Szene aus Leonardo Vincis Barockoper „Didone abbandonata“ Foto: Taake

In einer Bearbeitung von Georg Friedrich Händel zeigt das Festival „Winter in Schwetzingen“ die Oper „Didone abbandonata“ des in Vergessenheit geratenen Komponisten Leonardo Vinci.

Schwetzingen – Ein Mann nimmt Abschied. Eine Frau will ihn halten. Am Ende geht er wirklich, und sie bringt sich um. Die Geschichte von der Karthagerkönigin Dido und dem trojanischen Prinzen Aeneas ist schlicht und schrecklich. Sie beleuchtet archetypische Verhaltensweisen der Geschlechter, und weil die Gefühle des Paares hier so wirkungsvoll Achterbahn fahren, haben viele Komponisten zumal des Barock Opern über Dido und Aeneas geschrieben. Unter ihnen sind etwa Niccolò Jommelli, Henry Purcell, Johann Adolph Hasse, Baldassare Galuppi, Tommaso Albinoni und Francesco Cavalli.

Pietro Metastasios Libretto zu „Didone abbandonata“ („Die verlassene Dido“) war ein Dauerbrenner. Auch der heute kaum mehr bekannte Leonardo Vinci (1690–1730) hat es vertont, und Zeitgenossen rühmten in seiner Oper ganz besonders Didos Arie „Son regina“. Diese ist jetzt mit all ihren extremen Tönen und Empfindungen auch in Schwetzingen zu hören, wo das Heidelberger Theater noch bis 5. Februar zum zehnten Mal sein Barockfestival „Winter in Schwetzingen“ feiert. Allerdings wird im Rokokotheater nicht das Originalwerk des Neapolitaners gegeben, sondern eine Bearbeitung des Stücks, die Georg Friedrich Händel 1737, also elf Jahre nach der Uraufführung von „Didone abbandonata“, für eine Aufführung im Londoner Covent Garden Theatre vornahm. Dabei hat er Rezitative gekürzt und gestrichen und etliche Arien Vincis ersetzt. Entstanden ist so eine Form, die man damals Pasticcio nannte: eine musikalische Collage, die Arien Vivaldis, Hasses und Giacomellis zusammenbringt.

Hochvirtuose Partien

Dennoch – man wundert sich – ergibt sich ein Bogen, ein Ganzes. Dafür mögen auch weitere Kürzungen und Umstellungen gesorgt haben, die das Heidelberger Produktionsteam mit Yona Kim (Regie) und Wolfgang Katschner (musikalische Leitung) vornahm, um dem rund zweistündigen Abschied des Aeneas ein wenig mehr Theater und Drama einzuhauchen. Musikalisch ist dies geglückt. Das Philharmonische Orchester Heidelberg findet nach anfänglichen Koordinations- (und manchmal auch Intonations-)Problemen zu einem trockenen, bewegten, lichten und vorwärtsdrängenden Klang. Kangmin Justin Kim (Aeneas), ein sehr heller, hoher Altus, Elisabeth Auerbach (Selene), Namwon Huh (Araspe) und Polina Artsis (Osmida) sind gute Besetzungen für teilweise hochvirtuose Partien; die stimmschöne, ausdrucks- und koloraturstarke Sopranistin Rinnat Moriah als Dido und der Countertenor Terry Wey als Jarbas liefern die überzeugendsten Rollenporträts ab.

Auf der Szene aber bleibt viel Statik. Sie wird verstärkt durch Hugo Holger Schneiders und Margrit Flagners hermetischen Bühnenraum, der die Figuren um- und einschließt. Sogar den wirkungsvollen Brand Karthagos erleben sie und das Publikum nur aus der Schlüsselloch-Perspektive, und auch die vielen musikalischen Wiederholungen der (Da-capo-)Arien enthalten ja eher Dekoration als Handlung. Der Regisseurin gelingen bei der Personenzeichnung etliche fein charakterisierende Momente, aber es gibt auch viele szenische Leerstellen, Verlegenheitslösungen, schematische Sängerposen. Man kann ein bisschen müde werden dabei. So bleibt „Didone abbandonata“ vor allem eine interessante Oper für Ohren. Diese immerhin erleben ein Finale mit absolutem Seltenheitswert: keine Abschiedsarie der Dido, sondern ein verzweifelter, zerfaserter Arioso-Ausbruch, der Glucks viel späterem Wahrhaftigkeitsstreben alle Ehre gemacht hätte. Dann fällt der Vorhang wie das Beil einer Guillotine.

Nochmals am 21. und 23. Januar sowie am 5. Februar. www.theaterheidelberg.de