Die Fußgängerbrücke über den Rhein verbindet Kehl mit Straßburg. Foto: dpa

Die Frankreich-Konzeption steht kurz vor dem Abschluss: Darin plant die Koalition eine deutlich engere Zusammenarbeit als bisher.

Stuttgart - Baden-Württemberg und Frankreich sollten nach Ansicht der Landesregierung viel enger als bisher zusammenrücken und mehr gemeinsame Projekte in Angriff nehmen. Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, hat dafür eine neue Frankreich-Konzeption des Landes erarbeitet, deren Eckpunkte sie vor kurzem im Landeskabinett vorstellte. „Wir machen nicht einfach geradlinig weiter, das wird vielmehr ein qualitativer Sprung“, sagte die Grünen-Politikerin unserer Zeitung. Die Koalition will sich das eine Stange Geld kosten lassen und plant für den nächsten Doppelhaushalt ein von mehreren Ministerien gespeistes „Ressourcen-Paket“.

Welche Mittel genau für welche Projekte fließen, steht allerdings noch nicht fest. „Die durch die Frankreich-Konzeption entstehenden Mittelbedarfe bei den Ressorts sollen Anfang 2019 (spätestens März) auf der Grundlage dieser Kabinettsvorlage als Gesamtpaket in den Doppelhaushalt eingebracht werden“, heißt es in dem Eckpunktepapier, das unserer Zeitung vorliegt. Die für beide Länder relevanten Themen hat Erler im vergangenen Jahr im Rahmen von drei grenzüberschreitenden Bürgerdialogen in Breisach, Baden-Baden und Kehl sowie in zehn deutsch-französischen Expertenrunden herausgearbeitet.

Steinerne und geistige Brücken

„Das reicht vom Wunsch, deutlich mehr Brücken über den Rhein zu bekommen, über eine gemeinsame Berufsschule bis hin zu Leutturmprojekten für eine moderne Energieversorgung in Fessenheim“, sagt Erler. Auch ein oberrheinisches Studierendenticket und ein engerer Austausch auf den Feldern Kultur, innere Sicherheit und Umwelt stehen auf dem Wunschzettel. Und natürlich gehört auch die Reaktivierung der Bahnstrecke von Freiburg ins elsässische Colmar dazu, die seit der Zerstörung der Breisacher Eisenbahnbrücke seit 1945 unterbrochen ist.

Die einzelnen Maßnahmen will die Landesregierung im kommenden Frühjahr beschließen und dann der Öffentlichkeit an mehreren Orten in Europa präsentieren, unter anderem in Brüssel, Berlin, Straßburg und in den Kommunen der Bürgerdialoge. Außerdem plant das Staatsministerium eine Broschüre auf Deutsch und Französisch. „Dabei soll vermittelt werden, wofür die Landesregierung in der deutsch-französischen Kooperation steht, und was sie unternimmt, um damit insgesamt die europäische Integration zu stärken“, heißt es in den Eckpunkten.

Der Brexit zeigt Wirkung

Hintergrund der stärkeren Hinwendung zu Frankreich ist der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU. „Deutschland und Frankreich sind bedeutende Stabilitätsanker der Europäischen Union. Wir brauchen eine enge deutsch-französische Partnerschaft, um unsere Vorstellung eines stabilen, solidarischen und demokratischen Europas voranzubringen“, sagte Erler. Es liege in Baden-Württembergs besonderer Verantwortung als größtes an Frankreich angrenzendes Bundesland, den „europäischen Mehrwert“ sichtbarer zu machen. Die neue Frankreich-Konzeption des Landes soll deshalb die strategischen Ziele für die nächsten fünf bis zehn Jahre definieren.

Baden-Württemberg will damit auch Vorreiter sein, wenn es darum geht, den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, auch Élyseé-Vertrag genannt, mit konkreten Maßnahmen zu begleiten. Die feierliche Unterzeichnung des neuen Abkommens, das die deutsch-französische Freundschaft auf eine neue Basis stellen soll, ist für 22. Januar geplant. Der erste Élyseé-Vertrag war am 22. Januar 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle im Pariser Élyseé-Palast unterzeichnet worden.