Die Landesregierung will dienstliche Flugreisen nach eigenen Angaben „auf das notwendige Maß beschränken, aber nicht völlig unterbinden“. Foto: imago/Frank Sorge/Sabine Brose

Bis zum Jahr 2030 schon soll die Landesverwaltung aus Sicht der baden-württembergischen Regierung klimaneutral sein. Eine Baustelle: Die Dienstreisen. In welchen Ministerien wird am meisten geflogen? Und wie genau wird das kompensiert? Ein Überblick.

Prognosen zufolge dürfte der Flugverkehr in den kommenden Jahren weiter stark steigen – und damit auch dessen Einfluss auf die Erderwärmung. Die baden-württembergische Landesregierung aber hat sich vorgenommen, die Landesverwaltung bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu organisieren – und deshalb auch die Emissionen durch Flüge zu reduzieren. Man will der Vorbildfunktion beim Klimaschutz nachkommen, das ist das erklärte Ziel. Wie viel aber fliegen die Mitarbeitenden der Ministerien und Hochschulen im Südwesten? Und wie hat sich das in den vergangenen Jahren verändert? Antworten dazu im Überblick.

 

Was tut die Landesregierung, um die Bilanz eigener Reisen zu senken?

Um die „Sensibilität“ zu stärken und der Klimabelastung unvermeidbarer Flugreisen „Rechnung zu tragen“, müssen die Ministerien ebenso wie nachgeordnete Behörden – inklusive der Hochschulen im Land – ihre Flüge kompensieren, also eine Ausgleichszahlung leisten. Die Kompensation der Reisen läuft über die Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg. Ende 2020 hat die Landesregierung das im Landesreisekostengesetz entsprechend verankert. Darin heißt es auch, dass die notwendigen Kosten für Dienstreisen mit dem Flugzeug „nur dann erstattungsfähig sind“, wenn die dienstlichen oder wirtschaftlichen Gründe „die Belange des Klimaschutzes überwiegen“.

Wie viel wird in den Behörden geflogen?

Dazu hat das baden-württembergische Finanzministerium nun Zahlen vorgelegt – als Antwort auf eine Anfrage der SPD im Landtag. In dem Papier zeigt sich: Zwischen 2015 und 2019 ist der „dienstliche Flugverkehr“ stetig gewachsen – sowohl auf Ebene der Ministerien, als auch auf Ebene der Hochschulen. „Im Widerspruch hierzu steht die Aussage von Finanzminister Dr. Bayaz, dass es das Ziel der Landesregierung sei, den Flugverkehr auf das notwendige Maß zu begrenzen“, kritisiert SPD-Klimaschutzexperte Gernot Gruber.

In den Pandemiejahren gab es dann einen deutlichen Einbruch. Während 2019 in Ministerien und Behörden insgesamt noch rund 28 600 Flugtickets gekauft wurden, waren es 2020 und 2021 jeweils nur etwas mehr als 3000. Die Landesregierung hatte an der Gesamtzahl der Flugtickets zuletzt einen Anteil von knapp über sieben Prozent.

In welchen Ministerien wird am meisten geflogen?

Sowohl 2018 als auch 2021 führte das von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geführte Staatsministerium die Liste mit einigem Abstand an – sowohl bei der Zahl der gekauften Tickets, als auch bei den Flugkilometern pro Kopf. Vor der Pandemie fielen im Staatsministerium umgelegt auf alle Mitarbeitenden 1364 Flugkilometer pro Kopf an, im vergangenen Jahr waren es dann nur noch 224 Kilometer. Eine hohe Pro-Kopf-Bilanz hatten 2018 auch das Justizministerium (1239), das Wirtschaftsministerium (897) und das Wissenschaftsministerium (837).

In der Pandemie wurden in einigen Ministerien tatsächlich weniger als zehn Tickets pro Jahr gebucht – nämlich im Umweltministerium und im Landwirtschaftsministerium. Auch die insgesamt mit dem Flugzeug zurückgelegte Strecke schrumpfte deutlich. Am meisten Flugkilometer pro Kopf fielen 2021 abermals im Staatsministerium an (224), dicht gefolgt dieses Mal vom Wirtschaftsministerium (197), zu dem hier auch das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen gezählt wurde. Vergleichsweise viel wurde 2021 auch geflogen im CDU-geführten Innenministerium (66 Flugkilometer pro Kopf) und im Wissenschaftsministerium (52). Mehr als 98 Prozent aller Flüge waren Economyclass.

Ist der Rückgang nur ein Corona-Effekt?

Der Rückgang sei „in einem nicht unerheblichen Umfang“ auf die Auswirkungen der Coronapandemie zurückzuführen, schreibt Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in seiner Antwort auf die SPD-Anfrage. Genau das kritisiert auch Gernot Gruber: Es sei „enttäuschend, dass die grün-schwarze Landesregierung den klimaschädlichen Flugverkehr in der Landesverwaltung und den Universitäten nicht aus eigener Kraft“ reduziere, sondern erst die Pandemie etwas geändert habe.

Doch der Finanzminister zeigt sich optimistisch, dass auch künftig weniger geflogen wird: „Der mit der Coronapandemie einhergehende Ausbau der Digitalisierung im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft hat neue (digitale) Gesprächs- und Konferenzformate etabliert, die einige Dienstreisen nicht mehr erforderlich machen.“ Aus einigen Ministerien hört man, dass auch in diesem Jahr viele Besprechungen etwa mit Berlin über Videotelefonie stattfinden.

Wie werden die Flüge ausgeglichen?

Die Landesbehörden melden der Klimaschutzstiftung ihre Flugdienstreisen. Je höher die CO2-Bilanz ist, desto höher ist dann auch die Summe, die als Klimaabgabe fällig wird. Das Geld wird dann in Kompensationsprojekte weltweit investiert – etwa für effiziente Öfen in Ruanda und den Aufbau von Solaranlagen im Nordirak. An dieser Art der Kompensation gibt es immer wieder Kritik. „Durch die Gelder und Projekte wird aber die Energiewende in Ländern vorangetrieben, die sie sonst gar nicht finanzieren könnten“, sagt Julia Kovar-Mühlhausen, Leiterin der Klimaschutzstiftung. Eine rechtliche Grundlage, durch CO2-Zertifikate auch Projekte in Baden-Württemberg zu finanzieren, gebe es nicht. „Wer über uns kompensiert, zahlt aber verpflichtend einen zusätzlichen Beitrag auch für Klimaschutzprojekte in Baden-Württemberg“, sagt Kovar-Mühlhausen. Zudem betont sie: Dienstreisen zu bilanzieren und kompensieren sei nur ein Aspekt. „Es muss versucht werden, so wenig Emissionen wie möglich überhaupt entstehen zu lassen.“

Stellschrauben beim Klimaschutz

Ökostrom
Die Landesverwaltung ebenso wie privatwirtschaftliche Unternehmen können einiges tun, um ihre Klimabilanz zu verbessern, sagt Julia Kovar-Mühlhausen von der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg. „Große Hebel sind zum Beispiel die Energieversorgung und der eigene Fuhrpark. Auf Ökostrom umzustellen macht etwa viel aus.“

Veranstaltungen
Die Klimaschutzstiftung unterstützt die Ministerien etwa auch dabei, Veranstaltungen klimafair zu planen und durchzuführen. Dabei gebe es in Summe viele Ansätze, Emissionen einzusparen, sagt Kovar-Mühlhausen.