Tödliche Schüsse im Oktober 2024 in Göppingen bewiesen die hohe Gewaltbereitschaft der verfeindeten Cliquen. Foto: SDMG/Kern

Zwei Mitglieder der Göppinger Fraktion der verfeindeten Schüsse-Banden sind in Stuttgart zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Werden sie ausgewiesen?

Der Sonderstab Gefährliche Ausländer, für Abschiebungen zuständig, dürfte das Urteil mit Interesse registrieren: Das Landgericht Stuttgart hat zwei 25 und 31 Jahre alte Angehörige einer schießwütigen multiethnischen Gruppierung am Freitag zu Freiheitsstrafen zwischen zweieinhalb Jahren und dreieinhalb Jahren verurteilt. Unter anderem sollen die kurdischen Iraker einem Schuldner aus den eigenen Reihen eine „Kugel in den Kopf“ angedroht haben, sollte er nicht zahlen. Der 25-Jährige gilt Ermittlern als „relevantes Führungsmitglied“ der Zuffenhausen/Göppingen-Gruppe – und war selbst offenbar nur wegen einer Verwechslung einem tödlichen Maschinenpistolen-Attentat in einer Göppinger Bar im Oktober 2024 entgangen.

 

Die beiden Angeklagten sind für den Sonderstab und speziell das Regierungspräsidium Karlsruhe von Interesse, weil sich die kurdischen Flüchtlinge aus dem Irak eigentlich nur mit einer Duldung im Land aufhalten – gleichwohl aber seit Jahren mit Gewalt-, Diebstahls-, Drogen- und Waffendelikten auffällig wurden und hinter Gittern saßen. Der 31-Jährige, nach seiner Einreise 2016 bis heute ohne Schulabschluss oder Berufsausbildung, ist seit 2019 ausreisepflichtig – aber immer noch da. Der Sonderstab und die Regierungspräsidien sollen Abschiebungen vorantreiben.

Mit falschen Pässen als Bulgare oder Italiener nach Mallorca

Dass der 31-Jährige, in seinen Kreisen gerne als „guter Beschützer“ und Bodyguard eingesetzt, trotz fünf Vorstrafen von Körperverletzung über Drogen bis illegalen Waffenbesitz nie fürchten musste, zu seiner Familie mit acht Geschwistern im Irak zurückgebracht zu werden, hat das Justizministerium jüngst auf Anfrage so erklärt: „Die Rückführung des Betroffenen war bisher aufgrund fehlender Reisedokumente und Vorgaben des Herkunftslandes zur Ausstellung von Passersatzpapieren und Rückführungen nicht möglich.“ Sobald das geklärt sei, „wird die Rückführung des Betroffenen durchgeführt werden“. Aber auch nach dem Urteil sagt das Ministerium: „Es liegt noch kein Reisedokument vor.“

Für das Duo dagegen war die Sache mit Pässen offenbar kein Problem. Der 25-Jährige, genannt Locke, der sich im obersten Führungskreis der Zuffenhausen/Göppingen-Gruppierung bewegte, machte sich mit falschen Dokumenten zu einem Bulgaren mit Vornamen Stefan, reiste mitunter nach Mallorca. Der 31-Jährige firmierte mit gefälschtem Pass als Mustafa unter italienischer Flagge, als er im Januar dieses Jahres mit zwei Komplizen auf der Autobahn auf der Fahrt zum Prager Flughafen festgenommen wurde. Die Polizei kannte ihn schon als Waffenverkäufer – dabei war er im Mai 2024 in Stuttgart-Wangen an verdeckte Ermittler geraten.

Göppinger "Opfer" will Bedrohung nur erfunden haben

Auch dieser Prozess der 18. Strafkammer unter der Vorsitzenden Richterin Kathrin Lauchstädt hat gezeigt, dass die Opfer der Bandenumtriebe zumeist kein Interesse an polizeilichen Ermittlungen haben. Der 25-Jährige, der da 5000 Euro zahlen oder „eine Kugel in den Kopf“ bekommen sollte, wollte als Zeuge vor Gericht gar nichts sagen. Das Aussageverweigerungsrecht stand ihm die Kammer zu. Womöglich hätte er sonst ein Drogendelikt gestehen und sich selbst belasten müssen.

Ganz wichtig war dem polizeibekannten Opfer aber doch die Feststellung, dass er von den Angeklagten überhaupt nicht bedroht worden sei. Seine Verlobte ergänzte, dass er sie mit seiner aufgeregten Sprachnachricht, die von der Polizei später sichergestellt wurde, belogen habe. Das habe er wegen seiner ständigen Schulden öfter gemacht. „Er hat immer gelogen, um an Geld zu kommen.“ Für die Anklage war die angebliche Lüge aber eher gelogen. Dafür habe der Geschädigte zu authentisch, zu eindrücklich, zu aufgewühlt geklungen.

Dreieinhalb Jahre für Göppinger Bandenchef "Locke"

Die dreieinhalb Jahre Haft für den 25-Jährigen, genannt "Locke", liegen deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die fünf Jahre und fünf Monate gefordert hatte. Aber aber auch deutlich über der Forderung der Verteidigung, die eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten für ausreichend gehalten hatte. Bei dem 31-Jährigen sind zwei Jahre und sechs Monate Haft angesagt, die Anklage hatte drei Jahre gefordert, die Verteidigung weniger als zwei Jahre. Wie lange er die Haft verbüßt, ist unklar. Ohne Reisedokument keine Abschiebung.