Freibäder sollen für Spaß und Abkühlung sorgen. Doch kaum lockt der Sommer die Menschen ans Wasser, kommt es auch zu Tumulten, zu Schlägereien, zu Übergriffen. Die Straftaten sind sprunghaft angestiegen - nicht alles kann mit dem Corona-Effekt erklärt werden.
Zwei Unbekannte tauchen im Juni einen Zwölfjährigen in einem Mannheimer Freibad unter Wasser, Freunde und Familienangehörige mischen sich ein, die Sache eskaliert zu einer Massenschlägerei mit 40 Personen und mindestens fünf Verletzten. Vor zwei Wochen schlagen Unbekannte dem Bademeister des Malscher Freibades bei Karlsruhe einen Zahn aus, weil er sie kurz vor Badeschluss gebeten hatte, das Bad zu verlassen. Im Inselbad Untertürkheim häuften sich sexuelle Übergriffe vor kurzem so sehr, dass das Bad das Sicherheitspersonal aufstockt.
Nicht nur im Columbiabad in Berlin-Neukölln kommt es zu Übergriffen und Gewalt am Beckenrand, auch im Südwesten steigt die Zahl der Sexualdelikte, der Schlägereien und Diebstähle in Freibädern. Das Columbiabad war am Sonntagabend zum wiederholten Mal wegen Auseinandersetzungen frühzeitig geschlossen und geräumt worden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schlug am Mittwoch vor, mit Polizeipräsenz in den Freibädern auf die Situation zu reagieren.
Das Berliner Bad ist überregional bekannt, weil es dort öfter Probleme mit Jugendlichen gibt. Aber auch in den Freibädern im Südwesten nimmt die Gewalt zu, die Zahl erfasster Körperverletzungen liegt sogar auf einem Zehn-Jahres-Hoch.
Die Polizei erfasste 2022 insgesamt 1174 Straftaten in Freibädern in Baden-Württemberg - und damit 166 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die „Schwäbische Zeitung“ berichtete am Mittwoch über die aktuellen Zahlen. Der Anstieg von 166 Prozent klingt erstmal gewaltig, ist aber in erster Linie auf die Corona-Zeit zurückzuführen, in der viele Freibäder schließen mussten. Insgesamt ging die Kriminalität in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in den Pandemiejahren vorübergehend zurück. Vor dem Hintergrund müssten die neuen Zahlen auch bewertet werden, heißt es aus dem Ministerium. Im Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 sei die Anzahl der Straftaten in Freibädern sogar um 14,9 Prozent gesunken. 2015 waren es 1888 Fälle.
Die Aufklärungsquote der Taten lag 2022 laut Ministerium bei 41,5 Prozent
Nicht der komplette Anstieg kann allerdings mit dem Corona-Effekt erklärt werden. Bei den „Rohheitsdelikten und Straftaten gegen die persönliche Freiheit“, also vor allem Körperverletzungen, wurde im vergangenen Jahr ein Anstieg von 25,8 Prozent verzeichnet - gegenüber dem Jahr 2019. Die Ermittler erfassten im vergangenen Jahr 200 Straftaten in dem Bereich. Es handelt sich um den höchsten Wert im Betrachtungszeitraum der vergangenen zehn Jahre. 2021 waren es noch 42 Fälle. Es sei schwierig, dafür Erklärungsansätze zu finden, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.
51 im vergangenen Jahr in Freibädern erfasste Straftaten richteten sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung, darunter 24 Fälle von sexuellem Missbrauch, davon wiederum 14 Missbrauchsfälle, die sich gegen Kinder richteten. Zehn der erfassten Straftaten fallen in die Kategorie „exhibitionistische Handlungen / Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Die meisten Delikte liegen im Bereich des Diebstahls mit 625 Straftaten im vergangenen Jahr - 2021 waren es noch 188 Fälle, im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es 751.
Die Aufklärungsquote der Taten lag 2022 laut Ministerium bei 41,5 Prozent. Für das Jahr 2023 könnten nur Trendaussagen getroffen werden. „Hierbei zeichnet sich für Straftaten an der Tatörtlichkeit „Freibad“ für die Gesamtstraftaten, die Diebstahlsdelikte insgesamt, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Gewalt- und Aggressionsdelikte ein Anstieg der Fallzahlen ab“, teilte das Haus von Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit. Bei den Sachbeschädigungsdelikten deute sich 2023 hingegen ein Rückgang der Fallzahlen an. Das Wetter habe zudem großen Einfluss auf das Besucheraufkommen in Freibädern.