Im Regionalverkehr – hier im Bild der Frankfurter Bahnhof – fuhr die Deutsche Bahn bundesweit rund 143,1 Millionen Minuten Verspätung ein. Foto: dpa

Pendler in Baden-Württemberg müssen häufiger verspätete Regionalzüge in Kauf nehmen als im bundesweiten Durchschnitt. Lediglich 92,7 Prozent der Regionalzüge im Land kamen im vergangenen Jahr pünktlich ans Ziel.

Berlin - Wer mit der Bahn fährt, muss oft einige Geduld mitbringen, weil Fern- und Regionalzüge verspätet kommen oder auch ganz ausfallen. Wie unpünktlich die Deutsche Bahn (DB) AG als mit Abstand wichtigster Anbieter ist, zeigen neue Zahlen der Bundesregierung. Demnach sind 2018 für Reisende insgesamt rund neun Millionen Verspätungsminuten dazu gekommen. Damit summieren sich allein die zusätzlichen Verspätungen auf 6250 Tage oder mehr als 17 Jahre. Im Regionalverkehr fuhr die DB AG demnach 2018 bundesweit rund 143,1 Millionen Minuten Verspätung ein, nach 134,4 Millionen im Jahr zuvor. Im Fernverkehr wuchs die Unpünktlichkeit von 3,3 auf 3,7 Millionen Minuten.

Viele Verspätungen im Südwesten

Rund ein Siebtel aller Verspätungsminuten im Regionalverkehr mutet die Deutsche Bahn AG ihren Kunden in Baden-Württemberg zu. Das zeigt die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen im Bundestag. Demnach wuchsen die Verspätungen der Regionalzüge im Südwesten im vergangenen Jahr von 18,9 auf 20,3 Millionen Minuten. Die Wartezeit der Reisenden und Pendler summiert sich damit auf mehr als 14 000 Tage. „Die Pünktlichkeit der DB-Nahverkehrszüge in Baden-Württemberg lag von 2014 bis 2018 immer unter dem Bundesschnitt“, kritisiert der Bahnexperte der Grünen aus Filderstadt, Matthias Gastel. Es könne keine Ausrede sein, dass andere Flächenländer noch schlechter abschneiden.

Nach DB-Angaben kamen 2018 im Südwesten 92,7 Prozent der Regionalzüge pünktlich ans Ziel. In den beiden Vorjahren waren es noch 93,4 Prozent, davor noch 94 Prozent und mehr. Bundesweit sank die Pünktlichkeit im vergangenen Jahr von 94,5 auf 94,1 Prozent, liegt aber seit 2014 immer über 94 Prozent.

einer von fünf ICE und IC fährt im Schnitt verspätet

In der offiziellen Bahnstatistik wird das Problem weit weniger dramatisch dargestellt. Darin veröffentlicht der Staatskonzern im Fernverkehr nur die Zahl der Züge, die mit sechs Minuten Verspätung und mehr ans Ziel kommen. Diese Quote ist 2018 von 78,5 auf 74,9 Prozent gesunken. Seit 2009 schaffte die DB AG nur in einem Jahr mehr als 80 Prozent – es fährt also im Schnitt seit langer Zeit mindestens einer von fünf ICE und Intercity-Zügen erheblich verspätet.

Im Regionalverkehr sehen die offiziellen Angaben ebenfalls besser aus als die Realität. Demnach sank die Zahl der verspäteten Züge der DB Regio nur von 94,5 auf 94,1 Prozent. Hier sind größere Verspätungen wegen der kurzen Entfernungen und engen Takte aber seltener, zudem werden S-Bahnen eingerechnet. Dennoch gibt es je nach Bundesland ganz erhebliche Unterschiede, wie ein Vergleich zeigt.

Zur Einordnung: Die DB AG bietet täglich rund 75 000 Fahrten mit 24 000 Zügen an. In Bahnen und Bussen des Konzerns werden pro Tag mehr als sieben Millionen Menschen befördert, rund 90 Prozent davon im Nahverkehr. Allein im Fernverkehr auf der Schiene waren 2018 rund 148 Millionen Passagiere unterwegs – und damit deutlich mehr als im gesamten deutschen Flugverkehr, wo es ebenfalls häufig große Verspätungen gibt.

Unpünktlichkeit kostet Konzern auch viel Geld

Die Unpünktlichkeit der Bahn verärgert nicht nur die Fahrgäste, sondern kostet den Konzern enorm viel Geld. Wie berichtet zeigen interne Unterlagen der DB-Spitze, dass der Staatskonzern in den Jahren 2017 und 2018 fast 500 Millionen Euro an Vertragsstrafen wegen Verspätungen und Zugausfällen an die öffentlichen Auftraggeber zahlen musste. Bis 2023 wird mit weiteren 650 Millionen Euro gerechnet. Im Fernverkehr zahlte die DB AG 2018 weitere gut 50 Millionen Euro als Entschädigungen an Fahrgäste.

Für die täglich rund 400 000 Reisenden im Fernverkehr berechnet die DB AG seit zwei Jahren auch die persönlichen Pünktlichkeitswerte. Dafür werden die Buchungsdaten von 270 000 Kunden und die Daten von 7000 Bahnstationen verknüpft. Auch dieses Ergebnis fällt wenig erfreulich aus: Die „Reisendenpünktlichkeit“ sank demnach 2018 von 84,3 auf nur noch 80,1 Prozent, wie auch aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP hervorgeht. „Die Bahn muss endlich verlässlicher und pünktlicher werden“, fordert deshalb der FDP-Abgeordnete Christian Jung. Auch im Nahverkehr seien Verspätungen „für Pendler ein tägliches Ärgernis“, kritisiert der Bahnexperte der Grünen, Matthias Gastel. Oft würden sich die Probleme im Fernverkehr auf den Nahverkehr auswirken, wo sich die Verspätungen meist auf die stark nachgefragten Strecken konzentrierten.

Interessante Details zu Ursachen der Probleme

In der Antwort der Bundesregierung auf die Grünen-Anfrage finden sich auch interessante Details zu den Ursachen der Probleme. Demnach räumt die DB AG massive operative Defizite ein. Mit weitem Abstand wichtigster Grund für Verspätungen sind die massiven Mängel des jahrelang vernachlässigten und unterfinanzierten staatlichen Schienennetzes.