Auf Bahnsteig 1 am Bahnhof Feuerbach spielte sich am 17. Dezember 2015 der tödliche Unfall ab Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Beim tragischen Unfalltod eines 50-Jährigen, der vor zwei Monaten von einer S-Bahn mitgeschleift wurde, ist bisher keine technische Ursache gefunden worden. Offenbar gab es ein krasses Fehlverhalten des Opfers. Jetzt warten die Ermittler auf technische Gutachten – doch die können dauern...

Stuttgart - Warum musste der 50-Jährige am Bahnhof Feuerbach sterben? Am 17. Dezember 2015 um 14.21 Uhr war er von einer S-Bahn der Linie S 60 mitgeschleift worden, fortgerissen von Bahnsteig 1, mit einem Arm in der Tür, wie ein Zeuge später berichtete. Nun, nach zwei Monaten, ist die Ursache des Unfalls noch immer unklar – doch in Ermittlerkreisen ist ein Trend erkennbar.

Inzwischen konnten Videoaufnahmen aus dem Inneren der S-Bahn ausgewertet werden, bei denen tatsächlich eine Hand in der Tür sichtbar ist. Ob der Verunglückte freilich eingeklemmt wurde, ist damit nicht belegt. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die Türen bereits geschlossen waren und der Betroffene die Tür „noch nachträglich aufzureißen versuchte“, wie es heißt. Dazu dürfte er zwischen die Gummilippen der Tür gegriffen haben. Warum er nicht losließ oder ob er sich womöglich an anderer Stelle verhakte, bleibt vorerst unklar.

Der Fall hatte auch deshalb für Aufsehen gesorgt, weil es sich bei der S-Bahn um ein Modell der Baureihe ET 423 handelt, bei der es 2001 Probleme mit der Türautomatik gab. Fahrgäste waren in der Tür eingeklemmt worden, weil die Sensoren der Lichtschranken ungenügend waren. Im Laufe der Jahre wurde die Technik nachgerüstet, ein neues Lichtschrankengitter sollte Hindernisse zwischen den Türblättern feinfühliger erkennen. Das Problem schien bis zu dem Unfall am 17. Dezember behoben.

Opfer zum Unfallzeitpunkt wohl deutlich alkoholisiert

Allerdings zeigten Tests der ermittelnden Polizeibeamten kurz nach dem Unglück, dass die Türschließautomatik ohne Probleme funktionierte. Dies sprach dafür, dass der Verunglückte zu einem Zeitpunkt in die Tür gegriffen hatte, als der Schließvorgang bereits vollständig abgeschlossen war. Wie es heißt, dürfte der 50-jährige Wohnungslose auch nicht unbedingt nach den Regeln der Logik gehandelt haben. Er soll zum Unfallzeitpunkt deutlich alkoholisiert gewesen sein.

Bei der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft ist zu dem Ermittlungsstand indes nichts zu erfahren. „Wir haben einen Gutachter des Eisenbahn-Bundesamts mit der Klärung der technischen Fragen beauftragt“, sagt Staatsanwalts-Sprecher Jan Holzner, „vorher können wir dazu nichts sagen.“ Nach der Einschätzung seiner Behörde sei mit der Expertise wohl erst in einem Vierteljahr zu rechnen.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat freilich gerade am Bahnhof Feuerbach die Erfahrung gemacht, dass so etwas auch viel länger dauern kann. Nach dem spektakulären Güterwaggon-Unglück am 30. November 2012 steht das Gutachten der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) noch immer aus. Ein Millionenschaden war entstanden, als sich nachts drei Güterwaggons in Kornwestheim selbstständig machten und nach vier Kilometern in den Bahnsteig hinterm Abstellgleis einschlugen.

Glücklicherweise wurde niemand verletzt, weil Berufspendler erst zwei Stunden später den Bahnsteig bevölkern. Das Bahnhofsgebäude wurde erheblich beschädigt, ein Bewohner blieb auf einem Großteil seines Schadens sitzen, weil die Bahn nur mit insgesamt 300 000 Euro haftet – für alles.

Seit 2014 läuft ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr, nachdem offenbar ein Kreis von Bahn-Mitarbeitern als mögliche Verantwortliche ausfindig gemacht werden konnten. Das Gutachten der Eisenbahn-Unfalluntersucher steht weiter aus: „Die Auswertung des Vorfalls ist bereits sehr weit gediehen“, sagt Behördensprecherin Heike Schmidt, „aber noch nicht abgeschlossen.“