Seit gut drei Monaten verbindet die private österreichische Westbahn Stuttgart umsteigefrei mit Wien. Landesverkehrsminister Winfried Hermann hofft auf mehr Angebot auf der Schiene zwischen den europäischen Metropolen.
Ist es der Vorführeffekt? Just jener Zug der privaten österreichischen Westbahn, den Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Stuttgart in Empfang nehmen möchte, verspätet sich an diesem Montagnachmittag. Doch Bahnfan Hermann kann das nicht aus dem Konzept bringen. Er überbrückt die Wartezeit und veranstaltet eine Umfrage unter den wartenden Fahrgästen: Wohin geht die Reise, und wie viel wurde für die Fahrkarten fällig?
Zug statt Flug
Der Landesverkehrsminister, qua Amt für den Regionalverkehr und nicht für den Fernverkehr auf der Schiene zuständig, erklärt den ungewöhnlichen Termin an der Bahnsteigkante. „Ich freue mich über jede neue Direktverbindung zwischen den großen Städten Europas.“ Auch wenn er als Aufsichtsrat des Stuttgarter Flughafens auch die Belange der Luftfahrt im Auge behalten müsse, so begrüßt er doch Entwicklungen wie jene zwischen Stuttgart und Paris, wo durch drastisch geschrumpfte Reisezeiten auf der Schiene das Flugzeug nur noch eine untergeordnete Rolle spiele.
Gleiches kann sich Hermann auch in Richtung der österreichischen Hauptstadt vorstellen. Die ist bisher von Stuttgart ohne Umstieg mit dem Nachtzug, mit einem Fernzug, der allerdings recht umwegig via Bodensee und Arlberg unterwegs ist und mit einem durch die Nacht fahrenden Intercity zu erreichen. Seit Mitte Dezember mischt in diesem Segment nun auch die Westbahn mit. Die private österreichische Bahngesellschaft ist längst über die namensgebende Strecke zwischen Wien und Salzburg hinausgewachsen. Winfried Hermann sagt, dass er mit seinem Besuch am Bahnsteig dieses neue Angebot auch bekannter machen möchte. Die gut sechseinhalb Stunden, die die Züge von Stuttgart in die österreichische Hauptstadt benötigen, hält Hermann für eine „akzeptable Reisezeit“.
Dass es gerade in Richtung Süddeutschland dafür einen Markt gibt, unterstreicht Andreas Haidenthaler, Konsul für Handelsangelegenheiten. Der Mann vom österreichischen Generalkonsulat in München ist aus dem mit mittlerweile rund 20 Minuten Verspätung in Stuttgart angekommenen Zug gestiegen. Die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg rangieren unter den Top 5 der Handelspartner der Alpenrepublik. „In den beiden Bundesländern leben rund 150 000 Österreicherinnen und Österreicher“, sagt Haidenthaler. Es gebe vielfältige Verflechtungen, die ein entsprechendes Verkehrsbedürfnis auslösten. Und privat kommt Haidenthaler das neue Angebot auch zupass. Sein Bruder lebe in Stuttgart.
Westbahn mit Resonanz zufrieden
Mit in Stuttgart angekommen ist auch Westbahn-Geschäftsführer Thomas Posch. Bis kurz vor Wendlingen sei alles gut gegangen, dann habe man einem verspäteten ICE der Deutschen Bahn den Vortritt lassen müssen – was dann zur Verspätung führte. Man sei aber „trotz aller betrieblichen Unzulänglichkeiten“ überzeugt von der neuen Verbindung. In den ersten knapp drei Monaten habe man rund 30 000 Fahrgäste zwischen Stuttgart und München sowie in der Gegenrichtung verzeichnet. „Wir liegen deutlich über unseren Erwartungen“, sagt Posch. Nachgefragt seien vor allem die Langstreckentickets und weniger Fahrscheine im deutschen Binnenverkehr. Die Durchgängigkeit der Verbindung hält man bei der Westbahn für ein entscheidendes Kriterium. Mit einem Umstieg in München ist man in etwa gleich schnell von Stuttgart nach Wien – vorausgesetzt, der Zugwechsel klappt in der bayerischen Landeshauptstadt. Wer dieses Risiko meide, fahre mit der Westbahn.
Hermann fordert weitere Verbindungen
Seit dem jüngsten Fahrplanwechsel im Dezember vergangenen Jahres sind nicht nur die neuen Verbindungen nach Wien dazugekommen. Auch nach Amsterdam kommen Bahnreisende nun einmal am Tag umsteigefrei von Stuttgart aus. Für Winfried Hermann nur ein Anfang: Der Minister wünscht sich vor allem auch eine Verbindung nach Brüssel – „und zwar eine stabil funktionierende“, wie er nachschiebt. Das aktuelle Angebot mit einem Umstieg, der häufig nicht klappe, stellt ihn nicht zufrieden. „Im Grunde genommen hat Europa genau die richtige Größe, dass die meisten großen Städte mit einem guten Zugangebot verbunden werden können.“