Es ist zwischenzeitlich etwas Gras über die Steinwälle auf dem Killesberg gewachsen – doch bei vielen bleibt der Ärger. Foto: Lichtgut-Oliver Willikonsky

Die Bahn sucht noch immer Umsiedlungsflächen für Mauereidechsen. Auf dem Killesberg allerdings gibt es keine mehr. Das umstrittene Ersatzhabitat auf der Feuerbacher Heide ist voll. Die Bahn hat jetzt die Kosten berechnet.

Stuttgart - Es gibt Anwohner auf dem Killesberg, die nach eigenen Aussagen noch nie eine Eidechse auf den im vergangenen Jahr errichteten Steinwällen gesehen haben. Die gewöhnungsbedürftigen Riegel, aus 14 000 Tonnen Steinen aufgeschüttet, sorgen nach wie vor für viel Unmut. Wo vorher am Rand des Landschaftsschutzgebietes auf der Feuerbacher Heide Schafe grasten, leben jetzt Vertriebene von den Stuttgart-21-Baustellen im Neckartal. Und zwar, trotz des eher scheuen Verhaltens, sogar ziemlich viele.

„Wir haben rund 3200 streng geschützte Mauereidechsen auf die Feuerbacher Heide umgesiedelt“, sagt ein Projektsprecher. Das sind deutlich mehr als die ursprünglich veranschlagten maximal 1800 Tiere. Das liegt daran, dass auch Jungtiere umgezogen sind – und die zählen in der offiziellen Statistik nicht. Dort stehen 1660 erwachsene Tiere zu Buche. Die Letzten haben vor wenigen Wochen dort ein neues Zuhause gefunden. Die Umsiedlungen seien damit „erfolgreich abgeschlossen“, teilt die Projektgesellschaft mit. Im Klartext: Der Killesberg ist voll.

Gekostet hat all das nach aktuellen Berechnungen 3,7 Millionen Euro. Das macht 1156,25 Euro pro Eidechse, wenn man alle zählt. Nimmt man nur die ausgewachsenen Tiere, an denen sich die Statistik orientiert, kommt man sogar auf 2228,92 Euro. Kosten, die trotz der hohen Summe laut Projektbüro sogar noch günstig im Vergleich zu anderen Umsiedlungen sind. Denn auf dem Killesberg ist der Flächenansatz genehmigt worden. Das bedeutet, dass nicht jedem Tier 80 Quadratmeter zustehen müssen, sondern dass es genügt, dass die Fläche ähnlich groß ist wie die, von der die Tiere kommen. Deren genaue Zahl spielt dann keine Rolle und es dürfen relativ viele umgesiedelt werden.

Pflege des Gebiets über 30 Jahre

In den 3,7 Millionen Euro sind laut Bahn diverse Kostenpunkte enthalten. Dazu gehören nicht nur die Baukosten und das Absammeln der Tiere. Eingepreist sind auch die Planung, die ökologische Bauüberwachung, jahrelanges Monitoring, also die Kontrolle des Gebiets, sowie dessen regelmäßige Pflege – und das für 30 Jahre.

Ein teurer Beitrag für den Artenschutz – der jedoch rechtlich zwingend erforderlich ist. Der aber das Problem nicht komplett löst. Denn noch immer sucht die Bahn Umsiedlungsflächen für Tausende weitere Eidechsen aus dem Bereich des künftigen Abstellbahnhofs in Untertürkheim. Die müssen in Stuttgart oder direkt angrenzenden Gebieten liegen. Über 200 Flächen hat die Bahn geprüft, zig Angebote von Gartenbesitzern und Verbänden erhalten – doch keines der Areale ist geeignet, um alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Deshalb läuft die Lösung darauf hinaus, dass die Bahn versuchen wird, eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Das bedeutet, die Tiere würden im Baufeld bleiben – und mutmaßlich großteils ums Leben kommen. Trotz des Schutzstatus.

Denkbar ist das, weil ein Gutachter im Auftrag der Stadt zum Ergebnis gekommen ist, dass in Stuttgart mindestens 140 000 streng geschützte Mauereidechsen leben. Im Artenschutz kommt es darauf an, dass der Gesamtbestand nicht gefährdet wird – und das würde er wohl nicht, wenn in Untertürkheim einige Tausend Tiere verschwänden.

Entscheidung Ende des Jahres

Entscheiden muss darüber das Eisenbahn-Bundesamt. Dort hat die Bahn aber nach dessen Angaben noch keine neuen Planfeststellungs-Unterlagen eingereicht, damit eine Entscheidung fallen kann. „Wir werden das voraussichtlich gegen Ende des Jahres tun“, sagt der Projektsprecher. Erst danach wird sich entscheiden, was mit den Tieren aus Untertürkheim passiert. Für das Gesamtprojekt Stuttgart 21 plus Neubaustrecke nach Ulm rechnet die Bahn nach wie vor mit Kosten für Umsiedlungen in Höhe von etwa15 Millionen Euro.

Auf dem Killesberg jedenfalls, so viel steht fest, ist kein Platz mehr für Neuankömmlinge. Auch wenn so mancher Anwohner behauptet, dort noch nie auch nur eine einzige Eidechse gesehen zu haben.