Die alten Schienen zerbröseln, doch vielleicht fahren irgendwann mal wieder Züge von Marbach Richtung Bottwartal. Foto: Werner /Kuhnle

Die Reaktivierungspläne für die Schienenstrecke zwischen Marbach und Heilbronn liegen auf Eis. Neue Bewertungskriterien könnten dem Projekt aber frisches Leben einhauchen.

Marbach/Bottwartal - Wer zu den Befürwortern einer Schienenverbindung zwischen Marbach und Heilbronn gehört, braucht starke Nerven und Ausdauer. Denn die Bahnfreunde erlebten in den vergangenen Jahren ein Wechselbad der Gefühle. Mal schien die Reaktivierung der Strecke schon zu den Akten gelegt, mal stand ein Durchbruch zum Greifen nah. Zuletzt herrschte eher Ernüchterung vor. Eine neuerliche Machbarkeitsstudie hatte einen Kosten-Nutzen-Faktor von unter eins ergeben. Bedeutet kurz gesagt: Der Aufbau der Strecke rentiert sich nicht, weshalb man sich eine Förderung abschminken kann. Allerdings gibt es doch wieder Hoffnung – die mit neuen Vorgaben aus Berlin zusammenhängt.

Richtlinien wurden überarbeitet

Es ist schon längere Zeit bekannt, dass der Bund die Kriterien für die so genannte Standardisierte Bewertung einer Bahnstrecke überarbeiten will. Denkbar wäre dann, dass der Umweltgedanke in das Urteil über den Nutzen einer Verbindung einfließt. Mit dieser möglichen Perspektive im Hinterkopf haben die für die Bottwartalbahn zuständigen Landkreise Ludwigsburg und Heilbronn die Pläne für die Trasse auch nicht ganz zu den Akten, sondern nur auf Eis gelegt, um mit anderen Maßstäben eventuell einen neuen Anlauf unternehmen zu können. Und mittlerweile wurden die Richtlinien tatsächlich überarbeitet, teilt das Landesverkehrsministerium mit. In einem Schreiben aus Berlin seien die Eckpunkte dargelegt worden, berichtet Pressesprecher Tobias Schick.

Handreichung für die Länder

„Die Absicht des Bundesministeriums ist es, den Ländern eine Handreichung zu geben, wie mit dem novellierten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) umzugehen ist, insbesondere bis Jahresende, wenn die Überarbeitung der Verfahrensanleitung zur Standardisierten Bewertung abgeschlossen sein soll. Diese Standardisierte Bewertung dient der Feststellung der Förderwürdigkeit von Vorhaben und ist zwingend anzuwenden bei Förderung nach GVFG“, erklärt der Mann von der Pressestelle.

Inhaltlich könnten für die Bottwartalbahn insbesondere zwei Punkte von Bedeutung sein. Erstens sei angekündigt worden, dass bei der Bewertung ein nutzwertanalytischer Indikator eingeführt werde, wie Schick erläutert. „Der Nutzwertanalytische Indikator soll neben den monetär erfassbaren Auswirkungen eines Vorhabens weitere Nutzen in die Bewertung einfließen lassen. Welche dies sind, steht noch nicht fest und wird im Rahmen der Fortschreibung der Verfahrensanleitung seitens des Bundesverkehrsministeriums erarbeitet“, erklärt er. Genau an dieser Stelle könnte also bei der Bewertung miteinfließen, dass der Mehrwert einer Bahnstrecke nicht nur nach finanziellen Gesichtspunkten zu betrachten ist, sondern auch andere Aspekte eine Rolle spielen – wie zum Beispiel „die angemessene Berücksichtigung von Umwelt- und Klimawirkungen“, wie Schick ausführt.

Land muss Regelungen finden

Die zweite wichtige Information aus dem Papier, die für die Bottwartalbahn von Relevanz sein dürfte, lautet, dass das Tragfähigkeitsprinzip bei der Bewertung von Bahnprojekten angewendet werden soll. „Das Tragfähigkeitsprinzip regelt die Höhe der Bundesfinanzhilfen für Vorhaben, die kein ausreichendes Nutzen-Kosten-Verhältnis im Rahmen der Standardisierten Bewertung erzielen. Da die Bundesfinanzhilfe hierbei unter dem üblichen Fördersatz liegen wird, in der Höhe aber noch nicht ermittelbar ist, stellt die Komplementärfinanzierung eine Herausforderung für Vorhabenträger und Bundesländer dar. Hier wird es Aufgabe der Landesregierung sein, Regelungen zu finden, welche Kriterien ein Vorhaben erfüllen muss, um dennoch zur Förderung nach GVFG angemeldet werden zu können und wie hoch eine Förderung des Landes in diesen Fällen ausfallen kann“, erklärt Tobias Schick. Grob zusammengefasst bedeutet das: Wenn wie bei der Bottwartalbahn das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht ausreichend ist und der Bund damit vergleichsweise wenig Geld ausschütten würde, kann das Land das Vorhaben unter bestimmten Voraussetzungen dennoch zur Förderung anmelden, muss dann aber auch überlegen, wie viel Zuschuss es selbst bereitstellen will.

Größere Chance für Projekte

„Grundsätzlich sollen durch all diese Neuerungen mehr Projekte eine Chance auf GVFG-Förderung erhalten“, fasst Tobias Schick zusammen. „Ob dies für ein konkretes einzelnes Projekt zutrifft, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen“, schränkt er ein.

Trotz dieser Unwägbarkeit ist man im Landratsamt Ludwigsburg froh, dass Bewegung in die Sache kommt. „Wir begrüßen die vorgesehene Anpassung der Verfahrensvorschrift und die Aufnahme weiterer Bewertungskriterien. Wir hoffen, dass sich dadurch die Chancen auf eine Förderung der Bottwartalbahn durch Bund und Land erhöhen“, erklärt der Pressesprecher Andreas Fritz.

Die Standardisierte Bewertung

Zurückgestellt
Die Standardisierte Bewertung für die Bottwartal hatte bei allen Varianten einen Kosten-Nutzen-Faktor ergeben, der deutlich unter der Grenzmarke lag. „Daher hat man sich in der Arbeitsgruppe der Landkreise Ludwigsburg und Heilbronn und den an der Strecke liegenden Ortschaften dafür ausgesprochen, die bereits erstellte Machbarkeitsstudie und Kosten-Nutzen-Abwägung vorerst ruhen zu lassen“, erklärt Andreas Fritz, Pressesprecher im Landratsamt Ludwigsburg. Sobald die angekündigten, neuen Bewertungskriterien vom Bund vorlägen, wolle man die Untersuchungen auf der neuen Basis abschließen.

Erste Schritte
Wie das Landesverkehrsministerium mitteilt, liegt ein Schreiben mit den Eckpunkten der Änderungen inzwischen vor. Die neuen Richtlinien seien ab sofort gültig. „Erste Arbeitsschritte für die Durchführung einer Nutzen-Kosten-Untersuchung sind bereits jetzt möglich“, erklärt Pressesprecher Tobias Schick. Eine abschließende Bewertung sei allerdings erst nach Veröffentlichung der neuen Verfahrensanleitung möglich, da die anzuwendenden Kriterien „erst im Rahmen der Fortschreibung der Verfahrensanleitung seitens des Bundesverkehrsministeriums im Laufe des Jahres erarbeitet werden“.