Sehr finster: In Ludwigsburg ist die São Paulo Companhia de Dança zu Gast gewesen.
Ludwigsburg - Ein Vorgeschmack auf das neue Programm des Stuttgarter Balletts bot sich Tanzfreunden am Wochenende in Ludwigsburg. „Nachtstücke“ gibt es von Freitag an im Stuttgarter Schauspielhaus;sehr finster war auch das, was die São Paulo Companhia de Dança für ihre aktuelle Tournee eingepackt hat. Fast kam man sich im Ludwigsburger Forum beim Gastspiel der Brasilianer vor, als sei man in einen Energiesparabend geraten, so knapp war das Bühnenlicht dosiert.
Nur ein paar Lichtkegel gönnt Edouard Lock seinen Tänzern. Der Kanadier ist auf einem ganz anderen Weg verblüffenderweise bei einer ähnlich konzentrierten Ästhetik angelangt wie der Stuttgarter Haus-Choreograf Marco Goecke, der ebenfalls schon für die Brasilianer choreografierte. Nervös, mit nachdrücklichen Gesten lässt Lock 13 Tänzer für seine 2014 entstandenen „The Seasons“ im Dunkel agieren. Doch wo Goecke seelische Verformungen in kleinteiligem Tanz abbildet und vom Geworfensein in ein Leben voller Abgründe erzählt, wirken Locks Tänzer nur selten wie Getriebene. Dann geraten sie, die Damen auf Spitze zuckend, für einen Moment bedrohlich nah an den Rand eines Lichtkegels, dann wird ihr Innehalten zu einer Zeit des Zögerns und der Zweifel. Meist jedoch wirkt Locks hypernervöse Bewegungssprache ästhetisch raffiniert und blutleer. Getanzt wird zu Gavin Bryars Vivaldi-Impressionen, statt auf einen Wechsel der Jahreszeiten ist der Tanz auf ewigen Winter abonniert. Auch wenn es „The Seasons“ dramaturgisch an Strenge fehlt: Die kühle Präzision der Tänzer ist verblüffend.
Noch mehr beeindruckten das Publikum allerdings die beiden Stücke, die das brasilianische Temperament der Tänzer brodeln ließen: Clébio Oliveira zeigt in „Céu Cinzento“ ein Paar, das die Liebe so blind gemacht hat, dass die beiden auf labyrinthischen Wegen kaum zueinander finden. Jomar Mesquita schließlich steigert in „Ngali . . .“ die Begegnung eines Paars zu einem tollen Gruppenstück, das von Liebe und Eifersucht, von Betrug und Enttäuschung erzählt. Brasilianische Klänge und südamerikanische Tanzmotive sorgen für kuriose Körper- und Beziehungsknoten.