Die Zahl der Zugausfälle bei der S-Bahn Stuttgart ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Die Fahrgäste der S-Bahn Stuttgart erfahren deren Unzuverlässigkeit häufig im Alltag. Nun zeigen neue Zahlen der Bundesregierung das ganze Ausmaß der Misere.

Mehr als 1,4 Millionen Kilometer, die sie eigentlich hätten durch die Region rollen sollen, sind S-Bahnen im zurückliegenden Jahr nicht gefahren. Das geht aus Zahlen des Bundesverkehrsministeriums hervor, die die Behörde jetzt auf Nachfrage des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel vorgelegt hat.

Stillstand wächst deutlich an

Damit hat sich der Stillstand gegenüber dem Vorjahreszeitraum bei der S-Bahn fast verdoppelt. Im Jahr 2021 sind rund 774 000 Kilometer nicht gefahren worden. Damit hält ein Trend an, der spätestens 2019 einsetzte, als die Stillstandszahlen von 181 000 auf 408 000 Kilometer hochschnellten. „Die Deutsche  Bahn,  aber  auch  der  Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger für die S-Bahn in unserer Region, liefen sehenden Auges in dieses Dilemma hinein. Es wurde zu spät und mit zu geringer Entschlossenheit gehandelt“, sagt Matthias Gastel. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion sieht die Fehler in der Vergangenheit liegen.  „Viel  früher hätte bei der Infrastruktur gegengesteuert werden müssen. Es hätte in höherem Tempo saniert und erneuert werden müssen“.

Tatsächlich war die S-Bahnflotte im Jahr 2022 mit etwas mehr elf Millionen Kilometer weniger unterwegs als in den Jahren 2020 (11,1 Millionen Kilometer) und 2021 (11,3 Millionen Kilometer). Der Bundestagtsabgeordnete Gastel erkennt an, dass die Bahn gegenzusteuern versucht und lobt etwa die Bemühungen des Staatskonzerns, neues Personal zu gewinnen.

Die S-Bahn Stuttgart hat tatsächlich gerade keinen Lauf. S-Bahn-Chef Dirk Rothenstein bat öffentlich für die Verhältnisse um Entschuldigung. Der Kotau erfolgte allerdings zu einer Zeit, als noch nicht bekannt war, welche Einschränkungen die Bahnprojektgesellschaft Stuttgart-Ulm den Fahrgästen zumutet, um neue Technik im Großraum Stuttgart einzubauen. Von Ende April an werden vorübergehend verschiedene Streckenabschnitt teilweise oder ganz gesperrt. Einen ersten Ersatzfahrplan hat die Bahn kürzlich vorgelegt.

Aber auch ohne diese Hiobsbotschaft sind die Probleme bei der S-Bahn offenkundig. Vor den Regionalräten hatte Dirk Rothenstein nochmals detailliertere Zahlen vorgelegt. So sind die fahrzeugbedingten Ausfälle bei den Zugkilometern vom Jahr 2021 aufs Jahr 2022 um 92 Prozent angestiegen. Die Zahl der Ausfälle, die auf die Personalsituation zurückzuführen sind, blieb hingegen nahezu gleich.

Hoffen auf Restrukturierungen bei der Bahn

Matthias Gastel baut darauf, dass die auch von seiner Partei getragene Ampel-Koalition in Berlin die Weichen richtig stellt. Er nennt unter anderem die beschlossene Neuausrichtung der Bahninfrastruktursparte, die künftig nicht mehr gewinnorientiert arbeiten soll. Er setzt auch darauf, dass die Ausgaben für die Schiene deutlich steigen werden.

Einen Investitionsschwerpunkt beim Nahverkehr wünschen sich auch 39 Prozent der beim Baden-Württemberg-Check der Tageszeitungen im Land befragten. Ins Straßennetz wollen 24 Prozent bevorzugt investieren.