Zu viel Bargeld unerwünscht: Die Bundesregierung wirbt bei Käufen für eine Obergrenze von 5000 Euro Foto: fotolia

Darf man die Bar-Einkäufe von Verbrauchern beschränken? Die Bundesregierung wirbt dafür. Verbraucher- und Datenschützer lehnen die Obergrenze strikt ab.

Stuttgart - Kürzlich hatte Alexander von Hofen einen Kunden aus China in seinem Geschäft in der Stuttgarter Innenstadt zu Besuch. Dieser war von den Preziosen aus der Schmuck- und Uhrenwelt so begeistert, dass er den Kauf mit mehr als 15 000 Euro in bar beglich. Geht es nach der Bundesregierung in Berlin, müsste der Stuttgarter Händler auf Einnahmen wie diese künftig verzichten – insofern Kunden den Einkauf nicht mit der Karte begleichen wollen. 5000 Euro könnte die Obergrenze für die Zahlung mit Bargeld betragen. Damit sollen vor allem die Finanzströme von Terroristen ausgetrocknet werden. Denn für diese, so die Argumentation, sei Bargeld ein wichtiges Vehikel für die Terror-Finanzierung.

Von Hofen fällt es schwer, in seinen Kunden mögliche Terroristen zu sehen. Wer viel Geld für Uhren oder Schmuck ausgebe, der schätze sinnliche Erfahrungen – und sei es, das Stück mit Scheinen zu bezahlen. „Das ist doch der ursprüngliche Tauschgedanke des Geldes“, sagt von Hofen. Eine Obergrenze für Barzahlungen lehnt er ab. „Das ist eine totale Entmündigung der Bürger. Es muss doch jedem selbst vorbehalten sein, wie er zahlen möchte.“

Das sieht man beim Handelsverband Baden-Württemberg genauso. „Die Bürger werden unter Generalverdacht gestellt“, sagt die Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit der Kunden, so zu zahlen, wie sie zahlen wollen, und für den Handel ein unnötiges Hindernis.“ Auch sie befürchtet Umsatzverluste für die Händler der Region. „Im Süden kaufen viele Schweizer und Franzosen ein. Ein Bargeld-Limit könnte abschrecken, den einen oder anderen Einkauf zu tätigen.“

In zwölf europäischen Ländern gilt bereits die Obergrenze

Die Kunden vieler europäischer Länder sind allerdings eine Obergrenze bereits gewohnt. So gilt etwa in Spanien seit 2012 bei Barzahlungen ein Limit von 2500 Euro, sofern einer der an einem Geschäft Beteiligten Unternehmer oder Freiberufler ist. Kann der Zahler nachweisen, dass er in Spanien steuerlich nicht veranlagt und kein Unternehmer ist, gilt eine Obergrenze von 15 000 Euro. In Italien gilt seit diesem Januar eine Begrenzung von 3000 Euro, zuvor waren es 1000 Euro. Die Anhebung soll Dienstleistungen in der wichtigen Tourismusbranche erleichtern. Zehn weitere europäische Staaten haben eine Obergrenze eingeführt.

Die Befürworter in Deutschland führen den Kampf gegen die Kriminalität zu Felde. Man könne Schwarzarbeit, Drogengeschäfte, Geldwäsche und Steuerhinterziehung leichter überwachen, denn diese müssten über elektronische Kanäle abgewickelt werden. Bargeld gilt zudem als wichtiges Vehikel für die Terror-Finanzierung.

Zu den Kritikern zählen auch Daten- und Verbraucherschützer. „Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, um einen Verdächtigen zu finden. Ich befürchte, dass es für Kriminelle und Terroristen Mittel und Wege geben wird, das Bargeld-Limit zu umgehen“, sagt Landesdatenschützer Jörg Klingbeil. „Letztlich ist das Wasser auf die Mühlen der Terroristen, wenn wir immer mehr Freiräume aufgeben.“ Und noch etwas stößt Klingbeil auf: Die Freiräume des Bürgers, sich unregistriert und unbeobachtet zu bewegen, würden immer kleiner. Das Bargeld-Limit würde dazu beitragen, dass Behörden und Unternehmen das Verhalten der Bürger immer detaillierter analysieren könnten, sagt der Datenschützer – und warnt: „Wir geben leichtfertig unsere Freiräume auf.“

Verbraucherschützer warnen vor der absoluten Kontrolle der Verbraucher

Auch Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband warnt mit drastischen Worten: „Der Einstieg in den Ausstieg vom Bargeld öffnet das Tor für eine absolute Kontrolle der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wer kauft wann was zu welchem Preis an welchem Ort? In Zeiten von Big Data gibt es keinen besseren Datenschutz als bares Geld.“ Das Recht auf anonymes Einkaufen müsse deshalb berücksichtigt werden.

Unterstützung bekommt Müller aus der Kreditwirtschaft, die eigentlich ihre Kunden auf die kostengünstigere Zahlung per Karte einstimmt. „Bargeldtransaktionen mit Banken unterliegen schon heute nach dem Geldwäschegesetz eindeutigen Regeln, die auf der EU-Geldwäsche-Richtlinie beruhen. Die Regelung zur Identifizierung bei Bargeschäften sind aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft völlig ausreichend“, sagt ein Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft, einem Zusammenschluss von Bankenverbänden. „Einen zusätzlichen Handlungsbedarf sehen wir in diesem Punkt nicht.“

Gerade die Deutschen hängen an Schein und Münze. Während etwa Schweden und Dänemark ihren Zahlungsverkehr radikal digitalisieren, zahlen die Menschen hierzulande nach wie vor vor allem bar: Bei 79 Prozent der Transaktionen, wie die Bundesbank anhand Daten von 2014 errechnet hat. Gut die Hälfte (53 Prozent) der Umsätze im Einzelhandel wird mit Bargeld abgewickelt.

Von Hofens Kunde zahlt jetzt nur noch in bar

Das hat auch von Hofen erfahren. Kürzlich erzählte ein Kunde, weshalb er die Bank gekündigt hatte. Er hatte einen Porsche gekauft – und sein Bankberater ihm zum Kauf gratuliert. „Kunden wollen nicht, dass ein Dritter sie bei einem Geschäft beobachtet“, sagt von Hofen. Die Erfahrung hatte den Kunden offensichtlich geprägt. Der Kunde bezahlte in von Hofens Geschäft seinen letzten Einkauf erstmals nicht mit Karte, sondern in bar.