Der Bahnhof war bereits im 19. Jahrhundert der Motor der Entwicklung der Stadt. Das könnte nun erneut der Fall sein. Foto: factum/Granville


Das Bahnhofcenter wird an diesem Mittwoch offiziell eröffnet. Es ist ein Meilenstein in der Umgestaltung eines Areals, das zwischen Gewerbegebiet und Ortsmitte liegt. Entsprechend viele Erwartungen sind mit der Veränderung verbunden.Franziska Kleiner

Ditzingen - Welch’ große Erwartungen sind an diesen Tag geknüpft, an dem das Ditzinger Bahnhofcenter offiziell seine Türen öffnet. Die Eröffnung der Ladenpassage an diesem Mittwoch soll schließlich der Startschuss sein für so viele Entwicklungen in der Stadt: Der öffentliche Personennahverkehr soll durch das neue Bahnhofsareal gestärkt werden; die scharfe Trennung zwischen Gewerbegebiet jenseits der Schienen und der Kernstadt auf der anderen Seite der Gleise, wenn schon nicht aufgehoben, dann doch wenigstens gemildert werden. Vor allem aber soll die Kaufkraft in der Stadt gehalten werden.

In kaum einer anderen Stadt der Region tragen die Bewohner so viel Geld aus ihrem Ort heraus wie in Ditzingen. Geht es nach den Kommunalpolitikern, sollten die Ditzinger gerne stärker die örtlichen Einzelhändler unterstützen. In dieser Situation kommt es ihnen deshalb gelegen, dass sie durch den umgestalteten Bahnhof und dessen betonte Scharnierfunktion auch all die Beschäftigten ins Zentrum ziehen könnten.

Kaufkraftabfluss mindern

Wer sich schon am Bahnhof aufhält, so die Überlegung, wird im Ort möglicherweise auch andere Waren einkaufen. Der Discounter Lidl, ebenfalls neu am Bahnhof, soll diesem Gedanken entsprechen – ebenso wie der örtliche Buchladen wenige Meter weiter in der Ortsmitte, oder aber das Bekleidungshaus. Dessen Inhaber, Walter Kämpf und sein Sohn, haben das Ladengeschäft jüngst umgebaut und erweitert. Nicht erst seitdem gilt Kämpf als Ankermieter in der Haupteinkaufsstraße. Das Engagement der Einzelhändler geht freilich einher mit dem Bestreben von Gemeinderat und Stadtverwaltung, auch die Marktstraße und die sich anschließende Münchinger Straße aufzuwerten.

Der Straßenzug in der Ortsmitte wird an seinen Endpunkten jeweils betont durch ein hochragendes Gebäude, eines davon beherbergt die Drogeriekette Rossmann. Was war über dieses Haus gestritten worden: Zu hoch, zu wuchtig, zu massiv sei es, meinten die Kritiker, die – wenn auch nicht allesamt vom Gegenteil überzeugt – inzwischen weitgehend verstummt sind. Und doch erinnerten sie vor wenigen Monaten abermals daran, als über ein weiteres Bauprojekt in der Ortsmitte, wenige Meter entfernt, kontrovers diskutiert wurde. Gleich hinter dem Rathaus sollen kleine, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandene Wohnhäuser weichen, zu Gunsten eines großen, verdichteten Wohnkomplexes. So setzt sich in der Ortsmitte eine Entwicklung fort, die am Bahnhof keinen stört: Ditzingen wird zur Großen Kreisstadt. Die Stadt wird dem gerecht, was sie auf dem Papier schon lange ist.

Sicher, nicht alles, was sich die Ditzinger für die Ortsmitte vorgenommen haben, können sie im Zuge des Bahnhofsumbaus realisieren. Die Glemsterrassen etwa harren ihrer Umsetzung. Die Pläne sind gemacht, um den Fluss innerorts belebbar zu machen. Doch für das 1,3 Millionen Euro teure Projekt fehlt das Geld.

Ein „Jahrhundertprojekt“

Auch am Bahnhof selbst wird nicht alles sein, wie es für das Jahrhundertprojekt, wie es angesichts der Dimensionen zwischenzeitlich genannt wurde, vorgesehen war. Für die Gestaltung des letzten städtebaulichen Filetstücks – so hat es der damalige Stadtbaumeister bezeichnet – hatten sich nicht ganz so viele Architekten und Investoren beworben, wie vermutet. Statt eines Hotels werden nun in einem zentralen, hoch aufragenden, markanten Gebäude Wohnungen errichtet. Die machbare Gebäudedimension sei zu klein, um ein Hotel wirtschaftlich zu betreiben, lautete die Begründung für die Abkehr von den ursprünglichen Plänen.

Im Bahnhofenter selbst hätte zudem der eine oder andere gerne andere Ladenketten gelesen. Doch die großen Marken sagten ab – zu nah sind ihre eigenen Filialen in Ludwigsburg, Leonberg und Böblingen. Sie hätten sich sonst selbst die Kundschaft abspenstig gemacht. Und der seitherige Aufzug muss stehen bleiben, weil sich die Bahn jede Veränderung hätte teuer bezahlen lassen. So läuft das Ditzinger Bahnhofsgelände Gefahr, eine Kopie zu werden von den Bahnhofsarealen anderer Städte, etwa Ludwigsburg: eine Kritik, die wenn auch leise und am Rande, geäußert wurde.

Und doch ist Ditzingen anders. Hier wiederholt sich die Diskussion, wie sie in der Marktstraße geführt wurde. Das Bahnhofcenter, daneben ein Parkhaus – ist beides nicht ein wenig zu wuchtig? Diese Frage wird sich immer wieder stellen, so lange das Stadtbild von Ditzingen an die Geschichte des Ortes erinnert. Einst war Ditzingen ein Dorf. Das zeigt sich in der Marktstraße, das wird sich stets am Bahnhof zeigen: Das Empfangsgebäude, ein Backsteinbau, steht unter Denkmalschutz.