Michael Theurer ist der Bahnbeauftragte der Bundesregierung. Foto: dpa

Michael Theurer, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, spricht sich für die große Schienenlösung am Stuttgarter Flughafen aus. Bei der von Landesverkehrsminister Winfried Hermann gewünschten Ergänzungsstation in Stuttgart sieht er andere am Zug.

Stuttgart - Er trägt seit Januar den schönen Titel eines Beauftragten der Bundesregierung für den Schienenverkehr: Michael Theurer (FDP), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Bahnpolitik hat er aber schon als Oberbürgermeister der Stadt Horb gemacht, als er gegen die Defizite an der Gäubahn kämpfte. Das Thema holt ihn nun wieder ein.

 

Herr Theurer, Pünktlichkeitswerte jenseits von Gut und Böse, Milliardenschulden und eine marode Infrastruktur: ist Ihr Amt als Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr ein Albtraumjob?

Es ist vor allem eine große Herausforderung. Pünktlichkeit, Stabilität und Qualität des Schienenverkehrs sind ein Kernanliegen der Ampel-Koalition.

Lässt sich ein Tanker wie die Deutsche Bahn wieder auf Kurs bringen?

Bereits die Vorgängerregierung hat Weichen in Richtung Stärkung des Schienenverkehrs gestellt. Wir wollen den Deutschland-Takt weiter entwickeln. Kurzfristig soll durch rasche Maßnahmen die Kapazität schnell erhöht werden. Ein zentrales Zukunftsprojekt ist für uns die Digitalisierung des Schienenverkehrs. Für die Bundesregierung ist die Schiene aber mehr als die Deutsche Bahn. Beim Netz will die Koalition eine am Gemeinwohl orientierte Gesellschaft schaffen, damit Gewinne nicht mehr an den Konzern abgeführt werden. Die Mittel sollen stattdessen voll in den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert werden.

Wie soll die Kapazität erhöht werden?

Die Digitalisierung ist der zentrale Schlüssel. Stuttgart soll daher auch der erste digitale Schienenknoten werden, in dem der Fern- und Regionalverkehr sowie die S-Bahn unter dem digitalen European Train Control System fahren. Das ist eine riesige Chance, aber auch eine Herausforderung. Experten gehen davon aus, dass die vorhandene Infrastruktur dadurch 20 bis 30 Prozent mehr Kapazität bietet.

Die Digitalisierung allein reicht nicht.

Nein, wir investieren ja auch in den Ausbau, im Land ganz konkret etwa im Rheintal zwischen Karlsruhe und Basel. Das ist eine ausgesprochen wichtige Strecke für uns, wenn es um die Verlagerung von Gütern auf die Schiene geht im Zulauf auf den Gotthardbasistunnel.

Als OB von Horb waren Sie auch Vorsitzender des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodenseebahn und haben sich vehement gegen die Kappung der Gäubahn im Zusammenhang mit dem Bau von Stuttgart 21 ausgesprochen. Ist der Zug da schon abgefahren?

Unter meinem Vorsitz hat der Verband politische Zusagen erwirkt, dass die Gäubahn in den neuen Durchgangsbahnhof geleitet wird. Die Führung der Strecke über die Rohrer Kurve und das dritte Gleis am Flughafen ist integraler Bestandteil des eigenwirtschaftlichen Projekts Stuttgart 21 der Deutschen Bahn. Erschreckt stelle ich jetzt fest, dass dieser Abschnitt weder fertig geplant noch planfestgestellt ist. Es kann also zeitnah nicht gebaut werden. Die bittere Nachricht ist: die Unterbrechung des Fernverkehrs bis zur Fertigstellung lässt sich realistischerweise nicht verhindern. Ich setze mich aber dafür ein, dass die Unterbrechung so kurz wie möglich sein wird.

Eine vorübergehende Alternative wäre die Führung der Züge von Horb via Tübingen, Reutlingen und Flughafen zum Tiefbahnhof. Die Bahn kann sich für diese schon in der Schlichtung zu Stuttgart 21 diskutierte Variante allerdings nicht so recht erwärmen.

Das erfordert massive Investitionen und einen Planungsvorlauf, denken Sie an die dafür notwendige Elektrifizierung zwischen Horb und Tübingen. Die ist Bestandteil eines Elektrifizierungsprogramms der Region Neckar-Alb. Dafür gibt es Finanzierungsmöglichkeiten durch den Bund, etwa durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVFG. Um die ohnehin nötige Elektrifizierung zu beschleunigen, müssten das Land und die Region diese Maßnahme aber höher priorisieren. Ich konzentriere mich darauf, den Kurs, den mein Vorgänger als Parlamentarischer Staatssekretär, Steffen Bilger, eingeschlagen hat, schnellstmöglich zu realisieren.

Sie sprechen vom Gäubahntunnel zwischen Sindelfingen und dem Flughafen?

Der Tunnel wurde als Maßnahme des Deutschland-Takts zusammen mit weiteren Maßnahmen an der Gäubahn auf den Weg gebracht. Das ist offensichtlich verkehrlich die richtige Lösung. Dafür brauchen wir so schnell wie möglich die Planfeststellung. Hierzu bin ich im Gespräch mit den Verantwortlichen der Deutschen Bahn. Aber auch Land, Stadt Stuttgart und Region sind in der Verantwortung, hier eine Lösung zu schaffen. Der Bund hat mit der Aufnahme der Gäubahn in den Deutschland-Takt eine wichtige Voraussetzung geschaffen. Die Maßnahme ist im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans verankert. Realistisch muss man aber davon ausgehen, dass das nicht vor 2030 fertiggestellt sein wird.

Der Tunnel hat es ebenso in den grün-schwarzen Koalitionsvertrag im Land geschafft, wie die von Landesverkehrsminister Winfried Hermann gewünschte unterirdische Ergänzungsstation beim Hauptbahnhof. Sieht der Bund eine Notwendigkeit für diese Station und unterstützt das Vorhaben?

Der Ergänzungsbahnhof wäre eine Sache des Landes. Dafür kann es Bundesprogramme wie das GVFG nutzen.

Bei Stuttgart 21 steht die nächste Kostensteigerung im Raum. Hermann fordert vom Bund, Verantwortung zu übernehmen und schon Alt-OB Fritz Kuhn forderte immer wieder, der Bund müsse etwa im Lenkungskreis des Vorhabens eine aktive Rolle einnehmen. Was tut der Bund?

Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG und keines des Bedarfsplans der Schienenwege des Bundes. Die Verantwortung liegt klar bei der Deutschen Bahn.

Einfluss auf die DB könnte die neue Bundesregierung über den Aufsichtsrat nehmen. Der ist aber noch so aufgestellt, wie vor dem Regierungswechsel. Ziehen Sie in das Gremium ein?

Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung über ihre Vertreter im Aufsichtsrat wahr. Und der verfolgt den Projektverlauf ja auch aufmerksam. Die Neubesetzung der Gremien ist derzeit in Abstimmung in der Regierung. Hierzu kann ich noch nichts Weitergehendes sagen.