Michael Ballack ist im DFB-Trainingslager auf Sizilien angekommen. Foto: dpa

Michael Ballack über seine Enttäuschung, seine Pläne und eine Entschuldigung von Boateng.

Sciacca - Nach dem WM-Aus reiste Michael Ballack, der verletzte Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft dennoch ins DFB-Trainingslager auf Sizilien. Der 33-Jährige will in der neuen Saison wieder als Profi angreifen, lässt seine Pläne mit der Nationalelf aber offen: „Ich muss das alles sacken lassen, neu sortieren, neu bewerten“, sagte Ballack am Dienstag in Sciacca.

Haben Sie schon realisiert, das die letzte WM-Chance für Sie vorbei ist?

Ballack: „Noch nicht ganz. Ich versuche natürlich, jetzt den Blick nach vorn zu richten. Ich habe in den vergangenen zwei Tagen viele Genesungs-Wünsche bekommen von Freunden und Fans. Das gibt mir Kraft und hilft über die schwierigen Situation. Wenn die WM losgeht, wird es sicher noch mal schmerzvoller werden.“

Wie sehen jetzt Ihre Pläne aus?

„So bitter es ist, es geht weiter. In der neuen Saison werde ich zurück sein und wieder angreifen. So habe ich es nach Verletzungen immer gehalten. Die Zeit bei der WM als Zuschauer wird natürlich hart werden.“

Könnte auch Ihr Karriere-Ende drohen?

„Nein. So schlimm ist es nicht. Es ist eine Innenbandverletzung und ein Teilanriss des Syndesmosebandes. Vier Wochen Gips ist die bestmögliche Behandlung, aber dann geht es zügig voran. Der Zeitpunkt der Verletzung ist das, was alles überschattet.“

Sind sie nach der WM wieder an Bord Richtung EM 2012?

„Es ist jetzt alles noch zu früh. In ein, zwei Tagen kann ich jetzt nicht alles bewerten. Ich muss das alles sacken lassen, neu sortieren, neu bewerten. Ich muss gesund zurückkommen, das ist das Wichtigste. Und wenn ich wieder auf dem Platz stehe nach sieben, acht Wochen werde ich wieder hohe Ziele haben. Ich hatte mich voll auf die WM eingestellt, danach wollte ich alles ohnehin neu bewerten. Das werde ich jetzt genauso in Ruhe machen.“

"Ich will kein Mitleid"

Wie erleben Sie hier das Trainingslager in Sizilien?

„Wichtig ist, dass ich bisschen Ablenkung habe. Ich will jedoch kein Mitleid. Sondern ich will auch positive Signale setzen. So schwer wie es ist für mich, aber das gibt mir auch Kraft.“

Wie können Sie der Mannschaft helfen?

„Ich bin Kapitän, ich habe viele Jahre Erfahrung in der Nationalmannschaft und die will ich in diesen Tagen weitergeben. Ich weiß, was eine Vorbereitung bedeutet. Jeder Spieler ist wichtig. Natürlich gibt es Irritationen, wenn eine Stütze ausfällt. Aber man muss jetzt so schnell wie möglich den Blick nach vorne richten. Da ist es das Beste, wenn ich hier bin. Dass die Jungs jetzt nicht das Ziel aus den Augen verlieren.“

Wie wollen Sie Einfluss nehmen?

„Es gibt immer wieder lockere Gespräche. Die Familien sind dabei, auch meine. Aber ich will auch zuschauen, bei der einen oder anderen Trainingseinheit dabei sein. Ich möchte den Jungs das Gefühl geben, dass der Kapitän weiter an Bord ist.“

Werden Sie trotz der Verletzung einmal nach Südafrika kommen?

„Es gibt viele Optionen für mich. Der erste wichtige Schritt war, dass ich jetzt mit der Mannschaft zusammen bin. Wie der weitere Ablauf für mich ist, weiß ich noch nicht. Das wird mit von meinem Gesundheitszustand abhängig sein. Meiner Genesung werde ich alles unterordnen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, werde ich aber sicher mal nach Südafrika fliegen.“

Der verletzte David Beckham wird mit England als Co-Trainer zur WM mitfahren, wäre das auch eine Rolle für Sie?

„Nein, das kommt für mich nicht infrage. Ich bin jetzt verletzt, und auch wenn ich Kapitän bin, muss die Mannschaft ohne mich zurecht kommen.“

"Ich bin nicht der Sportler, der nachkartet"

Trauen Sie Bastian Schweinsteiger zu, in Ihre Fußstapfen zu treten?

„Es ergibt sich jetzt natürlich eine neue Situation für den Trainer und die Mannschaft. Bastian ist ein Spieler, dem ohnehin eine große Rolle zugefallen wäre bei der WM. Er hatte ein gutes Jahr. Es wird natürlich jetzt noch mehr auf ihn geschaut. Aber ich halte ihn absolut für stabil genug, dass er diese Rolle gut ausfüllt.“

Wie groß ist noch die Wut auf das Foul und Kevin-Prince Boateng?

„Die Verärgerung ist natürlich riesengroß. Das bewerten sollen andere. Es bringt auch nichts.“

Boateng sagt, er habe sich schon auf dem Platz zweimal entschuldigt?

„Das stimmt nicht.“

Würden Sie eine Entschuldigung annehmen?

„Ich bin nicht der Sportler, der nachkartet. Da ist eine Aussage vom Vater ins Spiel gekommen, die diese Aktion noch zuspitzt. Das ist für mich völlig unverständlich und unbegreiflich. Ich habe keine Beziehung zu dem Spieler und weiß gar nicht, was in dessen Kopf vorgeht.“

Haben Sie mit Jérome Boateng gesprochen?

„Ja, kurz. Ich möchte nochmals ausdrücklich betonen, Jérome ist zwar der Halbbruder, aber die ganze Geschichte hat überhaupt nichts mit ihm zu tun. Ich hoffe, dass da auch nichts in der Öffentlichkeit hängen bleibt. Ich wünsche Jérome, dass er in den kommenden Wochen gute Leistungen bringt. Er ist ein guter Spieler. Wir brauchen ihn, weil er ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist. Er hat die volle Unterstützung.“

Was muss passieren, damit die Mannschaft auch ohne Sie eine gute WM spielen kann und auch einige K.o.-Spiele überstehen kann?

„So schwarz darf man jetzt nicht sehen, wenn ein Spieler ausfällt. Die Nationalmannschaft hat auch ohne mich schon gute Spiele gemacht, daran müssen sich jetzt alle orientieren. Es gibt nicht nur mich in Deutschland, es gibt viele andere gute Fußballer, die hier zusammen sind. Unser Team wird eine gute WM spielen, davon bin ich fest überzeugt. Was jetzt wichtig ist: Man muss mein Fehlen schnell abhaken.“

"Bei mir zählt jetzt erstmal nur Chelsea"

Wird die Rehabilitation beim FC Chelsea laufen?

„Davon gehe ich im Moment aus. Klar, der Vertrag läuft jetzt aus. Wir werden uns jetzt unterhalten. Chelsea ist mein erster Ansprechpartner. Ich hab viel Zeit, mir Gedanken zu machen. Natürlich ist so eine Verletzung bitter, aber hat keine Bedeutung, was meinen neuen Vertrag betrifft. Ich gehe davon aus, dass ich wieder voll einsatzfähig und belastbar bin, wenn die Saison beginnt.“

Wenn es nicht klappt mit Chelsea, wäre ihre erste Option dann die englische Liga oder die Bundesliga?

„Da möchte ich jetzt nicht spekulieren. Nochmals: Bei mir zählt jetzt erstmal nur Chelsea. Ich gehe davon aus, dass ich verlängere.“