Innenminister Horst Seehofer (CSU) soll nach ihrem Willen im Innenausschuss des Bundestages nicht hinter verschlossenen Türen aussagen. Foto: dpa

In der Asyl-Affäre erwarten die Parteien von Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bamf-Chefin Jutta Cordt klare Antworten. Werden diese ausreichen, um einen Untersuchungsausschuss abzuwenden?

Berlin - Die Grünen dringen in der Affäre um unrechtmäßige Asylbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Transparenz. Innenminister Horst Seehofer (CSU) soll nach ihrem Willen im Innenausschuss des Bundestages nicht hinter verschlossenen Türen aussagen. „Wir werden beantragen, dass die Sitzung heute öffentlich stattfindet“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz am Dienstagmorgen.

Bisher ist geplant, dass sich Seehofer und Bamf-Präsidentin Jutta Cordt am Nachmittag in einer nicht-öffentlichen Sondersitzung des Innenausschusses erklären. Die Abgeordneten wollen wissen, wie es sein konnte, dass in der Bremer Außenstelle der Behörde offensichtlich über Jahre positive Asylbescheide ohne rechtliche Grundlage erteilt wurden. Danach dürfte sich entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird. Nach der FDP und der AfD wollen das auch die Grünen und die SPD nicht mehr ausschließen.

Hintergrund ist ein Ermittlungsverfahren gegen die ehemalige Bamf-Leiterin in Bremen. Unter ihrer Ägide sollen zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Ausländer unrechtmäßig Asyl erhalten haben. Zu den weiteren Beschuldigten gehören auch Anwälte und ein Dolmetscher. Die Vorfälle in Bremen haben die Aufmerksamkeit auch auf andere Außenstellen der Behörde gerichtet, in denen die Schutzquoten für Asylbewerber stark vom bundesweiten Durchschnitt abweichen.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warnte Seehofer

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel warnte Seehofer. Er müsse „glaubwürdig aufklären, wann er von welchen Vorgängen Kenntnis erlangt hat“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Dienstag). „Wenn Herr Seehofer die Aufklärung so gar nicht voranbringt, kann man die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Ultima Ratio nicht mehr ausschließen.“

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Renate Künast (Grüne), sagte dem Nachrichtenportal „watson.de“: „Bei uns ist die Tür grundsätzlich immer offen für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, weil er das Werkzeug der Opposition ist.“

FDP und AfD hatten sich schon zuvor für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ausgesprochen. „Die Strukturen des Bamf müssen auf den Prüfstand“, sagte FDP-Chef Christian Lindner der „Passauer Neuen Presse“ (Dienstag). Wenn jetzt nicht aufgeklärt werde, spiele das der AfD in die Hände.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, rief Seehofer auf, auch im eigenen Ministerium nach Fehlern zu suchen. „Es wäre ja völlig falsch, so zu tun, als würden wir die Probleme nicht schon seit langer Zeit kennen“, sagte sie am Dienstag im Bayerischen Rundfunk. CDU-Obmann Armin Schuster forderte SWR, die Erregungskurve „wieder runterzufahren“.

Auch der heutigen Behördenchefin Cordt wird eine Mitschuld zugewiesen

Beschäftigte des Bundesamtes machten die frühere Behördenleitung für fehlerhafte Asylentscheide mitverantwortlich. Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 sei der Druck auf die Asylentscheider groß gewesen, möglichst rasch den Berg von Asylanträgen abzuarbeiten, sagte der Chef des Hauptpersonalrats, Rudolf Scheinost, der Deutschen Presse-Agentur.

Damals lagen beim Bamf bis zu 1,4 Millionen Anträge. Grundsätzlich litten Entscheidungen aus dieser Zeit darunter, dass der damalige Behördenleiter Frank-Jürgen Weise die Entscheider angehalten habe, „Schnelligkeit über Sorgfalt und Qualität“ zu stellen, sagte Scheinost.

Weise wies die Kritik zurück. „Die Aussage des Personalrats ist der durchsichtige Versuch, zu alten Strukturen zurückzukehren“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Der „Welt“ sagte er, es „würden sich noch immer hunderttausende Anträge im Bamf stapeln“, wenn man die Schlagzahl der Behörde nicht erhöht hätte.

Scheinost und sein Vize Paul Müller wiesen auch der heutigen Behördenchefin Cordt eine Mitschuld zu. Viele Mitarbeiter hätten „kein Verständnis“, dass es nach Bekanntwerden der Affäre in der Bremer Bamf-Außenstelle es offensichtlich am Willen zur Aufklärung ebenso mangele wie am Willen, nötige Konsequenzen zu ziehen, heißt es in einem Schreiben des Gesamtpersonalrats an Cordt, das der dpa vorliegt. Sie möge klarstellen, „dass für die berechtigte Kritik der Öffentlichkeit an der Arbeit des Bundesamtes nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich sind“. Über den Brief hatten zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Bild“-Zeitung berichtet.