Nach dem Erdrutsch sind die Gleise verbogen. Foto: Thomas Warnack/dpa

Die Dämme und Einschnitte bei der Eisenbahn sind eine offene Flanke für extreme Unwetter. Das haben Unfälle der vergangenen Jahre gezeigt. Was tut die Deutsche Bahn gegen das Risiko?

Das schwere Zugunglück bei Riedlingen ist nicht der erste Fall im Südwesten, bei dem ein Erdrutsch zu einer gefährlichen Situation geführt hat. Anfang Juni 2024 wurde bei Schwäbisch Gmünd auf der Strecke von Aalen nach Stuttgart durch heftige Gewittergüsse ein Erdrutsch mit einer Breite von 30 Metern ausgelöst. Die Erdmassen trafen zwei Waggons eines gerade vorbei fahrenden ICE und ein Auto. Der Zug entgleiste, kippte aber nicht um. Die 185 Menschen im ICE blieben zum Glück unverletzt, obwohl der Zug in diesem Streckenabschnitt sogar etwas schneller unterwegs war wie der Triebwagen in Riedlingen.

 

Im Juni 2024 auch Erdrutsche in der Region Stuttgart

Ganz in der Nähe hat dasselbe Unwetter damals Teile einer kompletten Bahnlinie, der Wieslauftalbahn, zwischen Schorndorf und Rudersberg, demoliert. Auch auf der S-Bahn-Linie S 4 zwischen Backnang und Marbach sorgte dieser Gewittersturm für einen massiven Erdrutsch und eine monatelange Teil-Unterbrechung der Strecke.

In den letzteren beiden Fällen waren zu dem Zeitpunkt keine Züge in dem betreffenden Abschnitt unterwegs, sodass es bei Sachschäden geblieben ist. Zuvor war im Jahr 2021 das Unwetter im Ahrtal ein Menetekel. Die dortige Ahrtalbahn wurde auf Dutzenden von Kilometern so massiv beschädigt, dass der Wiederaufbau erst im Dezember diesen Jahres abgeschlossen sein wird.

Viele Hänge und Dämme bei der Bahn

Die Bahn ist dabei ein Verkehrsmittel, das sehr viele Dämme, Einschnitte und Überquerungen von Wasserläufen braucht. Das hat damit zu tun, dass Züge geringere Steigungen vertragen und deshalb Bahnstrecken aufwendiger trassiert werden müssen als Straßen. Hänge und Dämme hat die Bahn dabei immer im Blick. Der Streckenzustand wird regelmäßig inspiziert.

Wenn also auf Bildern aus Riedlingen deformierte Gleise zu sehen sind, dann war das sicher eine Folge des Unglücks und nicht seine Ursache. Deshalb passt der Unfall auch nicht in das zurzeit viel diskutierte Stichwort einer maroden Bahn-Infrastruktur, sondern er lenkt den Blick auf extreme Wetterereignisse. Aktuell ist offenbar auch ein Wasserschacht im Visier, der eine Komponente gewesen sein könnte.

Schon heute aufwendige Sicherung

An besonders gefährdeten Stellen an Bahnstrecken, wie man sie etwa auf der Geislinger Steige an der Bahnlinie zwischen Stuttgart und Ulm sehen kann, sind ganze Hänge mit Beton verkleidet und mit Verankerungen versehen. Das wurde in den vergangenen Jahrzehnten an immer mehr Abschnitten gemacht.

Aber so wie wie jetzt im Ahrtal, wo eine ganze Strecke im Blick auf den Klimawandel und mögliche extreme Unwetter ganz neu konzipiert wurde, ist das für das ganze 39 000 Kilometer lange Bestandsnetz der Eisenbahn in Deutschland unrealistisch.

Gibt es kein Warnsystem?

Aber warum gibt es nicht Warnsysteme, damit Züge bei Hindernissen rechtzeitig bremsen? Auch wenn Lokführer natürlich ihre Strecke immer genau beobachten und bei Hindernissen abzubremsen versuchen, fahren Züge generell nicht auf Sicht, sondern nach Signalisierung. Der Bremsweg, um zu reagieren, ist nämlich zu lang. Bei der Bahn bräuchte es also streckenbezogene und nicht fahrzeuggebundene Warnsysteme.

Es gibt heute schon Systeme, die erkennen, wenn beispielsweise ein Zug nach einem Unfall auf der Strecke steht. Ein anderer Zug, der dem verunglückten Regionalexpress hinterhergefahren oder begegnet wäre, wäre also auf der eingleisigen Strecke vor der Einfahrt in den Streckenabschnitt also rechtzeitig gestoppt worden.

Möglich wäre es rein theoretisch Warndetektoren, an gefährdeten Stellen einzurichten. Dies gibt es etwa in der Schweiz an besonders gefährdeten Stellen. Aber bei diesen teuren Einrichtungen geht es um einige exponierte, große Steilhänge in den Alpen, nicht um Strecken wie jetzt in Oberschwaben.

Bei Sturm hat die Bahn schon den Betrieb eingestellt

Ironischerweise ist der Deutschen Bahn bei ihrer Reaktion auf riskante Wetterlagen in den vergangenen Jahren eher Übervorsicht vorgeworfen worden. So stellt das Unternehmen viel früher als andere Bahnen bei Sturmwarnungen großflächig den Bahnverkehr ein. So geschehen etwa erst vor wenigen Tagen in Berlin.  

Hier sind vor allem umgestürzte Bäume im Blick, die in der Regel weniger gefährlich sind als Erdrutsche. Da sie nicht die Wucht haben, Gleise zu verformen, entgleist ein Zug deshalb in der Regel nicht. Mit Blick auf die Sicherheit und den Klimawandel rodet die Deutsche Bahn inzwischen wieder intensiver die Grünstreifen rechts und links der Gleise, nachdem sie dies für einige Jahre aus Ersparnisgründen reduziert hatte. Aber auch hier stößt sie für diesen Eingriff in die Natur immer wieder auf Proteste.

Kleinteilige Wetterwarnungen sind komplex

Die Option bei sich anbahnenden Gewittern Züge langsamer fahren zu lassen, um Unfallfolgen zu mindern, gäbe es durchaus. Doch im Gegensatz zu großflächigen Orkanstürmen, wäre dies extrem komplex. Ab welcher Wetterwarnung, in welchem Gebiet, würde man das vorsorglich anordnen? Zudem war der Zug in Riedlingen nach ersten Auswertungen mit etwa 80 Stundenkilometer nicht besonders schnell unterwegs.

Dabei steht die Deutsche Bahn letztlich vor derselben Herausforderung wie andere Bereiche der Infrastruktur in Deutschland: Wie können wir angesichts der wachsenden Risiken durch den Klimawandel dort resilienter werden?