Brezeln aus Handwerksbetrieben sind nach wie vor zu bekommen – obwohl es immer weniger Betriebe gibt. (Symbolbild) Foto: STZN-Archiv

Die Bäckerinnung Württemberg registriert seit Jahren sinkende Zahlen von Betrieben in Stuttgart. Dennoch gibt es weiterhin viele Betriebe, die nicht an großen Ketten hängen. Die Innung kennt die Gründe.

Stuttgart - Das Ende der Traditionsbäckerei Gehrung in Plieningen ist in der Branche viel diskutiert worden. „Das ist natürlich schade, aber wir können die Entscheidung nachvollziehen“, sagt Andreas Kofler, der Geschäftsführer der Bäckerinnung Württemberg. „Es klingt zwar pathetisch, aber für mich ist es so, dass ein Ort mit jedem geschlossenen Betrieb ein Stück Kultur verliert“, fügt er hinzu.

Die Branche habe sich stark verändert. Eine Zahl, die Kofler nennt, verdeutlicht das: „Hatten wir Anfang der 1960er Jahre noch mehr als 600 backende Betriebe in Stuttgart, so sind es aktuell nur noch 38“, sagt der Geschäftsführer. Allerdings seien inzwischen auch die Betriebseinheiten deutlich größer. Gemeint sind damit nicht große Ketten, sondern Bäckereien, die mehrere Filialen mit ihren eigenen Waren betreiben. Diese kommen dann entweder aus der zentralen Backstube oder werden in den Filialen hergestellt.

Wenn bei Stammkunden die Tränen fließen

Ein Betrieb dieser Größe ist die Bäckerei Grau, die nun in Möhringen die beiden Gehrung-Filialen übernimmt und im Westen der Landeshauptstadt mit „Brotfreunde Grau“ die Nachfolge des Traditionsbäckers Müller angetreten hat. Im Westen erzählt man sich, es seien bei Nachbarn Tränen geflossen, als die Teigrührmaschinen des Bäckers mit seiner mehr als 100 Jahre währenden Firmengeschichte an der Ecke Schwab- und Bebelstraße auf Transporter mit osteuropäischen Kennzeichen geladen wurden. Dorthin wurden Teile des Inventars verkauft. Doch der Laden an der Ecke blühte danach erneut auf: Die Graus aus Fellbach übernahmen mit neuem Konzept. Zum Erfolg trägt bei, dass die Brotfreunde nun auch sonntags geöffnet haben.

Nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten viele Betriebe in der Region Stuttgart, aber es gibt auch Ausnahmen mit einer oder wenigen Filialen. „Wir sind der letzte Betrieb, der in der Innenstadt produziert“, sagt Maximilian Zwicker aus Göppingen. Vor fünf Monaten hat der Bäckermeister den Betrieb mit zwei Filialen vom Vater übernommen. Nun will er das Bäckerhandwerk offensiv bewerben. „Viele Leute wissen gar nicht, dass ihnen meist nur noch Backlinge angeboten werden.“ Aber das könne man schmecken. Wie bei einer Brezel: Krosse Knoten in Verbindung mit einem weichen Bauch, das schaffe nur der Bäcker dank guter Zutaten und einer langen Teigführung.

Der Inhaber der seit 1835 bestehenden Traditionsbäckerei Baier aus Herrenberg (Kreis Böblingen), Jochen Baier, hat ein anderes Rezept: Er setzt auf mediale Präsenz. So trat der 45-Jährige im Jahr 2014 neben Johann Lafer als Juror in der ZDF-Sendung „Deutschlands bester Bäcker“ auf und ist auch als Autor des Buches „Natürlich gut backen“ bekannt. Das Konzept scheint aufzugehen: Neben einer neuen Filiale samt Café, die Baier im Jahr 2016 direkt neben der A-81-Ausfahrt Herrenberg eröffnet hat, betreibt er seit Kurzem auch einen Stand in der Stuttgarter Markthalle.

Im Rems-Murr-Kreis sind es letztlich vor allem die Bäckereien, die sich auch in kleineren Orte oder Stadtteilen als Einkaufsmöglichkeiten noch halten können. Auch hier entstehen größere Betriebe. Das Modell: eine zentrale Großbackstube, von der aus mindestens drei bis vier, teils auch bis zu 20 Verkaufsstellenbeliefert werden.

Doch nicht überall sind Bäckereien zu retten. Die Bäckerei Steck im Leinfelden-Echterdinger Stadtteil Stetten (Kreis Esslingen) hat es vor gut eineinhalb Jahren ereilt. Der Inhaber Wolfgang Steck, zum Zeitpunkt der Aufgabe 60 Jahre alt, hatte für die von seinem Vater Eduard im Jahr 1952 gegründete Bäckerei am Wetteplatz keinen Nachfolger gefunden. Er selbst wollte nicht mehr länger in der Backstube und hinter dem Tresen stehen. „Die Belastungen sind zu hoch, unter einer 75-Stunden-Woche komme ich nicht weg“, so Steck. Auch sei es immer schwieriger geworden, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Das gesellschaftliche Ansehen sei gering, der Verdienst ebenso. „Das motiviert gute Schulabgänger nicht mehr zur Lehre“, stellt Steck fest.