Sensible Daten: Maut-Kontrollbrücke an einer deutschen Autobahn Foto: dpa

Der Justiz- und der Innenminister bekräftigen ihre Forderung, das Mautgesetz im Interesse der Strafverfolgung zu ändern. Bei den Länderkollegen und beim Grünen-Koalitionspartner regt sich Widerstand.

Stuttgart/Deidesheim - Der baden-württembergische Vorschlag, Maut-Daten künftig auch zur Aufklärung schwerster Verbrechen zu verwenden, hat in Bund und Land die Diskussion um eine Reform des Mautgesetzes angefacht. Die Justizminister wollen sich auf ihrem Treffen im rheinland-pfälzischen Deidesheim zwar erst an diesem Donnerstag mit dem Thema befassen, doch in der über die Medien geführten Debatte zeichnet sich bereits eine Konfliktlinie ab: Während Baden-Württembergs Ressortchef Guido Wolf (CDU) für eine Datennutzung zumindest „in Ausnahmefällen“ und mit Richtervorbehalt plädiert, erinnert der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Herbert Mertin (FDP), an die einst vom Bundestag gegebene Zusage, die Daten nur zu Abrechnungszwecken zu verwenden: „Diesen Schwur von damals gegenüber den Bürgern will man jetzt brechen.“

Unterschiedlicher Meinung sind auch die baden-württembergischen Koalitionspartner. Innenminister Thomas Strobl (CDU) warb am Mittwoch im Landtag noch einmal für eine Lockerung der Vorschriften: „Wenn wir erkennen, dass es ein Fehler war, dann sollten wir unter Beachtung der datenschutzrechtlichen ebenso wie selbstverständlich auch aller verfassungsrechtlichen Vorgaben auch die Kraft haben, ein solches Bundesgesetz zu ändern.“ Der Grünen-Innenexperte Hans-Ulrich Sckerl lehnte dies hingegen ab: „Da kann man die Bürger jetzt nicht hinterrücks betrügen und etwas Anderes machen.“

Vorwurf der Scheinheiligkeit

Wolf und Strobl haben das Argument auf ihrer Seite, dass die Identifizierung eines Tatverdächtigen im Endinger Mordfall – ein Lastwagenfahrer soll im vergangenen Herbst eine 27-jährige Joggerin ermordet haben – nur mit Hilfe von in Österreich erhobenen und ausgewerteten Mautdaten gelang. Wolf folgert daraus: „Diejenigen, die die Nutzung der deutschen Mautdaten für die Strafverfolgung kategorisch ablehnen, müssten dann auch so konsequent sein und auf die Nutzung ausländischer Mautdaten verzichten.“ Er finde es „scheinheilig“, wenn man die Datennutzung in Deutschland ablehne, aber dann auf österreichische Daten zurückgreife. Er wolle ja am grundsätzlichen Verbot der Nutzung für andere Zwecke gar nicht rütteln: „Ich habe immer gesagt, es geht nur um einzelne Ausnahmen bei besonders schweren Straftaten wie Mord nach einer richterlichen Entscheidung.“ Zwingende verfassungsrechtliche Hindernisse gibt es nach Einschätzung des Justizministeriums für eine solche Reform nicht.

Die Stuttgarter CDU-Landtagsfraktion unterstützt Wolfs Vorstoß. Niemand verstehe, dass man die Mautdaten zwar zur Abrechnung, nicht aber zur Verbrechensbekämpfung nutzen dürfe, sagte Fraktionsvize Nicole Razavi. Auch der AfD-Abgeordnete Heiner Merz steht hinter der Forderung von Strobl und Wolf. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke warf der grün-schwarzen Regierung „Doppelmoral“ vor. Einerseits habe Strobl in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter dem streng begrenzten Verwendungszweck der Mautdaten zugestimmt, andererseits wolle er die Daten jetzt als Innenminister nutzen. Und obendrein lasse Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) beim Innenminister nachfragen, ob Autokennzeichen erfasst und zur Kontrolle der in Stuttgart geplanten Fahrverbote genutzt werden können. Rülke: „Das ist eine Koalition der scheinheiligen Datensammler.“ Was die Mautdaten angeht, sprach sich der FDP-Fraktionschef für eine ausgedehntere Nutzung aus: Wenn die Daten schon mal erhoben seien, könne man es der Bevölkerung nur schwer vermitteln, dass sie nur zur Abrechnung, nicht aber zur Verbrechensbekämpfung genutzt werden dürfen.

Hermann hat doch „nur gefragt“

Sckerl verteidigte das Vorgehen von Verkehrsminister Hermann. Es habe sich lediglich um eine Prüfung gehandelt, ob Fahrverbote mit einer Kennzeichenerfassung überwacht werden können: „Die Frage ist erlaubt.“ SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warf Grün-Schwarz vor, sich lieber öffentlich zu beschimpfen als die beiden Verfassungsgüter Datenschutz und Sicherheit sauber gegeneinander abzuwägen. Es sei jedenfalls nicht in Ordnung, wenn Strobl den Datenschutz in die Nähe des Täterschutzes rücke. Der Innenminister hatte jüngst im Zusammenhang mit den Mautdaten gesagt: „Datenschutz darf kein Täterschutz sein.“ Es gehe nicht um den gläsernen Autofahrer, sondern um eine zielgerichtete Auswertung der Daten in ganz bestimmten Einzelfällen.

In Paragraf 7 des Bundesfernstraßenmautgesetzes heißt es unter anderem: „Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“