Freundschaftlicher Umgang: Christian Streich (links) und Julian Nagelsmann Foto: dpa

Das badische Duell zwischen dem SC Freiburg und der TSG Hoffenheim ist geprägt von den beiden Trainern. Was zeichnet diese speziellen Typen aus?

Stuttgart - Die Ausgangslage der beiden badischen Bundesligisten SC Freiburg und TSG Hoffenheim könnte unterschiedlicher kaum sein. Und dennoch gehören die beiden Cheftrainer zu den gefragtesten Gesprächspartner der Fußball-Bundesliga. Zwei Trainer, zwei Geschichten:

Christian Streich und die Stuttgarter Vergangenheit

Christian Streich und Stuttgart, das war irgendwie nix. 20 Jahre jung war der Mann vom Dorf damals im Sommer 1985, als er als Profi zu den Kickers in die zweite Liga ging. Stuttgart war groß für Streich, aufgewachsen im 2000-Seelen-Dorf Eimeldingen im südbadischen Landkreis Lörrach – zu groß. „In der hektischen Großstadt habe ich mich nicht wohlgefühlt“, sagte Streich (53) kürzlich in einem Interview – und was bei anderen nicht mehr als ein normaler, ehrlicher Satz über die Zeit von anno dazumal gewesen wäre, wurde bei Streich mal wieder groß gemacht.

Der sagt, was er denkt, der ist, wie er ist, der liebt seine Heimat, wo er, wenn die Mikros und Kameras aus sind, noch breiteren alemannischen Dialekt als ohnehin schon redet: Stimmt ja auch alles – wird aber eben aufgrund von Streichs Kultstatus bisweilen auch überhöht. Und meist ist es ja auch so: Selbst wenn Streich über das Wetter redet, dann hören ihm die Leute gerne zu. Wenn Streich sagt, dass morgen die Sonne scheint und es übermorgen schon wieder regnen kann, dann ist das in der öffentlichen Wahrnehmung nicht weniger als der nächste philosophische Ansatz, den Streich aus Freiburg in die Republik hinaus spricht. Und gerne heißt es dann, dass dieser hochgebildete Streich ja über alles Bescheid weiß. Sogar über die Sonne und den Regen.

Der Freiburg-Coach bleibt sich stets treu

Warum das alles so herrlich überhöht wird und wirkt? Weil Streich vielleicht das Original der Bundesliga schlechthin ist. Weil er immer ganz bei sich bleibt. Weil er halt so ist, wie er ist. Weil er so spricht, wie er sich gerade fühlt. Und genau deshalb so gut ankommt. Authentisch nennt man das auf Neudeutsch.

Der drollige alemannische Dialekt und die ungekünstelte, kauzige Art sind dabei ja das eine – der breite Horizont, der nicht an der Seitenlinie endet, ist das andere. Streich, der Metzgerssohn, lernte schon im Geschäft der Eltern fürs Leben. Dort, wo die Wurst über den Tresen ging, bekam Streich, wenn man so will, die ersten Happen Fleisch an seine Bildung dran. Weil er in der Metzgerei die verschiedensten Menschenprägungen mitbekam und alles aufsaugte.

Klappe halten? Nicht Streichs Ding

Später studierte Streich Germanistik, Geschichte und Sport auf Lehramt. Er wohnte in einer WG und wurde vor knapp 30 Jahren in der Freiburger Studentenszene als politisch denkender Mensch geprägt. Klappehalten ging nicht. Man hatte eine politische Meinung. Und die äußerte man auch. Und so macht Streich es heute noch, nicht mehr und nicht weniger. „Ich würde die Fragen auch so beantworten, wenn sie mir beim Einkaufen oder im Café gestellt worden wären“, sagte er dazu mal. „Warum soll ich sie dann nicht beantworten, wenn sie von einem Journalisten kommen?“ Also redet dieser Streich, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Und wenn er mal keine Lust darauf hat, alles von sich preiszugeben, dann kommt halt nix oder wenig dabei herum – ob an der Supermarktkasse oder bei Pressekonferenzen. Nimmt ihm dann aber auch keiner mehr krumm. Denn Streich ist Streich. Und damit ein Original.

Julian Nagelsmann: Auf der Zielgeraden

Nagelsmann sagt auch, was er denkt

Wer mal einen echten Nagelsmann erleben will, der sollte mit ihm über Silvester reden oder zumindest die Videos dazu im Netz anschauen. „Ich finde es ein total schwachsinniges Fest. Irgendwo in Brandenburg sprengen sich zwei in die Luft, da schießt irgendeiner Raketen aus dem Auto, es wird immer verrückter“, sagt Nagelsmann also. Und weiter: „Wenn man dann mal um 0.20 Uhr in den Himmel schaut und denselbigen nicht mehr sieht, dann sollten wir uns alle Gedanken machen. Wir quatschen immer von Umweltschutz und verschießen ich weiß nicht wie viele Milliarden Tonnen von diesem Rotz. Völliger Bullshit!“

Rumms und bums, immer frei raus – so schießt Julian Nagelsmann (31) seine Salven, und wann immer es geht und es irgendwie dazu passt, betont der Bayer aus Landsberg am Lech noch seine Liebe zur Natur. Denn eines ist klar: Im Grunde seines Wesens ist Julian Nagelsmann in seiner eigenen Wahrnehmung ein Bergsteiger, der sich auf die Trainerbank im Fußball verirrt hat. Über die Zeit nach der Karriere sagt er zum Beispiel dies: „Mein größter Traum wäre es, in die Alpen zu ziehen und eine Firma zu gründen, die Outdoor-Aktivitäten anbietet.“

Der künftige Leipzig-Coach ist kein Dampfplauderer

Bis dahin will der jüngste Trainer der Ligageschichte, der die TSG Hoffenheim wach küsste und im Sommer nach Leipzig wechselt, mit seiner Art aber im Fußballzirkus punkten: Forsch, offen, manchmal vorlaut, aber immer bei sich, das ist Nagelsmann. Er fühlt sich wohl auf der großen Bühne, er weiß, wie er wirkt, bisweilen spielt er auch damit. Nagelsmann ist ein offenes Buch. Er sagt, was er denkt. Wie ein Dampfplauderer wirkt er aber nicht, weil es meist fundiert, oft lustig und immer geradeheraus ist, was er sovon sich gibt.

Der Charme, der Witz und seine Unbekümmertheit werden Nagelsmann mal als zu frech und nassforsch ausgelegt. Manchmal, so heißt es, treibt es der Gipfelstürmer verbal auf die Spitze. Seinen spitzbübischen Humor und den ironischen Unterton will er sich aber nicht nehmen lassen. Er will sich, ganz der geerdete Naturbursche, nicht verbiegen lassen. „Wenn es so weit kommt“, sagt er dazu, „dann mache ich es nicht mehr, dann werde ich halt Skilehrer.“ Als Fußballlehrer bleibt Nagelsmann dabei auch Nagelsmann, indem er sich verändert. Dinge ausprobieren und experimentieren, auch das liegt in seiner Natur. Er macht es nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Gesicht.

Kompromisse? Braucht Nagelsmann nicht

Als Nagelsmann etwa zu Beginn dieser Saison mit gezupften und nachgezeichneten Augenbrauen erschien, da redete er hinterher offen drüber. „Ich habe Schlupflider“, sagte er. „Frauen dürfen sich auch immer schick machen – da habe ich gedacht, dass man es als Mann auch machen kann.“ Sprach’s, lachte und machte sich wieder nichts draus, was andere über ihn denken. Denn Nagelsmann ist in seiner eigenen Wahrnehmung ein freier Mann, der jederzeit was anderes machen kann. Und aus dieser Haltung heraus probiert er einfach. Ein Mann gibt Vollgas. Ohne Kompromisse.