Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD). Foto: dpa

Kaum haben die Regierungschefs von Bayern und Baden-Württemberg eine energiepolitische Südschiene geschmiedet, fährt ihnen Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) in die Parade: Er ist unzufrieden mit ihrem Kurs.

Kaum haben die Regierungschefs von Bayern und Baden-Württemberg eine energiepolitische Südschiene geschmiedet, fährt ihnen Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) in die Parade: Er ist unzufrieden mit ihrem Kurs.

Stuttgart - Das gemeinsame Positionspapier von Bayern und Baden-Württemberg zur Energiewende greift für Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid deutlich zu kurz. „Wichtige wirtschaftliche und energiepolitische Interessen Baden-Württembergs müssen berücksichtigt werden“, erklärte Schmid am Dienstag, nachdem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) das zusammen mit Horst Seehofer (CSU) verfasste Papier vorgestellt hatte.

So moniert der SPD-Politiker, als Ziel der Reform müsse klarer herausgearbeitet werden, dass „bezahlbare Energie für Mittelstand und Verbraucher“ bereitstehe. „Nicht ausreichend berücksichtigt wird die Fotovoltaik, bei der Baden-Württemberg Technologieführer ist“, erklärte er weiter. Stattdessen werde der Biomasse, die derzeit teuerste erneuerbare Energiequelle, „zu viel Platz eingeräumt“.

Kretschmann hatte Seehofer vergangene Woche bei Ulm getroffen, ohne seinen heimischen Koalitionspartner zu informieren. Wie er am Dienstag einräumte, hat das intern zu „Unstimmigkeiten“ geführt. Diese seien aber mittlerweile ausgeräumt. „Die Initiative ging vom Kollegen Seehofer aus“, so Kretschmann. Beide hätten erst einmal in kleinem Kreis miteinander sprechen wollen.

In SPD-Kreisen hieß es jetzt, nicht nur der Stil des Vorgehens sei fragwürdig, sondern auch der strategische Kurs. Der sprunghafte und eigennützige Seehofer sei nicht der richtige Partner. Man müsse den Schulterschluss eher mit den rot-grün regierten Ländern suchen.

Von einer neuen „Südschiene“ wie zu Zeiten von Franz Josef Strauß und Lothar Späth wollte Kretschmann allerdings nichts wissen. Das Treffen habe auch nichts mit Parteipolitik zu tun: „Es muss möglich sein, dass man sich in der Politik um Sachfragen kümmert und nicht um diesen ganzen Quark ,wer mit wem.“ Bayern und Baden-Württemberg hätten den höchsten Atomstromanteil und eine international im Wettbewerb stehende Industrie, deshalb sei es legitim, gemeinsame Interessen zu formulieren.

In dem Papier fordern sie unter anderem eine Entscheidung bis zum Sommer über sogenannte Kapazitätsmärkte: Energieversorgungsunternehmen sollen einen finanziellen Ausgleich für den Bau von modernen, umweltfreundlichen Kraftwerken erhalten, die der Versorgungssicherheit dienen – und zwar zusätzlich zu ihren Erlösen aus dem Stromverkauf.

„Druck machen wirklich nur Bayern und Baden-Württemberg“, sagte Kretschmann zu diesem Instrument. Die schwarz-rote Koalition in Berlin befürwortet Kapazitätsmärkte zwar, vor allem in der Wirtschaft gibt es jedoch kritische Stimmen. Solche Instrumente seien „nicht der Stein der Weisen“, erklärte am Dienstag auch Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle. Auch die Landtags-CDU nannte den Vorschlag „einen alten Hut der Grünen“. Er lasse offen, wer die Kosten trage.

„Die CDU-Landtagsfraktion spricht sich dagegen aus, die Stromkunden neben der EEG-Umlage auch noch mit den milliardenschweren Kosten eines bürokratischen Kapazitätsmarktes für fossile Ersatzkraftwerke zu belasten“, so Fraktionschef Peter Hauk.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßte hingegen in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einen „zweiten Markt für das Vorhalten für Kapazität“. Es bestehe allerdings erheblicher Zeitdruck, da die Investitionsentscheidungen in Süddeutschland spätestens nächstes Jahr gefällt werden müssten.

Kretschmann und Seehofer fordern in ihrem Papier außerdem, dass Windkraft auch in Süddeutschland an Standorten mit einem Referenzertrag von 60 bis 80 noch wirtschaftlich möglich sein soll. Dies ist eine Leistungskennzahl für Windkraftanlagen. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sieht einen Referenzwert von 75 bis 80 Prozent für die Förderung vor – was für leistungsschwache Anlagen im Südwesten das Aus bedeutete.

Einig zeigen sich die Regierungschefs mit Berlin, dass neue Biogasanlagen überwiegend mit Abfall und Reststoffen gespeist werden sollen. Nicht einverstanden sind sie allerdings mit Gabriels Plan, bestehende Biogasanlagen, die erweitert werden, geringer als zuvor zu fördern. Bayern hatte offenbar auf diesen Passus gedrängt – zum Ärger der hiesigen SPD.

Die CDU sieht die SPD deshalb in einer Zerreißprobe: „Kretschmann führt damit erneut seinen kleinen Koalitionspartner und den stellvertretenden Ministerpräsidenten vor“, sagte der energiepolitische Sprecher Paul Nemeth.