Seit April ist Geduld gefragt: Der Weg am Waiblinger Bahnhof führt für Bahnreisende in Richtung Stuttgart noch mindestens fünf Wochen über einen Busersatzverkehr. Foto: Gottfried Stoppel

Auch die zweite Bauphase am digitalen Knoten wird mit einer Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt verbunden sein. Bis 29. Juli werden Pendler und Reisende weiter auf Ersatzbusse umsteigen müssen.

Am späten Nachmittag hat die Deutsche Bahn (DB) in einer offiziellen Pressemitteilung bekannt gegeben, was ohnehin jeder befürchtet hatte. Auch die zweite – oder in der Lesart der Bahn vierte – Bauphase zur Umstellung des Bahnknotens Stuttgart auf die digitale Zugsicherungstechnik, die am 9. Juni beginnen soll, wird nur mit einer Vollsperrung der Strecke zwischen Waiblingen und Stuttgart bewältigt werden.

Umfangreiche Arbeiten im Bereich des Bahnhofs Bad Cannstatt ließen auch in diesem Zeitraum keinen unterbrechungsfreien Zugbetrieb von und nach Waiblingen zu, lässt die Bahn verlauten. Als Ersatz sollen auf der Strecke weiterhin Busse im Fünf-Minuten-Takt unterwegs sein. Neu hinzu komme eine weitere Busverbindung zwischen Bad Cannstatt und Esslingen-Mettingen.

Fahrplanmanager entschuldigt sich

Parallel zum Versenden der Pressemitteilung haben sich DB-Fahrplanmanager Rüdiger Weiß und S-Bahn-Chef Dirk Rothenstein der Kritik im Verkehrsausschuss des Rems-Murr-Kreistags gestellt. Natürlich sei insbesondere in der Kommunikation nicht alles optimal gelaufen, räumte Weiß in der Sitzung in Waiblingen ein, „und ich entschuldige mich ausdrücklich dafür“.

Aber: Was die Bahn derzeit in der Region Stuttgart mache, gebe es in der Dimension „auf der ganzen Welt noch nicht“, betonte der Koordinator. „Und weil es dafür keine Blaupause gibt, waren wir vor der ein oder anderen Überraschung leider nicht ganz gefeit.“

Für den digitalen Knoten müssten mehr als 1200 Kilometer neue Leitungen verlegt und 151 Weichen und Kreuzungen verbaut werden. Zudem müsse man wegen des noch nicht mit digitaler Technik ausgerüstetem Güterverkehrs parallel auch noch analoge Systeme vorhalten. Allerdings sei den Verantwortlichen erst im Januar klar geworden, dass der Umbau nicht ohne Vollsperrungen vonstattengehen könne.

Warum kein ausschließliches Arbeiten in der Nacht?

Hätte man aber nicht wenigstens zu den Hauptverkehrszeiten Züge fahren und vornehmlich nachts arbeiten lassen können? „Dann bräuchten wir dreimal so lange“, sagte Rüdiger Weiß. Der Zeitplan sei schon so äußerst eng gestrickt. Schließlich soll der digitale Knoten zur mittlerweile angepeilten Eröffnung von Stuttgart 21 bis Ende 2025 komplett einsatzbereit sein.

Auch eine Verschiebung in die Sommerferien wäre aus seiner Sicht keine Option gewesen. Zwei Sperrungen gleichzeitig wären nicht zu stemmen. Zumal dazu nicht genügend Bauarbeiter zur Verfügung stünden.

Bei der Kritik an dem nach Einschätzung einiger Räte noch nicht rund laufenden Ersatzverkehr bittet Weiß um ein wenig Geduld. Noch nie habe ein Ersatzverkehr von der ersten Minute an völlig reibungslos funktioniert. Und erst recht in einer Größenordnung wie dieser brauche es zwei, drei Tage, bis sich alles einspiele. „Ich finde eigentlich“, sagt Weiß, „dass es schon recht gut läuft.“

Warum sind keine regionalen Busse im Einsatz?

Warum die dazu rekrutierten rund 90 Busse fast ausschließlich auswärtige Kennzeichen haben, darüber kann Weiß nur spekulieren. Vermutlich hätten heimische Unternehmen bei einer entsprechenden Ausschreibung nicht die richtigen Angebote abgegeben. Doch von einer Ausschreibung weiß der Weinstädter Kreisrat und Omnibusunternehmer Markus Dannenmann nichts. Und angesprochen worden sei seines Wissens ebenfalls kein regionaler Betreiber.

Zeit zum Einfahren werden die rund 240 rekrutierten Busfahrer noch haben, schließlich werden sie nun verbrieft noch bis Ende Juli benötigt. Die vierte Sperrphase werde in Waiblingen ähnlich überbrückt wie die aktuelle, erläuterte Weiß, versprach aber, Anregungen für Verbesserungen mitzunehmen. Der Backnanger SPD-Landtagsabgeordnete Gernot Gruber etwa hatte eine Aufstockung der Murrbahn-Regionalzüge, die den Umweg über Marbach nach Backnang nehmen, ins Spiel gebracht.

Als Nächstes kommt die S-Bahn-Stammstrecke dran

Und danach? Auch wenn der Abschnitt zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt zum 29. Juli wieder offen sein soll, wird in den Sommerferien die sogenannte S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße neu verkabelt, und im Herbst ist der Bereich Vaihingen/Flughafen/Böblingen an der Reihe. Zumindest indirekt davon betroffen werden auch die Linien S2 und S3 sein, die im Rems-Murr-Kreis verkehren. Sprich: Mit einer Rückkehr zu einem verlässlichen Viertelstundentakt ist wohl frühestens Ende des Jahres zu rechnen.

Dass es aber auch unabhängig von den Sperrungen immer wieder „Riesenprobleme“ mit den S-Bahn-Linien gegeben habe, wie der Plüderhausener CDU-Kreisrat und Bahnpendler Ulrich Scheurer monierte, muss am Ende auch der ansonsten im Verkehrsausschuss eher wortkarge Dirk Rothenstein einräumen. Viele „externe Bedingungen“ hätten dem S-Bahn-Verkehr in jüngster Zeit „das Leben schwer gemacht“ sagte der Vorsitzende der Geschäftsleitung und nannte eine hohe Störanfälligkeit der Fahrzeuge, deren teilweise ungenügende Kompatibilität sowie Softwarefehler als Beispiele. Wann sich alles wieder einrenken werde, ließ er hingegen offen: „Wir arbeiten dran.“

Landrat Richard Sigel hingegen betonte in Richtung der ÖPNV-Manager: „Entschuldigung angekommen und angenommen“ – jetzt aber müsse die Bahn „alles tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“.

Sperrungen
Die Deutsche Bahn hatte am 10. März angekündigt, ab 21. April bis Ende Juli im Bereich Waiblingen/Bad Cannstatt sowie im zweiten Halbjahr 2023 im Bereich Vaihingen/Flughafen/Böblingen phasenweise Gleise und Strecken zusätzlich zur bekannten Sperrung der S-Bahn-Stammstrecke zu sperren. Der Grund: Kabelarbeiten im Zusammenhang mit dem Ausbau des Digitalen Knotens Stuttgart, die sich laut Bahn umfangreicher gestalteten als zunächst angenommen.

Ersatz
Folgende Buslinien sind zur Überbrückung eingerichtet:- Von Backnang nach Marbach als S4-Ersatz (30-Minuten-Takt) - Von Waiblingen nach Bad Cannstatt mit Zwischenhalten – ohne Sommerrain (5-Minuten-Takt)- Zusätzlich von Sommerrain nach Nürnberger Straße mit Kleinbus (im 10-Minuten-Takt)- Von Waiblingen nach Bad Cannstatt direkt (5-Minuten-Takt) - Von Waiblingen nach Stuttgart (5-Minuten-Takt)- Von Waiblingen nach Esslingen (vorhandene Buslinie X20 wird verstärkt)- Von Bad Cannstatt nach Mettingen (Montag bis Freitag 10-Minuten-Takt, Wochenende 30 Minuten)