In den vergangenen Monaten hat sich in punkto Verspätungen bei der Bahn nichts verbessert. Foto: dpa

Dank der günstigen Sparpreise reisen immer mehr Menschen mit der Bahn. Aber auch der Ärger über Verspätungen nimmt zu, sagen Reisende. Was an den Vorwürfen dran ist – und was man tun kann, um Frust zu vermeiden.

Berlin - Fragt man Bahnreisende, die viel mit dem Fernzug unterwegs sind, dominiert der Frust. Das zeigt der aktuelle Bahn-Check der Stiftung Warentest. Um herauszufinden, was hinter dem Ärger der Reisenden steckt, haben Tester die Bahn-Statistiken durchforstet, sind Probe gefahren, haben die Radmitnahme geprüft, Sparpreise abgefragt und auf mehreren Strecken das WLAN genutzt. „Wir stellen fest, dass sich beim Service und bei den Preisen viel getan hat“, sagt Reiner Metzger von der Stiftung Warentest. Viele Bahnfahrer seien zufrieden mit Komfort, Preisen und mit dem Zugpersonal. Nur: Beim Kernproblem mit den überlasteten Zugstrecken und den Verspätungen tue sich kaum etwas.

Wie steht es um die Pünktlichkeit?
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren nur etwa 77,7 Prozent der Fernzüge einigermaßen pünktlich – das heißt: maximal sechs Minuten verspätet. Das bestätigt ein Bahn-Sprecher. Im vergangenen Jahr erreichte die Deutsche Bahn eine Pünktlichkeitsrate von 78,5 Prozent im Schnitt. Das war schlechter als im Vorjahr – und schlechter als die angepeilten 82 Prozent. Selbst die ICE-Sprinter auf der neuen Schnellstrecke zwischen Berlin und München rollen nicht zuverlässig: Stellwerkstörungen, Signalstörungen, Schafe auf den Gleisen. Etwa jeder fünfte Zug auf dieser Strecke kam zwischen April und Juni zu spät oder fiel aus, heißt es im Bahn-Check. Dennoch raten Experten dazu, bei langen Strecken auf ICE-Sprinter zu setzen. Die verkehren mit wenigen Halten und sind auch mit Sparpreis buchbar.
Wie kann man sich informieren?
Viele Leute, das zeigen Erfahrungsberichte von Reisenden, ärgern sich über schlechte Informationen und Betreuung, wenn auf der Bahnfahrt kurzfristig Probleme auftauchen. Die Stiftung Warentest rät, für aktuelle und zuverlässige Angaben zu den Verbindungen die Apps der Bahn für Smartphones zu nutzen. Die sogenannten Streckenagenten, die sich um die Aktualisierung der Programme und um Push-Meldungen kümmern, haben direkten Kontakt zur Leitzentrale der Bahn und sind so sehr zuverlässig. Über die Apps finden sich auch aktuelle Reisealternativen und Anschlussmöglichkeiten – mitunter schneller und so besser als Informationen der Zugbegleiter. Und sollte ein Zug mal mit falscher Wagenreihung in den Bahnhof einfahren, wird das ebenfalls in der App angezeigt. Das kann helfen, lange Wege einzukalkulieren.
Was für Möglichkeiten gibt es im Falle einer Verspätung?
Drohen über 20 Minuten Verspätung, entfällt automatisch die Zugbindung, die sonst bei Spartickets gilt. Das heißt: Wer dank Verspätungsalarms oder App rechtzeitig Bescheid weiß, kann dann jeden beliebigen Zug nutzen. Bei 60 Minuten Verspätung erstattet die Bahn einen Teil des Ticketpreises. Die Fahrgastrechteformulare dazu gibt es bei den Zugbegleitern oder an den Service-Punkten im Bahnhof. Und: Kommt der Zug aufgrund von Verspätungen erst nach 24 Uhr am Ziel an oder ist zwischen 0 und 5 Uhr mehr als 60 Minuten zu spät, zahlt die Bahn ein Taxi. Zumindest dann, wenn es keinen Ersatzverkehr gibt.
Warum klappt es in Ländern wie Japan oder der Schweiz mit der Pünktlichkeit?
99 Prozent aller Züge kommen in Japan und China pünktlich an. Bekannt ist vor allem Japans Hochgeschwindigkeitszug Shinkanse: dessen durchschnittliche Verspätung liegt bei unter einer Minute. Aber auch die Schweiz und die Niederlande bringen es auf erstaunlich hohe Pünktlichkeitsquoten von um die 90 Prozent. Der Unterschied, erklärt ein Bahn-Sprecher, liege vor allem im Schienennetz: Im dicht besiedelten Deutschland nutzen Fernzüge, Güterzüge und der Regionalverkehr dieselben Strecken. In Japan und China, aber auch in den Niederlanden oder Frankreich gibt es dagegen getrennte, eingezäunte Hochgeschwindigkeitsstrecken. Außerdem wird in vielen Ländern mehr investiert: In Österreich oder der Schweiz je Einwohner sechs- bis siebenmal so viel wie in Deutschland.
Was tut sich bei der Deutschen Bahn?
Das Schienennetz in Deutschland ist nicht nur hochbelastet, sondern stellenweise auch marode. Zudem fehlt es an Zügen: Manch ein ICE fährt täglich viermal zwischen Hamburg und München – das hat Folgen, wenn es auf der Strecke zu einer Störung kommt. Dazu kommt, dass immer mehr Menschen die Bahn nutzen: Drei Prozent mehr Fahrgäste hatte die Bahn nach eigenen Angaben im ersten Trimester. Dahinter stünden die Sparpreise, neue Züge und schnellere Verbindungen. Um die eigenen Ziele zu erreichen, investiere der Konzern im Jahr 2018 mehr als 100 Millionen Euro in moderne Stellwerke, Wartungen und die Auslieferung von 25 neuen ICE-Zügen. Insgesamt sind 119 neue ICE 4 bestellt – mit größeren Gepäckablagen und einigen Fahrradstellplätzen.
Wie steht es um die Konkurrenz?
Neben Fernbussen fahren inzwischen Flixtrains durch Deutschland – bislang zwischen Berlin und Stuttgart sowie Hamburg und Köln. Auch sie nutzen die überlasteten Schienen der Bahn – werben aber mit günstigen Preisen. Im Vergleich vier Wochen vor Reisebeginn waren die Flixtrain-Tickets inklusive Reservierung etwa 40 Prozent günstiger als jene der Bahn, die Fahrzeiten etwa gleich lang. Allerdings fahren Kinder unter 15 Jahren bei der Deutschen Bahn kostenlos bei Eltern und Großeltern mit – dann kann es dort günstiger sein. Und: Reisende müssen bei den älteren Zügen von Flixtrain auf Komfort verzichten. Die Stiftung Warentest rät, Online-Vergleichsportale wie goeuro.de zu nutzen.