Gibt es in Stuttgart im Bereich der Gleisflächen künftig auch einen unterirdischen Kopfbahnhof? Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Der Abschlussbericht zur Machbarkeitsstudie eines unterirdischen Kopfbahnhofs, wie ihn der Landesverkehrsminister wünscht, stellt dem Vorhaben ein allenfalls mäßiges Zeugnis aus. Besonders das Mineralwasser und der Städtebau machen den Planern zu schaffen.

Stuttgart - Die Idee eines unterirdischen Ergänzungsbahnhofs in Stuttgart, wie sie von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ersonnen wurde, hat die Landespolitik erreicht. Die Grünen hatten den Zusatzhalt, der vor allem bei der Stadt Stuttgart, der die Flächen gehören für Skepsis sorgt, ins Programm zur Landtagswahl geschrieben. Hermann sagte jüngst, die Ergänzungsstation werde auch in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU eine Rolle spielen.

 

„Erheblicher Bauaufwand“

Der in den zurückliegenden Tagen dem Ministerium zugegangene Abschlussbericht zur Machbarkeitsstudie eines unterirdischen Kopfbahnhofs könnte der Diskussion eine Wendung geben. Denn in dem gut 60 Seiten starken Papier, das unsere Zeitung einsehen konnte, listen die Experten eine ganze Reihe von Problemen auf. Es zeichne sich ab, dass aus den Anforderungen an das Vorhaben ein „erheblicher Bauaufwand“ resultiere. Diese Rahmenbedingungen sind zum einen der Wunsch danach, die Strecken aus Bad Cannstatt, Feuerbach und die Panoramabahn in die Ergänzungsstation zu führen. Demgegenüber steht die Forderung der Stadt Stuttgart auf den frei werdenden Gleisflächen alsbald mit dem Städtebau loslegen zu können. Und schließlich darf die Geologie nicht aus dem Blick verloren werden. 20-Mal erwähnen die Gutachter die Vokabel „Mineralwasserdruckspiegel“.

Das Hauptproblem liegt darin, dass die neuen Tunnel und die Ergänzungsstation wegen der geologischen Verhältnisse nicht so tief liegen können wie es wünschenswert wäre. Sie können aber auch nicht so weit aus der Umgebung herausragen, wie es die Geologie erfordert, da sie sonst mit den städtebaulichen Ambitionen der Stadt Stuttgart, der das Areal gehört, kollidieren würden. Für die eigentliche Station, die entweder vier oder sechs Gleise haben könnte, vergibt das Papier allenfalls mittelmäßige Noten.

Untersucht wurde eine Variante parallel zur S-Bahn beim Europaviertel sowie drei Untervarianten auf der Seite zum Schlossgarten hin. Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (mangelhaft) schneidet die Variante am Europaviertel mit einem Wert von 2,2 noch am besten ab. Den Bau einer Ergänzungsstation am oder gar im Schlossgarten bewerten die Gutachter mit 3,2 bis 3,3.

Nur mittelmäßige Bewertungen

Wegen der hohen „Projektkomplexität“ veranschlagen die Experten einen Planungs- und Realisierungszeitraum von mehr als elf Jahren. Mit dem Bau könne allerdings erst nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 und dem Abräumen der bisherigen oberirdischen Gleisflächen begonnen werden.

Neben der Station mit 210 Meter langen Bahnsteigen müssten insgesamt bis zu 5,5 Kilometer weitere Bahntunnel in der Stuttgarter Innenstadt gegraben werden. Im Norden würde je nach gewählter Variante eine dritte Röhre des Pragtunnels zwischen Nordbahnhof und Feuerbach nötig werden. Aber auch schon ohne diesen dritten Pragtunnel sehen die Experten die Kosten für das Vorhaben bei mehr als 750 Millionen Euro. Sie weisen zudem darauf hin, dass das Vorhaben in großem Umfang Ansprüche der Anrainer auf Schallschutzmaßnahmen nach sich ziehen wird.

Städtische Flächen wären betroffen

Bereits im vergangenen Jahr hatten die Gutachter einen Zwischenbericht präsentiert. Im Rathaus hatte man damals ausgesprochen reserviert reagiert. „Die vorläufigen Ergebnisse scheinen die städtischen Bedenken zu erhärten“, erklärte im Nachgang ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Begeisterung dürften auch die fortgeschriebenen Zahlen nicht auslösen. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass je nach Standort zwischen fünf und 50 Prozent der Flächen, die die Stadt umgestalten möchte, während des Baus der Station und der Tunnel nicht zur Verfügung stehen. Allein die Grube für eine sechsgleisige Station wäre gut 60 Meter breit. Zum Vergleich: der Trog für den Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 bringt es auf 80 Meter.

Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart gab zwar für die Untersuchung bereits sein Plazet. Auf Drängen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Körner wurde aber auf den Vorrang des Städtebaus explizit hingewiesen. Verkehrsminister Winfried Hermann räumte nach dem Zwischenbericht im Interview mit unserer Zeitung ein, er habe erwartet, „dass es einfacher und kostengünstiger zu machen ist, als was nun die Gutachter ermitteln.“ Aktuell gibt sich Hermanns Haus schmallippig. Ein Sprecher erklärt auf Anfrage, die Fertigstellung der Studie „erfordert noch etwas Zeit. Eine Veröffentlichung kann daher nicht vor Ende Mai erfolgen“. Dann dürften auch die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein.