungen zu ÖPNV und Mülldeponien

Mitsprache sollten die Bürger demnach bei Themen wie öffentlicher Nahverkehr, Müllentsorgung oder Krankenhausstrukturen und dem beruflichen Schulwesen bekommen, findet das Bündnis, zu dem neben dem DGB beispielsweise auch die Umweltverbünde BUND und Nabu oder der Bund der Steuerzahler gehören. Unterstützung signalisieren auch die baden-württembergischen Grünen, die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier, FDP und die Linke.

Wunder betonte, „wir wenden uns gegen niemanden. Wir gehen konstruktiv und dialogisch vor.“ Mit dem Vorstoß solle „Hand in Hand mit dem Parlament“ eine Lücke in den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung geschlossen werden.

Landkreistag befürchtet Stillstand

Skeptisch zeigt sich der baden-württembergische Landkreistag. Sein Hauptgeschäftsführer Alexis von Komorowski lobt zwar die Bürgerbeteiligung im Grundsatz, schätzt sie aber „auf Landkreisebene eher kontraproduktiv“ ein. Zu groß sei die Gefahr, dass Partikularinteressen verfolgt würden, wenn etwa Standorte für neue Abfalldeponien gesucht würden oder Krankenhäuser geschlossen werden müssten. Dann könnte „ein problematischer Stillstand“ eintreten. Er warnt auch vor zu großen Erwartungen. Wenn die Kreise staatliche Aufgaben übernähmen, dann würden basisdemokratische Instrumente nicht greifen, sagt Komorowski. Das betreffe etwa das Thema Flüchtlingsunterbringung oder das Naturschutzrecht. Enttäuschungen seien programmiert. Er befürchtet, „die gesamte demokratische Legitimation auf Kreisebene könnte Schaden nehmen“.

Keine Flut von Anträgen erwartet

Vertreter des Bündnisses sind dagegen zuversichtlich. Mit ihren Gesetzentwurf würden sie eine Lücke in der Möglichkeit der Bürgerbeteiligungen schließen, sagten Andrea Gregor vom DGB und Brigitte Dahlbender vom Bund bei der Präsentation der Kampagne. Dahlbender betrachtet die Kreistage zudem als wichtiges Entscheidungsgremium für die kleineren Gemeinden.

Im Erfolgsfall erwartet Wunder keine Flut von basisdemokratischen Anträgen. Nach den Erfahrungen aus den anderen Bundesländern wäre alle ein bis zwei Jahre in einem der 35 Flächenkreise in Baden-Württemberg ein Bürgerbegehren und alle drei bis fünf Jahre ein Bürgerentscheid zu erwarten, schätzt Edgar Wunder.