Stuttgart21 hat immer noch Zeug, um Ministerpräsident Winfried Kretschmann deutlich werden zu lassen. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich, dpa/Bernd Weißbrod

Bei einer Pressekonferenz, bei der es um Bahnbaustellen in Baden-Württemberg gehen sollte, redet sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Rage.

Die Zeit heilt also doch nicht alle Wunden: Stuttgart21 schafft es auch 15 Jahre nach Baubeginn und mehr als 30 Jahre, nachdem die Idee vorgestellt wurde, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), einst profilierter Gegner des Projekts, in Wallung zu versetzen.

 

Vernachlässigtes Schienennetz im Land

Eigentlich hätte es bei der Pressekonferenz am Dienstag ausweislich der etwas hölzernen Ankündigung um „Herausforderungen für die Fahrgäste durch die hohe Bautätigkeit im Schienennetz der Deutschen Bahn und die nächsten Schritte der Landesregierung“ gehen sollen. Kretschmann beklagte, dass zu lange nicht in die Schienenwege im Land investiert worden sei, lobte aber zugleich, dass sich das nun ändere.

Die sich daraus ergebenden Belastungen für die Fahrgäste und wie das Land dem gegensteuern wolle, breitete sodann Kretschmanns Parteifreund, der Landesverkehrsminister Winfried Hermannnicht zum ersten Mal – aus. Vieles von dem, was die Fahrgäste an Zugausfällen und Ersatzverkehren zu erdulden hätten, hänge mit dem Bau von Stuttgart21 zusammen. Man wolle nichts verzögern, aber die Bahn sei in der Pflicht ihre Baustellen besser zu koordinieren und vor allem zu kommunizieren. All das wollen Kretschmann und Hermann am 1. Juli bei einem Spitzengespräch mit dem DB-Vorstand diskutieren.

Bewusstseinswandel gefordert: Kretschmanns Erwartungen an die Bahn

Die klare Erwartungshaltung: es dürfe nicht bei Betroffenheit und Beteuerungen des Bahnspitzenpersonals bleiben, sondern es müsse vor allem auf der Arbeitsebene ein Bewusstseinswandel einsetzen. Die Frage, was die Politik an den Praktiken des Staatskonzerns ändern könnte, konterte Kretschmann mit der Bemerkung, dass alles noch viel schlimmer gekommen wäre, hätte das Land nicht entschieden dagegengehalten.

Und dann tauchte Winfried Kretschmann etwas unvermittelt in die Geschichte des Konflikts um das Bahnprojekt ein. Er rief ins Gedächtnis, wie Befürworter aus seiner Sicht die Belastungen klein geredet hätten und nannte stellvertretend den damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn und den Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. „Und ich habe keineswegs vergessen, wie wir Projektgegner arrogant vom Bahnkonzern abgebürstet worden sind“, sagte Kretschmann an die Adresse der Deutschen Bahn. Im Rückblick sieht er sich mehr als bestätigt. „Und nun tritt alles ein, wovor wir immer gewarnt haben – und zwar von A bis Z“. Es sei nachgerade ein Witz, „dass alle nun umgesetzten Verbesserungen am Projekt Vorschläge der Gegner gewesen sind“.

Bei allem Ärger: Sachliche Gespräche mit der Bahn

Doch das alles werde das Gespräch mit der DB-Spitze nicht überschatten. „Da geht es um sachliche Diskussion“. Die heutigen Bahnmanager hätten das Projekt auch nur geerbt. Und etwas Positives konnte Kretschmann der Auseinandersetzung dann doch noch abgewinnen. „Es hat geholfen, dass ich Ministerpräsident geworden bin.“