Für das Attentat auf einen Bandenchef in Zuffenhausen 2023 hat das Landgericht das Urteil vertagt – und für einen Angeklagten ein Geburtstagspräsent.
Kein Happy Birthday, kein Geburtstagsständchen – und doch hat die 14. Jugendstrafkammer des Landgerichts am Montag ein Präsent parat. Zum 22. Geburtstag bekommt einer der drei Angeklagten einen überraschenden Bonus für das bewaffnete Attentat in Zuffenhausen im März 2023 präsentiert. Obwohl die Plädoyers gehalten sind, gibt die Kammer einen rechtlichen Hinweis, die das Mitglied einer der beiden Schüsse-Cliquen vom Vorwurf des versuchten Mordes bewahren würde. Er sei zwar dabei gewesen, als auf den verfeindeten Bandenchef in Zuffenhausen geschossen wurde – aber ohne nachweisbare Tötungsabsicht. Nur der Älteste im Trio habe gezielt gefeuert. Und damit geht der Prozess in die nächste Verlängerung.
Die Sache mit dem befangenen Schöffen
Es ist ein langes, teils spektakuläres Verfahren für die Vorsitzende Richterin Verena Alexander, deren Kammer sich seit neun Monaten mit der Welt zweier verfeindeter multiethnischer Gruppierungen beschäftigt. Seit mindestens Sommer 2022 hatten die Cliquen, im Kern hervorgegangen aus der kurdisch geprägten verbotenen Straßengang Red Legion, auch Schusswaffen eingesetzt. Trauriger Höhepunkt: das Handgranaten-Attentat auf dem Friedhof in Altbach (Kreis Esslingen) im Juni 2023. Das Landeskriminalamt führt eine Liste mit fast 550 Namen, Führungsleute und Mitläufer der Gruppierung Zuffenhausen/Fasanenhof/Göppingen und den Gegnern aus dem Bereich Esslingen/Plochingen/Ludwigsburg.
Womöglich war der Auslöser für Altbach zuvor der Angriff der Esslinger am 17. März 2023 im Norden Stuttgarts. Ein mutmaßliches Führungsmitglied der Zuffenhausen-Clique, ein zur Tatzeit 32-Jähriger aus der einstigen kurdischen Red-Legion-Szene, war in der Burgunderstraße auf dem Weg zum Stammlokal seiner Kumpane – als um 21.08 Uhr Schüsse krachten. Offenbar zwei Angreifer hatten den Mann ins Visier genommen. Er überlebte den Anschlag nur knapp, sitzt aber seither querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Offensichtlich mussten die Gegner deshalb schnell flüchten, weil aus den Reihen der Zuffenhausen-Gang gefeuert wurde. Über diesen Schützen wird bis heute eisern geschwiegen.
Aber nicht nur das Schweigen der Szene machte der Kammer um Richterin Alexander zu schaffen. Ein ehrenamtlicher Schöffe torpedierte im November 2024 am fünften Verhandlungstag unfreiwillig das Verfahren, als er sich während einer Zeugenbefragung mit seinem Handy beschäftigte – eine Missachtung der richterlichen Pflicht, die zu einem Befangenheitsantrag und einem Neustart im Januar 2025 führte. Dabei musste sich die 14. Kammer mehrfach mit Beweisanträgen der Verteidigung auseinandersetzen, die eine Abhöraktion gegen einen der Beschuldigten als Beweismittel für rechtswidrig hält.
Nach dem rechtlichem Hinweis des Gerichts am Montag könnte der älteste der drei Angeklagten den Hauptbeitrag geleistet haben: ein heute 22-jähriger Deutscher aus Plochingen, wegen illegalen Waffenbesitzes vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn eine Einheitsjugendstrafe von neun Jahren gefordert. Während dessen mutmaßliche Tatwaffe nie gefunden wurde, konnte eine andere eingesetzte Schusswaffe bei dem Jüngsten des Trios in Ludwigsburg sichergestellt werden. Im Keller hinter einer Waschmaschine. Dieser Deutsche kurdischer Herkunft ist am Montag 22 Jahre alt geworden – und der Staatsanwalt hätte für ihn gerne ein Geburtstagspräsent von acht Jahren Einheitsjugendstrafe geschnürt. Doch die Kammer mit Richterin Alexander sieht das nun ganz anders. Er habe doch nur in die Luft geschossen.
Der 22-Jährige wird wieder zurückkehren
Für den frisch gebackenen 22-Jährigen geht der Prozess nun weiter. Es ist übrigens nicht sein einziges Verfahren im Stuttgarter Landgericht. Seine Verurteilung zu drei Jahren vier Monaten Haft als einer der Angreifer auf den Handgranaten-Attentäter von Altbach ist vom Bundesgerichtshof (BGH) kassiert worden. Sowohl Verteidiger als auch Ankläger hatten Rechtsfehler beklagt. Dieses Altbacher Verfahren muss für ihn nun noch einmal aufgerollt werden.
Auch wegen der versuchten Lynchjustiz in Altbach sitzt der dritte 22-Jährige in Haft, für vier Jahre und zehn Monate. Immerhin dürfte für ihn nichts obendrauf kommen: Vom Vorwurf, die Tatwaffe von Zuffenhausen entsorgt und Strafvereitelung begangen zu haben, sehen den jungen Türken sowohl Staatsanwalt als auch Verteidigung in ihren Plädoyers entlastet. So was ließe sich feiern – auch wenn der Geburtstag dieses Inhaftierten bereits ein paar Wochen zurückliegt.