Treppen sind auch für Rollatorfahrer oft ein unüberwindbares Hindernis Foto: Eva Herschmann

Nicht nur Rollstuhlfahrer, auch Gehbehinderte mit Rollator und Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind, haben zuweilen ihre liebe Mühe, dahin zu kommen, wohin sie wollen. Geht es nach dem Willen des Böblinger Landratsamts, wird sich das bald ändern.

Böblingen - Nach der Sommerpause werden Betroffene die App von Wheelmap für den Kreis Böblingen bearbeiten. In dem weltweiten Internetportal sind bereits seit fünf Jahren Behörden, Geschäfte, Gaststätten und öffentliche Veranstaltungsorte erfasst. Gehbehinderte und Rollifahrer erfahren dort, welche Hindernisse sie erwarten und ob sie ohne weiteres einen Zugang finden.

„Wir haben zum Thema Barrierefreiheit schon Flyer gemacht“, sagt Reinhard Hackl, der im Sozialdezernat des Landratsamts das Wheelmap-Projekt für den Kreis Böblingen organisiert. Im Internetzeitalter sei die papierne Form der Information aber „nicht mehr das Gelbe vom Ei“, fügt der Geschäftsführer des Teilhab-Beirats hinzu. Das Gremium ist beim Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreistages angesiedelt und eine trägerunabhängige Interessensvertretung von behinderten Menschen. „Der Beirat hat sich dafür ausgesprochen, Wheelmap künftig auch im Kreis zu nutzen“, so Hackl. Die zehn Mitglieder kommen aus Werkstätten, Wohnheimen und Sonderschulen für behinderte Menschen. Auch behinderte Senioren und eine Fürsprecherin für mehrfach Schwerbehinderte sind dort vertreten.

Eingebunden ist darüber hinaus der Kreisseniorenrat, dessen Vorsitzender Manfred Koebler sagt: „Der Bedarf an Informationen ist riesengroß. Viele Behinderte trauen sich nicht, ein Ziel anzusteuern, weil sie nicht wissen, ob sie es erreichen.“ Als Nutzer der App sollen sie künftig überprüfen können, inwieweit ein Ort barrierefrei ist. Und mehr noch: Die Betroffenen können auch selbst die Hindernisse markieren, nach einem Ampelsystem bewerten und Fotos ins Netz stellen. Die Lokalisierung wird von den Nutzern eines I-Phones, Android-Smartphones oder entsprechenden Tablets über einen Account bei Openstreetmap vorgenommen.

Wie das genau zu handhaben ist, will Koebler in den 18 PC- und Internetgruppen mit Senioren, die sich bisher in den 26 Kreisgemeinden gebildet haben, näher einstudieren lassen. „Natürlich werden dort die Interessierten auch umfassend beraten“, versichert er. In einem ersten, praktischen Schritt werden Schüler des Berufsschulzentrums in Leonberg mit behinderten Menschen zusammen die Umgebung erkunden, verschiedene Orte untersuchen und nach einem Ampelsystem bewerten. „Rot heißt, da komme ich nicht hinein“, erläutert Hackl. Grün bedeutet freie Fahrt, Gelb lediglich eine bedingte Zugänglichkeit. Eine Lehrkraft soll als Wheelmap-Botschafter die Aktion begleiten.

Für das auf 18 Monate angelegte Projekt wird die Kreisbehörde eine Servicekraft in Teilzeit beschäftigen, die bei der Organisation mithilft und Koordinationsaufgaben übernimmt. Reinhard Hackl wird während dieser Zeit mit 30 Prozent seiner Arbeitszeit für die weitere Planung zuständig sein. Zusammen mit den Werbemitteln und Reisekosten kalkuliert der Kreis mit Gesamtausgaben in Höhe von 110 000 Euro. Weil Hackl ohnehin auf der Gehaltsliste des Kreises steht und die Behörde ihn für die Aufgabe abstellt, zudem Geld von Sponsoren und eine Landesförderung erwartet werden, rechnet der Kreis mit einem Projektaufwand von 20 000 Euro.

„Wir wollen im Oktober durchstarten“, sagt Hackl. Bei dem Vorhaben, unzugängliche Orte aufzuzeigen, wolle man aber niemanden „an den Pranger stellen“. Bei manchen Geschäften etwa seien nun einmal Treppen vorhanden: „Wenn das Gebäude denkmalgeschützt ist, ist nicht viel zu machen.“ Für andere Gewerbetreibende, Behörden oder Veranstalter dagegen sei der Aufwand bisweilen jedoch eher gering, einen barrierefreien Zugang zu schaffen.