Kabarettist Christoph Sonntag wirbt über der A 8 bei Leonberg für eine entspannte Fahrweise Foto: Leif Piechowski

Im ersten Halbjahr 2014 sind in Baden-Württemberg 22 Menschen mehr bei Verkehrsunfällen gestorben als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das ist der Landesregierung zu viel – und dem Kabarettisten Christoph Sonntag auch.

Leonberg - „Das ist das Bundesland, das die wenigsten Nachteile hat“, sagt Christoph Sonntag und bringt damit seine Liebe zu Baden-Württemberg in einer Art auf den Punkt, die dem Kabarettisten eigen ist. Ein Nachteil, der Sonntag zu Baden-Württemberg einfällt, ist die Atmosphäre auf den Autobahnen zwischen A 5 und A 7, A 6 und A 8. „In diesem schönen Land ist der Verkehr dazu da, um von A nach B zu kommen“, findet der 52-Jährige, „wenn jemand da einen Unfall hat oder stirbt, ist das nicht akzeptabel.“

Doch es passiert, und neuerdings auch wieder häufiger: Im ersten Halbjahr 2014 stieg die Zahl der Unfälle mit Personenschaden in Baden-Württemberg um fast zehn Prozent auf gut 17 000 an. Die Zahl der Verletzten kletterte um fast neun Prozent auf rund 22 600, die Zahl der Toten von 199 auf 221 sogar um elf Prozent. Den größten Anteil an den vielen Unfalltoten haben laut Innenminister Reinhold Gall die Motorradfahrer, von denen in den ersten sechs Monaten 58 starben und damit 87 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2013. Nach Angaben Galls haben mehr als drei Viertel ihren Unfall selbst verursacht.

Das geht nicht nur Motorradfahrer Sonntag zu weit, sondern auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der mit dem Kabarettisten am Freitag auf einer Feldwegbrücke über die A 8 zwischen Leonberg und Rutesheim eine Kampagne für mehr Fairness und Rücksicht im Straßenverkehr startet. 74 Banner mit mahnenden Worten prominenter Baden-Württemberger hängen jetzt über den Autobahnen im Land.

„Die Hauptursachen für Unfälle sind zu hohe Geschwindigkeit und zu dichtes Auffahren“, sagt Hermann. Zu mehr Sicherheit und weniger Unfällen werde man nur mit einer anderen „Fahrkultur“ kommen. „Erst wenn die Menschen die Straße nicht mehr als Kampfplatz sehen und entspannter und verantwortungsvoller fahren, wird sich etwas ändern“, meint der Minister. Er hofft auf die Argumente und die Glaubwürdigkeit von Sonntag, Regina Halmich, Dieter Thomas Kuhn, Christina Obergföll, Natalia Wörner sowie der Comedy-Truppe Eure Mütter.

Winfried Hermann weiß, dass es bei einem solchen Vorhaben nicht mit ein paar Transparenten und Schildern an Rastanlagen getan ist. Die 80 000 Euro teure Kampagne ist nur ein Mosaikstein eines Verkehrssicherheitskonzepts von vier Ministerien mit mehr als 90 Einzelprojekten. Dazu gehören laut Hermann die Verschärfung von Tempolimits an Unfallschwerpunkten ebenso wie die Entfernung von Hindernissen am Fahrbahnrand oder auch Sicherheitstrainings für Fahrradfahrer. Die Anzahl der Schwerverletzten bei Fahrradunfällen ist im ersten Halbjahr um 27 Prozent, die Zahl der Toten um 16 Prozent angestiegen. Dabei spielen Pedelecs und Senioren eine große Rolle. „Ältere tragen kategorisch keine Helme“, sagt der Minister und will diese aufklären.

Christoph Sonntag plädiert in Sachen Geschwindigkeitskontrollen – das Land investiert 1,5 Millionen Euro in neue Lasergeräte – für Augenmaß. „Wenn an Unfallstellen geblitzt wird, finde ich das super“, sagt er, „aber es muss nicht jede Kommune eine Gemeindehalle so finanzieren.“