Deutschlandweit hat die gesetzliche Krankenkasse Barmer GEK rund 8,64 Millionen Mitglieder. Foto: dpa

Die Barmer GEK verzichtet auf Mitarbeiter und Beratungsstellen, verspricht den Kunden aber trotzdem Verbesserungen. Wie passt das zusammen?

Die Barmer GEK verzichtet auf Mitarbeiter und Beratungsstellen, verspricht den Kunden aber trotzdem Verbesserungen. Wie passt das zusammen?

Stuttgart - Die Meldung ist schon ein paar Wochen alt. Im Nachhinein hat sie etwas von einem Menetekel. Mitte Januar wurde bekannt, das die Techniker-Krankenkasse (TK) die Barmer GEK als größten gesetzlichen Versicherer in Deutschland abgelöst hat, zumindest was die Zahl der Versicherten angeht. Die TK hatte zuvor einen kräftigen Zulauf und die Barmer GEK Abgänge zu verzeichnen gehabt, und plötzlich stand es nun 8,68 Millionen (TK) zu 8,64 Millionen (Barmer). Nur bei den zahlenden Mitgliedern lag die Barmer GEK mit 6,7 Millionen jetzt noch vor dem Konkurrenten.

Spricht der Trend, der sich da andeutete, gegen die Barmer GEK? Auf den ersten Blick wirkt die Nachricht ihres großangelegten Umbaus, dem bundesweit 3500 von insgesamt 16 900 Vollzeitstellen zum Opfer fallen sollen, tatsächlich wie eine Bestätigung des Eindrucks, dass die Großkasse sich auf dem absteigenden Ast befindet. Und kein Zweifel, die Folgen der Reorganisation werden ja auch beträchtlich sein – für die Beschäftigten, aber auch für die Kunden.

Würde die Zahl der Geschäftsstellen in Baden-Württemberg halbiert, blieben von bisher 76 Filialen (davon 13 in der Region Stuttgart, siehe Grafik) nur noch 38 übrig. Die Wege für die Versicherten würden entsprechend weiter. Verlöre jeder fünfte Mitarbeiter seinen Job, wäre das Land mit 458 Stellen weniger dabei. Derzeit hat die Barmer GEK noch 2290 Mitarbeiter in Baden-Württemberg, davon 440 in der Hauptverwaltung Süd in Schwäbisch Gmünd.

Die Kasse gibt sich am Montag alle Mühe, die Deutungshoheit über diese Zahlen zu behalten. Die Botschaft soll lauten: Die Barmer agiert aus einer Position der Stärke, um noch stärker zu werden. Vorstandschef Christoph Straub gibt als Ziel der Rosskur jährliche Einsparungen von 250 bis 300 Millionen Euro vor. Diese seien zwingend, um sich bei steigenden Ausgaben auf sinkende Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds einzustellen. Zugleich werde man „kundenfreundlicher, schneller und effizienter“. Immer mehr Versicherte würden ihre Anliegen am Telefon oder im Web erledigen, sie kämen seltener in die Geschäftsstellen. Deshalb müsse man in den Ausbau des Telefon- und Online-Service investieren, so Straub.

Tatsächlich gehen alle Experten davon aus, dass die fetten Jahre für die Kassen bald vorbei sind. Für künftige Kostensteigerungen müssen sie aber nach den Plänen der Großen Koalition ihre Versicherten zur Kasse bitten, über einkommensabhängige Zusatzbeiträge. Für die Versicherer wird die Großwetterlage dadurch deutlich rauer. „Der Zusatzbeitrag wird den Wettbewerb unter den Krankenkassen zuspitzen“, erwartet etwa der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Die Kassen reagierten mit einem verschärften Blick auf die Verwaltungskosten. „Viele haben schon mit der Ausdünnung der Präsenz in Geschäftsstellen begonnen“, weiß Wasem. Die Barmer GEK sei dabei eher „ein Nachzügler, bei den anderen Kassen ist das typischerweise geräuschloser gelaufen“. Davon abgesehen spiele aber generell eine Verschiebung des Nachfrageverhaltens der Kunden eine Rolle. „Online und Telefon nehmen zu, vor Ort nimmt ab“, sagt Wasem und pflichtet so Kassenchef Straub bei.

Tatsächlich laufen, weithin unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit, auch bei anderen Kassen große Umbauten. Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) beispielsweise will 400 ihrer bundesweit 4000 Beschäftigten noch im laufenden Jahr abbauen. Und auch die DAK-Gesundheit hat in den vergangenen Jahren bereits kräftig Personal abgebaut.

Entsprechend unaufgeregt kommentiert denn auch die Konkurrenz die Umbaupläne der Barmer GEK. „Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind seit zehn Jahren bekannt“, sagt Andreas Vogt, Chef der Landesvertretung der Techniker-Krankenkasse in Baden-Württemberg. Die Kommunikationskanäle änderten sich, die technische Verfügbarkeit von Dokumenten ändere sich ebenfalls. Vor diesem Hintergrund müsse man an die eigenen Strukturen ran und gewisse Aufgaben zentralisieren.

Stellt sich die Frage, warum die Barmer GEK eher spät dran ist mit ihren Reformen. Für den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem liegt das auch an der Fusion zwischen der früheren Barmer und der früheren GEK zum 1. Januar 2010. Die neue Großkasse habe den Zusammenschluss erst verdauen müssen, um sich dann auch im Kundengeschäft besser aufstellen zu können. Tatsächlich hatte Kassenchef Straub in einem ersten Schritt in den beiden ehemals selbstständigen Kassenzentralen in Wuppertal (Barmer) und Schwäbisch Gmünd (GEK) kräftig umstrukturiert, Aufgaben neu verteilt und Kompetenzen gebündelt. Schon dabei fielen 400 Stellen weg.

In Schwäbisch Gmünd schlug die Nachricht, dass der Umbau nun in der Fläche weitergeht, trotz dieser Vorzeichen „wie eine Bombe ein“, berichtet am Montag ein Insider. Die Erfahrungen mit der Fusion seien überwiegend negativ, bilanziert er. Von einem Zusammenschluss gleichberechtigter Partner könne keine Rede sein. Die Barmer mache die Preise. Das sei auch deshalb ärgerlich, da die GEK immer schon schlank und kundenorientiert aufgestellt gewesen sei.