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Festlich gewandet in schwarzem Anzug, Zylinder und Sonntagskleidern machte sich vom Zuffenhäuser Bahnhof ein gutes Dutzend Herrschaften auf den Weg, um sich mit der S-Bahn der Linie 6 nach Ditzingen zu begeben. Hintergrund für diese ungewöhnliche Prozession war der 150. Geburtstag der Schwarzwaldbahn.

Zuffenhausen - Ein nicht alltäglicher Anblick bot sich am Sonntagvormittag Passanten, die am Bahnhof Zuffenhausen unterwegs waren: Festlich gewandet in schwarzem Anzug, Zylinder und Sonntagskleidern machte sich von dort ein gutes Dutzend Herrschaften auf den Weg, um sich mit der S-Bahn der Linie 6 nach Ditzingen zu begeben. Hintergrund für diese ungewöhnliche Prozession war der Geburtstag der Schwarzwaldbahn, deren erster Abschnitt von Zuffenhausen nach Ditzingen auf den Tag genau vor 150 Jahren, nämlich am 23. September 1868, eingeweiht worden war.

Damals, knapp zweieinhalb Jahre vor Gründung des Deutschen Reichs, herrschte in Württemberg noch König Karl und die Industrialisierung steckte in den Kinderschuhen. 1865 war im württembergischen Landtag der Entschluss zum Bau einer Bahnstrecke von Stuttgart über Leonberg und Weil der Stadt nach Calw gefallen. Zunächst war vorgesehen, dass die Trasse über Feuerbach führt, aus Geländegründen entschied man sich letztendlich aber für Zuffenhausen. 1867 wurde dann mit dem Bau des Zuffenhäuser Bahnhofs begonnen. Für die Errichtung des dreistöckigen Empfangsgebäudes zeichnete der Architekt Johann Christian Hengerer verantwortlich, Vater von Karl Hengerer, der später unter anderem die Siedlung in Stuttgart-Ostheim baute. Der Zuffenhäuser Bahnhof war 135 Fuß lang und 56 Fuß breit, ein Fuß entspricht 28,65 Zentimetern. Das Gebäude befand sich in „Insellage“, war also an Vorder- und Rückseite von Gleisen umgeben. Abgerissen wurde der Bahnhof im Jahr 1980.

1868 war in Zuffenhausen ein Triumphbogen für den ersten Zug errichtet worden

„Eisenbahn von Zuffenhausen nach Ditzingen mit besonderer Feierlichkeit eröffnet“, schrieb damals die „Schwäbische Kronik“. Eine „große Zahl Teilnehmer und Deputationen vieler Orte“ habe sich eingefunden. Zwar war der Zuffenhäuser Bahnhof noch gar nicht fertig (er ging erst Ende 1868 in Betrieb), dennoch wurde in Zuffenhausen laut dem „Staats-Anzeiger für Württemberg“ vom 23. September 1868 „ein Triumphbogen errichtet, durch welchen der dort von der Höhe mit Böllerschüssen empfangene Zug hindurchfuhr.“ In Korntal war das Stationsgebäude festlich mit Flaggen in den Landesfarben und mit Kränzen geschmückt. Ähnlich sah es an der Endstation in Ditzingen aus, wo der Zug von einer großen Menschenmenge empfangen wurde. Vom Bahnhof zogen die Menschen dann weiter ins Gasthaus „Zum Lamm“, wo man einkehrte, um das große Ereignis gebührend zu feiern.

Auch 150 Jahre später endete der Weg des (diesmal deutlich kleineren) Festumzugs in einer Gaststätte, und zwar in der „Linde“.

Dass der runde Geburtstag überhaupt begangen wurde, ist dem Heimatgeschichtlichen Arbeitskreis zu verdanken. Für Winfried Schweikart ist es wichtig, dass Ortsgeschichte im Gedächtnis der Menschen haften bleibt und nicht verloren geht. „Mit der neuen Bahnstrecke begann damals auch die Industrialisierung des Strohgäus“, beschreibt der Heimatforscher eine der wichtigsten Folgen der neuen Trasse für die Region. Auf eines mussten die Gratulanten am Sonntag freilich verzichten: Statt der historischen Lokomotive „Schussen“, einem gut 20 Tonnen schweren und zwölf Meter langen Dampfross des Baujahres 1847, mussten sie mit einer modernen elektrischen S-Bahn Vorlieb nehmen.