Die Benin-Bronzen aus dem Linden-Museum werden am 14. Dezember Eigentum Nigerias. Foto: dpa/Christian Schmidt

Das Land bestätigt seine Vorreiterrolle beim Thema Raubkunst: Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart übertragen Eigentum an Benin-Bronzen aus dem Linden-Museum an Nigeria.

Das Wort ist schnell gesagt: „historisch“. An diesem Mittwoch, an diesem 14. Dezember, gilt es. Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart übertragen die Eigentumsrechte aller 70 Objekte des Königreichs Benin aus dem Linden-Museum Stuttgart an den Staat Nigeria.

Sinnbild einer Auferstehung

125 Jahre nach ihrem Raub aus der Hauptstadt des damaligen Königreiches Benin in Westafrika kehren die Kulturschätze nach Benin-City zurück. Auf die Masken und Figuren wartet das Edo Museum of West African Art (Emowaa). 2021 stand es auf Platz 40 der 50 weltweit einflussreichsten Projekte, 2024 soll das Emowaa eröffnet werden. Als Museum. Als Bibliothek. Als Bildungszentrum. Erbaut auf den Ruinen der 1897 von den Briten zerstörten Königsstadt.

Schon jetzt ist das Emowaa gefeiertes Sinnbild einer Auferstehung. Es geht um das Wissen um die eigene Geschichte. Darum diese aus der eigenen Perspektive schreiben zu können. Zugleich ist das Emowaa auch ein Einschnitt für Nigeria. Menschen gegen Material, Sklaven gegen Messing: Das ist die Kette, die die (Handels-)Macht des Königreichs Benin festigt. Und das Messing fließt, auch nach Ende des Sklavenhandels, in jene Figuren, die wir als Benin-Bronzen kennen. Auch davon soll im Emowaa die Rede sein.

Im Bau: Edo Museum of West African Art Foto: DAA

Im Februar 1897 landen die Briten mit 1200 Mann vor Benin-City. Ein Unrechtsregime, das sich mit Menschenopfern an der Macht halte, soll beseitigt werden. Tatsächlich stört Benin „britische Interessen“. Mit an Bord: Maschinengewehre. Benin-City erlebt das erste MG-Dauerfeuer der Geschichte, nach einer Woche ist alles vorbei. Die Angaben zu Todeszahlen schwanken. Waren es 10 000? 50 000? Ein Offizier notiert anderes: „Das ganze Camp ist voller Beute. Viele Bronzefiguren und geschnitzte Elfenbeinzähne.“

Stuttgart bedient sich aus britischer „Beute“

Die Beute muss die Kosten für die „Strafexpedition“ decken – bei Auktionen in der Heimat. Gesandte europäischer Museen überbieten sich. Auch in Stuttgart ist das Interesse groß. Karl Graf von Linden (1838–1910), Jurist am württembergischen Königshof, hat als Vorsitzender des Württembergischen Vereins für Handelsgeografie nur ein Ziel: ein Museum für Völkerkunde. 1889 wird es eröffnet – als Teil des Hauses der Wirtschaft. Die Sammlung wächst schnell, Europas Hunger nach dem „Anderen“ ist enorm. 1911, kurz nach Lindens Tod, öffnet das nach seinem Gründer benannte Völkerkundemuseum. Im Bestand: 78 Objekte aus dem Königreich Benin. Wissenschaftlich korrigiert sich diese Zahl auf 69, 1964 kommt aus dem Kunsthandel eine Maske hinzu, die bald zur Inkunabel wird.

Seit 2021 ist klar: Die deutschen Museen geben ihre Werke zurück. Vor allem Baden-Württemberg hatte Druck gemacht – und zeigt erneut Flagge. „Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart“, heißt es offiziell, „sind nach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die ersten öffentlichen Eigentümer, die Objekte aus dem Königreich Benin restituieren und die Eigentumsrechte aller 70 Objekte des Königreichs Benin aus dem Linden-Museum Stuttgart an den Staat Nigeria übertragen.“

Ines de Castros Leistung

Für Baden-Württemberg, das die Erinnerungskultur zu einem Markenzeichen gemacht hat, kann es nur diesen Schritt geben. Das Linden-Museum und das Team um Direktorin Ines de Castro haben ihn mustergültig vorbereitet. Auch dies gehört zu diesem 14. Dezember 2022 – und kann Ausgangspunkt für eine Zukunft auf Augenhöhe sein. Schmerzliches bleibt. Allem voran menschliche Überreste in Museen und universitären Sammlungen. Eine „Heilung“? Ist noch nicht wirklich in Sicht. Die Voraussetzungen dafür aber sind deutlich verbessert. Das schönste Zeichen: 24 Figuren bleiben als Dauerleihgabe in Stuttgart.