Michael Ballweg freut sich über den Vorschlag der Kammer. Foto: Lichtgut/Julian Rettig (Archiv)

Nach Ansicht des Gerichts ist im Verfahren gegen den „Querdenker“ Michael Ballweg nicht viel nachzuweisen. Daher schlägt die Kammer die Einstellung vor. Trotzdem geht es nun weiter.

Nach 26 öffentlichen Verhandlungstagen im Mammutverfahren gegen den „Querdenker“ Michael Ballweg haben die Verfahrensbeteiligten vergangene Woche 70 Minuten lang hinter verschlossenen Türen gesprochen. Die Vorsitzende Richterin schlug dabei vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Ballweg muss sich wegen der Vorwürfe des versuchten Betrugs und der versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

 

Michael Ballweg, Ex-IT-Unternehmer und Erfinder der „Querdenken“-Bewegung, hätte am Montag das Gericht also verlassen können, ohne verurteilt zu werden, wie es der der Paragraf 153, Absatz 2, der Strafprozessordnung ermöglicht – aber auch ohne Freispruch. Hat er aber nicht. Denn die Staatsanwaltschaft hat der Verfahrenseinstellung nicht zugestimmt. Die Anklagebehörde hält eine Verurteilung weiterhin für wahrscheinlich. Also mussten am Montag weitere Zeugen aussagen und auch die vorsorglich bis zum 2. Oktober 2025 angesetzten Verfahrenstermine bleiben im Sitzungskalender der 10. Großen Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart.

Es geht auch um Verfahrensökonomie

Die Prognose der Kammer habe nicht bedeutet, dass die Beweisaufnahme schon abgeschlossen ist, erläutert Timur Lutfullin, der Pressesprecher des Landgerichts. Es geht bei Verständigungsgesprächen wie der rund 70-minütigen Unterhaltung darum, dass die Kammer andeutet, was sie aufgrund der bisher erhobenen Beweise für wahrscheinlich hält. Ein Freispruch oder eine Verurteilung aufgrund dieser bislang erhobenen Beweise sei aber nicht möglich. Es gehe beim Vorschlag der Einstellung auch um Verfahrensökonomie, sagte der Gerichtssprecher. Immerhin sei der Prozess mit viel Aufwand verbunden. Aus Sicht des Gerichts steht das nicht im Verhältnis zum zu erwartenden Urteilsspruch.


Der 50-jährige Michael Ballweg muss sich wegen der Vorwürfe des versuchten Betrugs und der versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Beim versuchten Betrug geht es um Geld, das er nach Auffassung der Staatsanwaltschaft für die von ihm gegründete Gruppe „Querdenken 711“ eingeworben habe, zum Teil aber für sich verwendet habe. Nach Auffassung des Gerichts lässt sich nach der bisherigen Beweisaufnahme Ballweg der Vorwurf des versuchten Betrugs voraussichtlich nicht nachweisen. Bei rund 380 000 Euro sei etwa schlicht nicht nachweisbar, was mit dem Geld passiert sei, so ein Gerichtssprecher. Von den Vorwürfen der Steuerhinterziehung bliebe womöglich nur ein kleiner Restbetrag übrig, der im Bereich zwischen ein paar Euro und rund 2000 Euro liege. Bei beiden Delikten sieht das Gericht es als Problem an, den Vorsatz nachzuweisen. Nach Auffassung der Kammer gebe es wenig Aussicht, dass sich das noch erhärten lasse.

Mit Blick auf die Vorwürfe der versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung hätten Ballwegs Steuerunterlagen seinem langjährigen Steuerberater vorgelegen, so das Gericht. Da Ballweg ihn aber nicht von der Schweigepflicht entbunden habe, könne auch nicht aufgeklärt werden, warum der Berater diese Unterlagen nicht beim Finanzamt eingereicht habe. Ballweg habe zu dem Zeitpunkt in Untersuchungshaft gesessen, was die Kommunikation weiter eingeschränkt habe, so der Sprecher. Das Verfahren hatte Anfang Oktober 2024 begonnen. Im Sommer 2022 waren die Vorwürfe gegen Ballweg bekannt geworden. Damals wurde er festgenommen und kam anschließend wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft – wo er neun Monate blieb. Es hieß, Ballweg habe geplant, Deutschland zu verlassen.