Im Gegensatz zu normalen Wäldern dürfen Bannwälder nicht bewirtschaftet werden Foto: dpa

Unberührte Waldgebiete dürfen nicht genutzt werden, sichern aber vielen Arten Überleben.  

Stuttgart - Der Wald, so wie Gott ihn schuf: Davon wollen Naturschützer viel mehr haben. Doch Waldgebiete, in denen jegliche Nutzung verboten ist, bleiben die Ausnahme. Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern - die Landesregierung steckt in einem Dilemma.

Morsche Baumstämme liegen kreuz und quer auf dem Waldboden. Geschwächt sind sie vom Alter, gezeichnet von Vögeln und Insekten, die hier jahrelang genistet haben. Moos wuchert am Boden, Farne schmücken das Bild vom unberührten Naturidyll. So könnte sie aussehen, die Idealvorstellung von einem Bannwald.

Viele Menschen bekommen weder das eine noch das andere je zu sehen: weder die Idealvorstellung noch den Bannwald. Denn wilde Wälder, wie sie der Naturschutzbund (Nabu) nennt, sind Mangelware. 1,4 Millionen Hektar Wald gibt es im Südwesten, gerade mal 8858 davon sind Bannwälder. Die Landesregierung betont zwar, mit diesem Wert liege man deutschlandweit an der Spitze. Doch von ihrem selbst gesteckten Ziel ist die Landesregierung noch weit entfernt. Das Ziel heißt Verdopplung dieser Fläche. Doch wann soll das erreicht sein? Immerhin hat die Bannwaldfläche in den vergangenen vier Jahren abgenommen. Diese Frage stellt nun die Grünen-Abgeordnete Gisela Splett in einem Landtagsantrag. Bei der Ausweisung von Waldschutzgebieten handle es sich um eine "Daueraufgabe", antwortet das Landwirtschaftsministerium. Deshalb bestehe "keine Notwendigkeit einer Zielvereinbarung".

Es muss mehr Bannwälder geben

Diese Zielvereinbarung könnte verbindlicher ausfallen, ginge man nach den Plänen der Bundesregierung in Berlin. Die hat vor wenigen Jahren eine "Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt" verabschiedet. Darin heißt es: Bis zum Jahr 2020 müsse der Anteil der Bannwälder am Gesamtwald fünf Prozent betragen. In Baden-Württemberg beträgt der Anteil zurzeit 0,63 Prozent.

Die Forstwirtschaft und damit die Landesregierung steckt in einem Dilemma. Sie will zwar den Natur- und Artenschutz im Wald vorantreiben. Gleichzeitig soll aber auch das Holz genutzt werden - als Rohstoff. Dafür müssen Bäume fallen. Mehr Bannwälder auszuweisen wäre in dieser Hinsicht also kontraproduktiv. Nicht so beim Naturschutz. Denn viele Tier- und Pflanzenarten gedeihen prächtig in einem Wald, der so wachsen darf, wie er will. Zudem stehen Bannwälder auch für unzerschnittene Landschaften. Nicht durchzogen von Straßen und Wegen. Und genau diese Art von Landschaften benötigen viele Wildtiere. Sie wollen ungehindert umherstreifen können. So wie die Wildkatze, die allmählich wieder heimisch wird im Südwesten. Vor kurzem erst wurden Haare der Katze gefunden: am westlichen Albtrauf. Forscher der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg haben vor einigen Monaten zehn Wildkatzen mit Sendern ausgerüstet, um zu sehen, wo die Tiere überall unterwegs sind. Das erste Zwischenergebnis: Die Tiere legen jeden Tag Unmengen von Kilometern zurück. Ein weiteres Argument für unzerschnittene und geschützte Landschaften. Das Landwirtschaftsministerium verweist in diesem Streitpunkt auf sein Alt- und Totholzkonzept im Staatswald. Danach sollen alte Bäume besonders geschützt werden. Sie bieten eine Heimat für unzählige Waldbewohner: Käfer, deren Larven, andere Insekten, Würmer, Kriechtiere, Pilze, Flechten und Moose. "Das Alt- und Totholzkonzept des Landes ist eine gute Sache", lobt Nabu-Landeschef Andre Baumann. Doch er sagt auch: Das Land will Geld verdienen mit dem Wald, auf dem Holzmarkt lassen sich zurzeit gute Gewinne erzielen. Von einer "Baumfälleuphorie" haben andere Naturschützer immer wieder gesprochen.

Touristiker werben für einen Nationalpark

Doch wer an Bannwälder denkt, sollte nicht nur Naturschutz und Wirtschaftlichkeit im Kopf haben. Wilde Wälder dienen auch als Erholungsgebiete, als Anziehungspunkt für Touristen. Wie das Ministerium diese Punkte bewerte, fragt Grünen-Politikerin Splett. "Wohlfahrtswirkungen von Wildnisgebieten" seien statistisch nicht erfasst, antwortet das Ministerium, eine "umfassende wissenschaftliche Bewertung" sei nicht bekannt.

Deutlicher in der Wortwahl wird da Andreas Braun, der Geschäftsführer der Tourismus-Marketing GmbH (TMBW). Braun bezeichnet sich selbst als "glühenden Anhänger" von Nationalparks. Ein Nationalpark ist sozusagen die große touristische Version des Bannwalds. Der Park wird aber nicht sich selbst überlassen. Wenn es sein muss, greift der Mensch ein. "Der möglichst ungestörte Ablauf der Naturvorgänge in ihrer ursprünglichen Form" müsse gewährleistet sein, heißt es im Naturschutzgesetz. "Ein solcher Nationalpark wäre eine weltweit starke Marke", sagt Braun. Mehr noch: Ein Nationalpark wäre ein "touristischer Magnet". Doch von diesem Magnet fühlen sich viele Akteure immer noch abgestoßen - unter ihnen die Landwirte. In einem Nationalpark müssten etliche Landwirte ihr Land bewirtschaften. Ihnen würde die Lebensgrundlage genommen, sagen viele. Und so steckt die Landesregierung auch bei diesem Thema in einem Konflikt. Sie würde zwar gerne einen Nationalpark ausweisen - doch nur, wenn die betroffene Region ihre volle Unterstützung zusage. Touristiker Braun hält den Südschwarzwald, den Nordschwarzwald und den Schönbuch für geeignete Flächen. Brauns Begeisterung für geschützte Naturgebiete kommt nicht von ungefähr. Erst kürzlich hat die TMBW ihre neue Werbekampagne vorgestellt - mit der mehr Gäste in Land geholt werden sollen. "Wir sind Süden", heißt das Schlagwort im Landesgelb gehaltenen Logo. Im Fokus steht die Natur. Trotzdem setzt die TMBW auf einen Themenmix aus Natur, Kultur, Genuss und Sich-Wohlfühlen. In enger Zusammenarbeit mit der Bahn und dem Naturschutzbund (Nabu) will die TMBW den Südwesten als Natur-Erlebnisland in Stellung bringen. Entworfen hat die 180000 Euro teure Werbelinie die Agentur Nofrontiere Design aus Wien. 30 Agenturen hatten sich beworben - die Ideen der Österreicher gefielen der Jury am besten.