ÖPNV-Betreuer Klaus Höfchen geht die Bahnsteige am Bahnhof Zuffenhausen ab und sieht nach dem Rechten. Foto: Rebecca Anna Fritzsche

In unserer Serie „Bahnhofsgeschichten“ waren wir unterwegs mit ÖPNV-Betreuern.

Stuttgarter Norden - Feuerbacher Bahnhof, 8.30 Uhr: Bereits am frühen Morgen brennt die Sonne vom Himmel. Menschen auf dem Weg ins Büro hasten Treppen hinauf, Treppen hinunter, kaufen Kaffee zum Mitnehmen, betreten S-Bahnen oder rennen zum Bus.

An Gleis 1 machen sich Thomas Blank, Klaus Höfchen und Jizchek Aronfeld daran, mit ihrer Arbeit zu beginnen: Sie ziehen ihre Warnwesten an, schnappen sich ihre Ausrüstung, den Eimer, die Müllgreifer, die Putzlappen, die Mülltüten. Und ziehen los – zuerst geht’s mit der S-Bahn an den Nordbahnhof, dann an den Zuffenhäuser und Feuerbacher Bahnhof.

S-Bahnhöfe sollen sauber sein

Bereits in der Anfahrt zum Nordbahnhof schaut Klaus Höfchen aufmerksam aus dem Fenster. „Da ist ein Aufkleber dran, ich hab’s gleich gesehen“, sagt er und deutet auf eine Lautsprecherstange. Als die Bahn hält und die Türen sich öffnen, schaut er sich die Sache aus der Nähe an, während Thomas Blank den Aufkleber in einer Liste notiert. Ein paar Schritte weiter ist ein Hinweisschild kaum mehr lesbar, weil viele der schwarz aufgedruckten Buchstaben fehlen – auch das kommt auf die Liste.

Die drei Männer sind als ÖPNV-Betreuer unterwegs – zu ihren Aufgaben gehört unter anderem, alle Plattformen abzugehen und die S-Bahnhöfe sauber zu halten. Sie entfernen liegen gelassenen Müll, kratzen Kaugummi und andere Unappetitlichkeiten von den Wartebänkchen, überprüfen, ob die Uhren noch gehen, die Bildschirme korrekt die nächsten Abfahrten anzeigen und ob irgendwo Graffiti aufgesprüht worden sind. Eine Mängelliste wird dann an die Deutsche Bahn (DB) geschickt, damit diese sie beheben kann.

Sinnvolle Beschäftigung

Langzeitarbeitslose bekommen sinnvolle Beschäftigung

Seit 2005 besteht das Projekt der ÖPNV-Betreuer des Sozialunternehmens Neue Arbeit und den Kooperationspartnern Verbund Region Stuttgart, DB Station und Service und Verkehrsverbund Stuttgart. Die ÖPNV-Betreuer selbst sind Langzeitarbeitslose, die sich hier als Ein-Euro-Jobber etwas dazu verdienen können. Aber es ist auch viel mehr als das: „Wir können hier den Langzeitarbeitslosen eine sinnvolle Beschäftigung anbieten“, sagt Frank Schröter, der die Betriebsstelle der ÖPNV-Betreuer leitet. „Gleichzeitig soll ihre Arbeit Vandalismus verhindern und dafür sorgen, dass die Bahnhöfe ordentlich aussehen.“

Das ist Schröter ein großes Anliegen: „Wir haben die saubersten Bahnhöfe Deutschlands hier im Raum Stuttgart. Und das ist auch gut so: Ein Bahnhof ist die Eingangstür zur Stadt, der erste Eindruck, den ein Fremder sich machen kann.“ Ursprünglich haben sechs Personen als ÖPNV-Betreuer angefangen, mittlerweile sind es 60. Zeitlich ist die Teilnahme stets auf ein Jahr begrenzt, aber Klaus Höfchen und Thomas Blank sind „Wiederholungstäter“, wie sie sich selbst lachend nennen, also bereits zum wiederholten Male dabei.

Es sammelt sich reichlich Müll an

Auch Erwachsene werfen Müll einfach auf den Boden

Ihnen gefällt es, dass sie eine Aufgabe haben, die sie zu erfüllen haben. Die Bahnhofsreiniger der DB kommen zwar einmal am Tag vorbei, aber es sammelt sich trotzdem immer noch genügend Müll an. „Wenn ich einen Euro für jede Zigarettenkippe hätte, die ich aufhebe“, scherzt Jizchek Aronfeld und muss den Satz gar nicht beenden, um verständlich zu machen, was er meint. Klaus Höfchen weiß: „Es sind ja auch nicht nur Kinder, die etwas achtlos wegwerfen, sondern auch Erwachsene.“ Das können alle drei nicht verstehen – dass jemand etwas auf den Boden wirft oder auf der Wartebank liegen lässt, wenn sich nur zwei Schritte weiter ein Mülleimer befindet. Frank Schröter findet das nicht in Ordnung. „Alle wissen, dass man keinen Müll wegwerfen soll, aber weil es keine Strafen dafür gibt, macht es trotzdem jeder.“

Am Zuffenhäuser Bahnhof entdeckt Jizchek Aronfeld einen verkohlten Haufen Papierreste neben einer Wartebank – es muss wohl jemand gezündelt haben. Sorgfältig kehrt er die schwarzen Fetzen auf. Thomas Blank überprüft währenddessen die Fahrkartenautomaten, kontrolliert den Aufzug und beseitigt auch dort Müll.

Selten Anfragen von Rollstuhlfahrern

Helfer in der Not

Die ÖPNV-Betreuer sind auch Helfer in der Not: Ist jemand mit schwerem Gepäck unterwegs oder mit Kinderwagen, stehen sie zur Verfügung, um bei den Treppen zu helfen. Das ist besonders am Feuerbacher und Zuffenhäuser Bahnhof wichtig: Bei ersterem gibt es keine Aufzüge, bei letzterem gilt es beim S-Bahneinstieg – übrigens wie in Feuerbach auch – einen Spalt zwischen Bahn und Plattform zu überwinden. Trotzdem sagt Frank Schröter: „Es kommt kaum einmal vor, dass wir Rollstuhlfahrern helfen, am Feuerbacher Bahnhof zu den Gleisen zu gelangen.“ Er ist sich sicher, dass diese längst umgeplant haben: „Im Internet gibt es Seiten, auf denen man nachlesen kann, welche Bahnhöfe barrierefrei sind und welche nicht – ich denke, die Rollstuhlfahrer benutzen den Feuerbacher Bahnhof gar nicht mehr, sondern sind auf andere Routen umgestiegen.“

Was um ein Vielfaches häufiger vorkommt, ist, dass die ÖPNV-Betreuer beim Bedienen der Fahrkartenautomaten weiterhelfen. „Das ist gerade für ältere Menschen oft schwierig“, weiß Schröter. „Wenn dann auch noch die Sonne auf den Touchscreen scheint, so dass man nichts sehen kann, geht gar nichts mehr.“ Die ÖPNV-Betreuer bekommen regelmäßige Tarif- und Automatenschulungen, damit sie stets Auskunft geben können.

Das Problem mit der Barrierefreiheit

Neben den ÖPNV-Betreuern gibt es auch die ÖPNV-Begleiter, laut Auskunft der Bahn zwei Mitarbeiter, die ausschließlich am Feuerbacher Bahnhof arbeiten und über die Telefonnummer 81 47 71 33 angefordert werden können. Sie sind dafür zuständig, Reisenden beim Ein- und Aussteigen zu helfen, um das Problem der fehlenden Barrierefreiheit zeitweise zu lösen. „Die Mitarbeiter patrouillieren die Bahnsteige auch, um nachzusehen, ob jemand Unterstützung braucht“, erklärt Frank Schröter. Die Aufgabengebiete der ÖPNV-Betreuer und -Begleiter gehen nahtlos ineinander über: „Wir helfen, wo wir können.“ Allerdings laufen die ÖPNV-Begleiter als befristetes Pilotprojekt voraussichtlich nur noch bis Ende des Jahres, während die ÖPNV-Betreuer kontinuierlich ihren Aufgaben nachgehen werden.

Passanten sind dankbar für die Hilfe

Auch negative Begegnungen mit S-Bahn-Passagieren kommen vor. „Manchmal verstehen die Leute nicht, dass wir die Aufzüge nicht selbst reparieren können, und dann werden wir angepöbelt“, erzählt Jizchek Aronfeld. „Aber wenn wir Koffer tragen helfen, sind die Leute eigentlich immer dankbar.“ Klaus Höfchen findet es schade, „dass niemand mehr Guten Morgen sagt, wenn man die Bahn betritt, das war früher noch anders.“ Thomas Blank sagt: „Es liegt eben an der Erziehung, ob jemand Müll liegen lässt oder die Füße in der S-Bahn auf den Sitz legt.“ Wenn die ÖPNV-Betreuer jemand in flagranti ertappen, wie er Müll wegwirft, sprechen sie ihn darauf an. „Die meisten ziehen einen Flunsch, heben den Abfall aber auf und werfen ihn in den Mülleimer“, berichtet Klaus Höfchen.

Bei Wind und Wetter sind die ÖPNV-Betreuer unterwegs, bei Sommerhitze ebenso wie bei Winterkälte oder Platzregen. „Ich bin froh, dass ich eine Beschäftigung habe“, sagt Klaus Höfchen, dem das Wetter nichts ausmacht. Dann verabschieden sich die drei, nehmen ihre Müllgreifer und besteigen die S-Bahn zum Kornwestheimer Bahnhof. Es gibt immer etwas zu tun.